TSV 1860 München:Auf flachen Wegen

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Ärger mit Adriano: Stürmer Grimaldi hat Angebote anderer Klubs. (Foto: Lackovic/imago)

"Man muss vom Ziel Klassenerhalt ausgehen": 1860-Sportchef Günther Gorenzel macht sich angesichts finanzieller Überlegungen zum Trainingsauftakt keine Illusionen für kommende Saison.

Von Markus Schäflein

Bei leichtem Schneefall, auf weißem Rasen, hielten die Drittliga-Fußballer des TSV 1860 München gerade ihre erste Trainingseinheit des Jahres 2019 ab, da kam der Postbote zum Löwenstüberl. Seit 1. Januar ist die Kneipe geschlossen, wie eine Stimme hinter der verschlossenen Türe mitteilte. "Briefe brauch' ich gar nicht mehr bringen?", fragte der Postbote. Nein, sagte die Stimme. "Dann hat sich das erledigt", stellte er fest und zog davon. Wie es weitergeht mit dem Stüberl, nachdem die 75-jährige Wirtin Christl Estermann es aufgegeben hat, weiß keiner. Und wie es weitergeht mit dem TSV 1860?

Davon hat Sportchef Günther Gorenzel zumindest eine Ahnung. Seit der e.V. als weisungsbefugter Gesellschafter der KGaA verfügt hat, dass keine weiteren Darlehen oder Genussscheinangebote des oft zögerlich zahlenden Investors Hasan Ismaik mehr angenommen werden dürfen, steht fest, dass der Etat deutlich sinken wird. "Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber ich weiß, was auf uns zukommt", sagte Gorenzel nach dem Auftakttraining. "Der Weg wird kein einfacher werden. Man muss meine Funktion als Krisenmanager sehen."

Der Sportchef rechnet damit, in den nächsten Tagen von Geschäftsführer Michael Scharold über den Etat der kommenden Saison 2019/2020 informiert zu werden, aber er erklärte jetzt schon: "Man muss vom Ziel Klassenerhalt ausgehen." Wie die vorhandenen Mittel eingesetzt werden, darüber gibt es für Gorenzel keine Diskussion: "Oberstes Ziel ist es, den Profifußball aufrecht zu erhalten" - sprich: in der dritten Liga zu bleiben. "Dafür brauche ich ein gewisses Minimalbudget." Wenn der Etat nur dieses Budget - schätzungsweise rund drei Millionen Euro statt wie bisher zwischen vier und fünf - hergibt, kämen für Gorenzel auch einschneidende Maßnahmen im Nachwuchsbereich, etwa die schon lange angedachte Abmeldung der Bayernliga-U21, in Betracht.

Er habe den Gesellschaftern schon vor Monaten einen "Drei-Wege-Plan aufgrund von unterschiedlichen Etathöhen" vorgestellt; nun wird der am wenigsten steile Weg eingeschlagen. "Klar ist, dass wir verstärkt auf junge Spieler setzen müssen"; der Aufstieg in die zweite Liga können dann halt "drei oder vier Jahre" dauern. Trotz dieser Umstände wird Gorenzel laut eigener Aussage in den kommenden Tagen seinen Vertrag unterschreiben, der ihn zum Geschäftsführer Sport befördern soll. "Der Verein hat so ein Potenzial, dass man hier was bewegen kann, auch mit einem veränderten Budget", sagte er. "Ich will das Ding jetzt hier durchziehen."

Ausgerechnet eine Personalie, die für frisches Geld sorgen könnte, sorgte zum Trainingsauftakt für Verdruss. Stürmer Adriano Grimaldi, zu Saisonbeginn aus Münster gekommen und mit einem Drei-Jahres-Vertrag ausgestattet, forciert offenkundig aufgrund von lukrativeren Vertragsangeboten mit verschiedenen Mitteln seinen Wechsel - was ein Bericht in einer Boulevardzeitung nun erneut aufzeigte. "Das sind Spekulationen, die aufs Schärfste zu verurteilen sind und nur Unruhe in die Mannschaft bringen", zürnte Gorenzel. "Aus sportlicher Sicht wird Grimaldi ganz sicher nicht abgegeben, wenn dann aus wirtschaftlicher Sicht." Er habe intern mit Geschäftsführer Scharold "eine ganz klare Größenordnung festgelegt, ab der wir gesprächsbereit sind. Wenn Adriano glaubt, Druck auf den Verein ausüben zu können, wird das nicht funktionieren."

Nach seinem furiosen Saisonstart war der Stürmer schon ab Herbst nicht mehr der Alte gewesen, kaum noch wiederzuerkennen auf dem Platz. "Wenn man eins und eins zusammenzählt, liegen sein Leistungseinbruch und das Interesse des einen oder anderen Vereins zeitlich nah zusammen", erklärte Gorenzel nun.

Generell wollte er den Tenor des Grimaldi-Artikels, wonach noch weitere Spieler mit der Trainingsgestaltung und der Gesamtsituation unzufrieden seien, nicht gelten lassen. "Wir sind auf Platz neun, wir sind nicht auf einem Abstiegsplatz. Sportliche Dinge hier in Frage zu stellen, ist für mich an den Haaren herbeigezogen", meinte er. Und wirtschaftliche Dinge in Frage zu stellen, davon hat er Abstand genommen. Nachdem die eine oder andere Aussage Gorenzels in der Vergangenheit investorenfreundlich wirkte, sagt er nun: "Das ist Sache der Gesellschafter. Wir wissen, dass es auf einen Sparkurs hinausläuft, und ich identifiziere mich mit diesem Weg." Unlängst wurde Gorenzel von Präsident Robert Reisinger denn auch freundlich für seine Arbeit gelobt.

© SZ vom 05.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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