TSV 1860 München:Der Mannschaft ist es wurscht

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Nachdem das Präsidium Trainer Bierofka mit einer Stellungnahme verärgert hatte, zeigt 1860 gegen Jena die beste Saisonleistung.

Von Philipp Schneider

Die Debatte hatte die Kabine erreicht. Nur der Mannschaftskapitän noch nicht. Felix Weber wurde am Samstag aufgehalten auf seinem Weg zu den Umkleideräumen im Grünwalder Stadion, unweigerlich. "Felix, heute kommst du schlecht drumrum", sagte eine mit der Öffentlichkeitsarbeit beim TSV 1860 München schon seit einer Ewigkeit befasste Fachkraft, und da hatte diese selbstverständlich mal wieder Recht.

Im Fußballgeschäft gibt es Spielführer, die reden immer. Und es gibt Spielführer, die reden seltener. Der Innenverteidiger Weber, 24, gehört zweifelsfrei zur zweiten Kategorie. Aber diesmal kam er ja nun wirklich nicht drumrum: Zwei Tore hatte Weber erzielt bei diesem 3:1 der Münchner gegen Carl Zeiss Jena. Es waren erst die Tore drei und vier in seiner 38 Partien alten Drittliga-Karriere gewesen. Und nachdem ihn Trainer Daniel Bierofka in der 67. Minute vom Feld gerufen hatte, da hatten die verbliebenen und um den fortan an Webers Stelle spielenden Dennis Erdmann angereicherten Löwen damit begonnen, ihre zuvor unerschütterliche Ordnung aufzulösen - was prompt einen Gegentreffer zur Folge hatte und viel über Webers Bedeutung für den Defensivverbund verriet. "Wer die Tore schießt, ist mir relativ wurscht", gab Weber zunächst vorbildlich selbstlos zu Protokoll. Auf Nachfrage verriet er, was ihm außerdem noch wurscht sei: Jene Stellungnahme des Vereinspräsidiums aus der Vorwoche, in der - ohne konkreten Anlass - die Frage thematisiert worden war: "Was ist, wenn Daniel Bierofka keine Lust mehr auf das Traineramt hat?"

Er habe die Stellungnahme "ehrlich gesagt gar nicht gelesen", sagte Weber. Natürlich, "irritiert" habe sie ihn zwar schon. Aber es sei auch so: "Das darf man einfach nicht ernst nehmen. Von dem her ist es wurscht, wer's geschrieben hat."

Die Debatte über die streitbare Schrift des Präsidiums, die ja mindestens einen denkwürdigen Satz enthielt ("Der TSV 1860 München hat vor Daniel Bierofka existiert und er wird es auch nach ihm tun.") und die auch Bierofkas "für die Verhältnisse in der dritten Liga gut dotierten Vertrag" zur Sprache brachte, hatte also die Kabine erreicht. Bemerkenswert (und für das grundsätzlich schnell hyperventilierende Löwenumfeld ungewöhnlich) war, dass es nicht so aussah, als ließen sich die Spieler von der Debatte aus dem Konzept bringen. So sah das auch Bierofka. "Ich bin stolz auf die Mannschaft, dass sie sich davon nicht hat irritieren lassen", sagte er.

Vor allem in der ersten Halbzeit und vor allem über die Flügel entfachte Sechzig gegen Jena so viel Druck, wie es in dieser Drittliga-Saison noch nicht zu beobachten gewesen war. Felix Weber erzielte seine Treffer zwar nach einer weiten Hereingabe von Efkan Bekiroglu (16. Minute) und einem Freistoß von Philipp Steinhart (36.), für die größte Torgefahr sorgten aber die Zuspiele des 19-jährigen Leon Klassen auf der linken Außenbahn.

Wie schon beim 1:0 gegen den Chemnitzer FC vor der Länderspielpause durfte Klassen gegen Jena 90 Minuten mitwirken. Und weil er auch beim 3:0 gegen den FSV Zwickau zumindest eingewechselt wurde, dürfte Klassen nun von sich behaupten, dass 1860 nur jene Spiele nicht gewinnen konnte in der dritten Liga, an denen er nicht beteiligt war. Dass sich Weber nach vorne orientieren konnte, das hatte er auch seinem neuen Nebenmann Tim Rieder zu verdanken. Sechzigs Last-Minute-Leihspieler vom FC Augsburg gelang ein guter Einstand in der für ihn ungewohnten dritten Liga. Rieder sortierte die Defensive mit großer Umsicht, gewann die Vielzahl seiner Zweikämpfe - und er ließ es sich nicht nehmen, einmal den gegnerischen Pfosten anzuschießen. "Ich denke, wir waren in der ersten Halbzeit klar überlegen und haben den Gegner fast an die Wand gespielt", sagte Rieder. "Dann haben wir in der zweiten Halbzeit ein bisschen nachgelassen und kriegen das 2:1." Kurz zuvor hatte Bierofka Weber vom Platz geholt, weil er von einer Verhärtung in seiner Wade berichtet hatte. Die folgende Drangphase Jenas beendete Bekiroglu zehn Minuten vor Ende, nachdem er Torwart Jo Coppens frech umkurvt hatte. "Wir waren sehr variabel", urteilte Bierofka zufrieden.

Drei Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze hat sich 1860 nun erspielt. Allerdings nach Siegen gegen Chemnitz und Jena - den Tabellenvorletzten und den Tabellenletzten der Liga.

© SZ vom 16.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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