Trampolin-WM:Fliegen bis unter das Hallendach

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Fast wie Fliegen: Trampolinspringer Rick Nadler bei der Munich Air Challenge 2012. (Foto: Georgine Treybal)

Doppelsalto mit drei Schrauben in neun Metern Höhe: Von Rick Nadler ist höchste Konzentration gefragt. Er ist Trampolinspringer - und nimmt nun erstmals an einer WM teil. Der Münchner kann sogar von seinem Sport leben.

Von Dominik Fürst

Neun Meter. So hoch kann Rick Nadler springen. Er braucht dazu ein Trampolin und drei, vier Sprünge Anlauf. Wenn er dann da ganz oben fast unter der Hallendecke quer in der Luft liegt, sieht es sehr beeindruckend aus. So als könnte er fliegen.

Der Münchner Rick Nadler gehört zu den fünf besten Trampolinturnern in Deutschland und nimmt vom 7. bis zum 10. November an der Weltmeisterschaft in Sofia teil. Ein paar Tage davor absolviert er diese lockere Trainingseinheit bei den Munich Airriders im Landesleistungszentrum des Bayerischen Turnverbandes, in München-Obersendling.

"Ich freue mich extrem", sagt der 20-Jährige über seine erste WM-Teilnahme. Rick Nadler strahlt aber nicht nur Vorfreude aus, sondern auch Konzentration. Egal, ob er auf dem Trampolin hüpft oder sich nebenan auf der Matte aufwärmt - immer zeichnet sich dieser professionelle Gesichtsausdruck ab, den man von Fußballspielern kennt, wenn sie vor einem wichtigen Spiel auf den Platz laufen.

Trampolinspringen blickt auf eine vergleichsweise junge Geschichte zurück, erst seit 2000 ist die Sportart olympisch. Mittlerweile finden alljährlich - abgesehen von olympischen Jahren - Weltmeisterschaften statt, zuletzt 2011 im englischen Birmingham. Traditionell holen die Springer aus China und Russland die meisten Medaillen.

"Das Wichtigste beim Trampolinturnen ist die Konzentration", erklärt Nadler. "Vom ersten bis zum letzten Sprung muss man zu 100 Prozent aufmerksam sein." Ein kleiner Fehler hat oft den Abbruch der Übung zur Folge - die Regeln kennen keine Gnade. Daher arbeitete Nadler zu Beginn seiner Karriere mit einem Mentaltrainer zusammen. Auch die Nationalmannschaft wird stets von einem Psychologen begleitet.

"Beim Trampolin sind viele ältere Turner dabei, weil es in erster Linie auf die Erfahrung ankommt", sagt Nadler. Mit 20 Jahren befindet er sich auf dem langen Weg in die Weltspitze des Trampolinturnens, wo die Athleten die Abläufe kennen und wissen, wie sie sich mental auf ihre Übungen vorbereiten müssen. Anders als beim Kunstturnen, wo Fabian Hambüchen mit 26 Jahren bereits zu den "Alten" zählt.

Rick Nadler versucht bei seinen Sprüngen, an bestimmten Stellen bestimmte Gedanken hervorzurufen. "Knotenpunkte", nennt er sie. Er trägt lediglich weiße Shorts und weiße Socken und trainiert oberkörperfrei. Vier riesige Trampoline stehen in der Münchner Halle, alle sind besetzt; Kinder schwirren darauf herum, und selbst bei ihnen zeichnen sich schon die Bauchmuskeln ab.

Nadler turnt seine Pflichtübung, die er auch in Sofia präsentieren will. Zehnmal geht es dabei auf und ab, dann hebt der 20-Jährige ab und wirbelt so schnell durch die Luft, dass man als Laie nicht genau beurteilen kann, wie viele Schrauben und Saltos das jetzt waren.

"Doppelsalto mit drei Schrauben", versichert später Nadler, der - bevor es ihn mit 14 zum Trampolinturnen verschlug - eine andere Sportart betrieben hat: Eiskunstlauf. Das Hüpfen war jedoch stets sein Hobby: "Trampolin hat mir schon immer extrem Spaß gemacht. Ob im Schwimmbad oder zuhause: Ich konnte schon immer den ganzen Tag problemlos springen." Nach einer Verletzung gab er den Eiskunstlauf auf und sprang fortan Trampolin.

Weil er in Sachen Körperbeherrschung bereits geschult war, machte Nadler in einem atemberaubenden Tempo Fortschritte und kann heute behaupten: "Ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht."

Nadler springt weiter für die Munich Airriders, doch seit neun Monaten liegt sein Lebensmittelpunkt in Stuttgart. Dort trainiert er intensiv in der Sportfördergruppe der Bundeswehr unter der Aufsicht von Bundestrainer Michael Kuhn. Nadler lebt vom Trampolinturnen, und trainiert täglich zweimal. "Das war nochmal ein richtiger Schritt für den Sport. In Stuttgart habe ich optimale Bedingungen", sagt der 20-Jährige.

"Ich will einfach souverän turnen": Rick Nadler in Leistungszentrum des Bayerischen Turnverbandes. (Foto: Dominik Fürst)

Im Training turnt er Dreifachsaltos mit mehreren Schrauben und scheint trotzdem nicht ins Schwitzen zu geraten. Auf und ab. Am Ende der Übung zeigt ein Monitor an der Hallenwand, wie lange er in der Luft war: seine Time of Flight, die bei Wettkämpfen - neben Schwierigkeitsgrad und Haltung - mit in die Punkteberechnung einfließt. Die besten Athleten erreichen Sprungzeiten von rund 17, 18 Sekunden.

Bei der WM wird Nadler sowohl im Einzel-, als auch im Synchronwettbewerb antreten. Mit seinem Partner Oliver Amann kann er an einen Erfolg anknüpfen, der noch nicht so lange zurückliegt: 2011 triumphierten die beiden im englischen Birmingham bei der Junioren-WM und wurden Weltmeister in der Altersklasse der 17- bis 18-Jährigen.

"Es ist schwer zu sagen, welcher Wettbewerb mir lieber ist. Ich trainiere das ganze Jahr über für den Einzelwettbewerb, aber im Synchron haben wir bessere Chancen", sagt er: "Da ist auf jeden Fall das Finale möglich. Und auch eine Medaille."

Bei der WM in Sofia kommt es ihm jedoch nicht auf eine Spitzenplatzierung an: "Ich will jetzt erst mal Erfahrung sammeln und ohne besonderen Druck einfach souverän turnen", sagt Nadler. Zum Ende seiner Trainingseinheit nimmt er auf dem Trampolin noch einmal drei, vier Sprünge Anlauf - bis er quer in der Luft liegt. Direkt unter dem Hallendach.

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