Trabrennen:Optimistisch im Eiswind

Lesezeit: 3 min

Hoffnungsschimmer in düsteren Zeiten: Der Saisonauftakt war ein Erfolg für die Trabrennbahn Daglfing, trotz Corona-Restriktionen und kalter Witterung. (Foto: Claus Schunk)

Beim Saisonauftakt auf der Trabrennbahn Daglfing ist die Stimmung trotz der Corona-Beschränkungen überraschend gut. Nach Jahren des Stillstands tut sich wohl auch etwas auf der Suche nach einem künftigen Standort. Nur einer fehlt: Gerhard Biendl.

Von Andreas Liebmann

Er hatte tatsächlich ernst gemacht. So viele verschiedene Sulkys wurden am ersten Renntag der neuen Saison in Daglfing über die Trabrennbahn gezogen, in verschiedensten Farben, bestückt mit Männern und Frauen, Profis und Amateuren, Alten und Jungen, etwa 60 fuhren an jenem Sonntag durchs Ziel - doch in keinem einzigen saß Gerhard Biendl.

Im Auftaktrennen, nun gut, da wäre sein Mitwirken noch irgendwie erstaunlich gewesen. Die Saison startete vor eineinhalb Wochen nämlich mit einem Trabreit-Wettbewerb, da gab es also gar kein Sulky, in dem Biendl hätte sitzen können; und reiten, hat er immer wieder versichert, könne er gar nicht so gut. Doch auch an den folgenden acht klassischen Trabrennen nahm er nicht teil. Man müsste recherchieren, ob es das schon jemals gab, seit 1867 die ersten Münchner Trabrennen auf der Theresienwiese stattfanden.

Biendl also ist tatsächlich nicht mehr dabei. Im vergangenen Dezember hatte der Routinier, einer der erfolgreichsten bayerischen Fahrer und Trainer der Trabrennsportgeschichte, sein Karriereende angekündigt, vor einigen Tagen ist er 65 geworden. Und damit hat sich also schon mal etwas Gravierendes verändert in Daglfing, etwas nahezu Unvorstellbares, auch wenn Angelika Gramüller, die Präsidentin des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins (MTZV), versichert, dass Biendl der Sportart weiterhin verbunden sei und vielen mit Rat und Tat zur Seite stehe. Und sonst?

"Wir hoffen, dass wir sportlich wieder auf den Stand von vor Corona kommen", sagt Gramüller, "da waren wir auf einem guten Weg." Sie ist da zuversichtlich, zumal der Neustart "supersensationell" gelaufen sei. Manch einer habe nämlich befürchtet, dass sie für den ersten Renntag gar nicht genügend Teilnehmer zusammenbringen würden, doch nicht nur das gelang mühelos. Trotz eisigen Winds seien "gefühlt 700 Zuschauer" an die Bahn gekommen, trotz 2-G-Beschränkung. Während man der gefühlten Temperatur leicht eine tatsächlich messbare entgegensetzen kann, ist das bei den Besucherzahlen auf dem weitläufigen Gelände in Daglfing nicht möglich. Denn da der MTZV keinen Eintritt verlangt, werden auch die Besucher nicht gezählt. Jedenfalls waren es weit mehr, als nach den zähen Corona-Jahren an einem ganz normalen Renntag zu erwarten gewesen wären, auch viele unbekannte Gesichter erblickte die Präsidentin. "Unsere Trainer sind gut drauf, die Züchter züchten fleißig und die Besitzer kaufen doch noch", stellte Gramüller danach vergnügt fest, "es ist nicht so, dass wir tot sind. Unser Optimismus ist ungebrochen." Der unverhoffte Andrang warf sogar ein paar Problemchen auf, weil sich arg viele Menschen vor der Kälte in den Traberstadl flüchteten, wo es deshalb etwas eng wurde, und weil für Besucher oben auf der Tribüne derzeit ein Wirt fehlt.

Letzter Auftritt im vergangenen Dezember: Der große bayerische Trabrennfahrer und Trainer Gerhard Biendl ist in dieser Saison nicht mehr dabei. Der 65-Jährige hat sich in den Ruhestand verabschiedet. (Foto: Claus Schunk)

19 Renntage soll es in diesem Jahr in Daglfing geben, darunter die üblichen Höhepunkte wie der Münchner, der Bayern- und der Hacker-Pschorr-Pokal. Neun werden vom französischen Wettanbieter PMU vermarktet. Der erste davon findet gleich an diesem Donnerstagabend statt (Beginn 18 Uhr). An einem Wochentag dürfte der Andrang etwas geringer ausfallen, schätzt Gramüller. Und auch diese Veranstaltung wird wieder mit Trabreiten beginnen. Ronja Walter, Deutschlands beste Reiterin, die bereits beim Saisonstart gewonnen hatte, ist erneut mit Maranella Bo am Start und klar favorisiert.

Ansonsten ist einerseits alles beim Alten: Der Verein kann sein 2005 an einen niederbayerischen Unternehmer verkauftes Rennbahngelände auch weiterhin für die Münchner Trabrennen nutzen. Solange keine konkrete Bebauung des künftigen Wohngebiets im Münchner Osten ansteht, gibt es seitens des Eigentümers keine Dringlichkeit, daran etwas zu ändern. Große Investitionen des MTZV in das traditionsreiche Gelände mit seinen überdimensionierten Gebäuden sind damit sinnlos.

Andererseits, und das ist durchaus etwas Neues, tut sich nach Jahren des Stillstands wohl etwas auf der Suche nach einem künftigen Standort. Spruchreif sei noch nichts, sagt Gramüller, aber es gebe inzwischen konkrete Interessenten. Gerade werde an einem Konzept gearbeitet, das man dann zunächst den Mitgliedern vorstellen werde. Es klingt fast so, als könnte sich in naher Zukunft noch etwas mehr verändern als Gerhard Biendls Fehlen in den Siegerlisten; als hätte der Verein tatsächlich eine neue Heimat in Aussicht. Und wer weiß: Wenn wirklich eines Tages die lang ersehnte neue Bahn bezogen wird, vielleicht mit noch etwas mehr Besuchern als zuletzt, vielleicht steigt dann ja sogar Gerhard Biendl noch mal als Überraschungsgast in ein Sulky.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: