TSV 1860 München:Einsamer Einsiedler

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Einige Mitglieder müssen nach Hause gehen, damit die Abteilungs­versammlung überhaupt stattfinden kann.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Es hatte, warum auch nicht im Tratsch- und Streitverein, offenbar schon jemand damit gedroht, das Kreisverwaltungsreferat zu alarmieren. Um 19 Uhr am Donnerstagabend sollte in der Münchner Gaststätte Zunfthaus die Versammlung der Fußballabteilung des TSV 1860 beginnen, dann trat Abteilungsleiter Roman Beer ans Mikrofon: "Der Saal ist für diese Anzahl an Personen nicht ausgelegt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, dass einige sagen, sie gehen freiwillig, oder wir müssen die Versammlung absagen."

Normalerweise erscheinen zu dem Treffen, in dem es satzungsmäßig um Jugendfußball, Futsal und solche Dinge, aber nicht um den Profifußball geht, nur rund 100 Menschen. Diesmal waren es doppelt so viele, weil sich auch einige Gegner der e.V.-Führung angekündigt hatten, denen wiederum die Unterstützer ihre Präsenz entgegensetzen wollten - Grund für das gestiegene Interesse war die Vertragsauflösung des Profitrainers Daniel Bierofka, für die einige Mobbing durch den e.V. und dessen Umfeld verantwortlich machen.

Zu den Menschen, die nun altruistischerweise den Saal verließen, gehörten auch das komplette Präsidium um Robert Reisinger und KGaA-Aufsichtsrat Sebastian Seeböck, so dass am Ende niemand mehr da war, den man irgendwas zu Bierofka hätte fragen können. Um 19.31 Uhr konnte Beer dann endlich sagen: "Es sind jetzt 158 Personen im Raum, ich darf sie herzlich begrüßen."

Die Opposition war dann ohnehin klein und zahm, als Beer entlastet wurde, stimmten 130 Personen mit Ja, 14 Gegner wählten die Form der Enthaltung. Mit Nein stimmte nur ein bärtiger Mann in der hintersten Ecke, von dem man später erfahren sollte, dass sein Name Programm war. Er beantragte, die anstehende Abstimmung über eine Änderung der Abteilungsordnung zu verschieben, und da muss man angeben, wie man heißt. "Mein Name ist Einsiedler", sagte er.

Auch mit dem Wunsch nach der Vertagung blieb Einsiedler relativ allein, er sammelte nur 20 Ja-Stimmen. Er hatte bemängelt, dass die veränderten Passagen zuvor nirgends einsehbar gewesen waren. Im Gegensatz zu einer Satzungsänderung ist dies in diesem Fall zwar nicht vorgeschrieben. Es war aber durchaus viel verlangt, die zahlreichen Änderungen während des schnellen Vortrags umfassend zu kapieren. Es gehe darum, den Text "etwas schlanker zu machen, etwas geradezuziehen", erklärte Beer.

Zwischen kleineren Tippfehlern und veränderten Aufgabenbeschreibungen für Ordnungsdienstleiter und Behindertenbeauftragten steckte dann aber durchaus eine interessante Stelle. Folgender Passus sollte nämlich nicht nur schlank gemacht, sondern ersatzlos gestrichen werden: "Zur Fußballabteilung gehören nicht die Lizenz-Fußballmannschaft, die (...) II. Mannschaft sowie die (...) U19, da diese durch Ausgliederung auf die (...) KGaA übergegangen sind."

Was diese Passage im Falle einer Insolvenz der KGaA bedeutet, ist unklar - das verknüpfende Wörtchen lautet ja "da" und nicht etwa "solange". Sie zu streichen, schadet sicherlich nicht, sollte es irgendwann zu einer Insolvenz kommen, die sich einige Gegner des Investors Hasan Ismaik gut vorstellen können. Zudem gab es ja immer mal wieder Pläne, die U21 und die U19 in den e.V. zurückzuführen - auch da wäre diese Stelle der Abteilungsordnung eher hinderlich. "Ich bleibe bei meiner Begründung", sagte Beer der SZ zur Streichung der Passage, "dass das, was da stand, sowieso Fakt ist und dass das eine Dopplung war."

Mit 113 Stimmen wurden die Änderungen dann durchgewunken. In der Aussprache kam es noch zu der immer wiederkehrenden Frage, weshalb 1860 keine Frauenfußballabteilung habe. Beer gab zu verstehen, dass die Mitgliedsbeiträge der Abteilung - bei über 20 000 Mitgliedern über eine Million Euro - ausschließlich für die Ausbildung von Nachwuchs für das Drittliga-Profiteam verwendet werden sollen. Eine Frauenabteilung wäre willkommen, müsste sich aber selbst finanzieren und dennoch ein schlüssiges sportliches Konzept anbieten. Ein weibliches Mitglied meldete sich: "Frauenfußball wird bei 1860 nicht anerkannt - die sind lätschert, die spielen nicht gescheit, das ist für Männer uninteressant." Unklar blieb, ob sie sich jetzt eigentlich für oder gegen die Gründung der Abteilung aussprach.

Auch diese originelle Diskussion verpassten die, die freiwillig gegangen waren. "Für nächstes Jahr werden wir einen großen Saal anmieten", versprach Beer, der es selbstredend bedauerte, Mitglieder zum Gehen veranlasst zu haben. "Wenn wir dann wieder nur mit 80 Leuten drin hocken sollten, ist mir das auch egal."

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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