Tour de France:Vingegaard sprintet davon

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Alles schön gelb: Jonas Vingegaard posiert. (Foto: Thomas Samson/AFP)

Kurz vor Schluss einer aufregenden Etappe hängt der 25-jährige Däne seinen Konkurrenten Tadej Pogacar scheinbar locker ab. Der Gesamtsieg ist ihm aller Voraussicht nach nicht mehr zu nehmen.

Von SZ/dpa

Es war die letzte Chance für Tadej Pogacar, dem Ausgang der 109. Tour noch eine Wende zu geben. Doch 4,4 Kilometer vor dem Ziel in Hautacam, da trat Jonas Vingegaard an, und die letzten Hoffnungen des Slowenen schwanden mit jeder Kurve, bis sie dann ganz verpufften. Er hatte sich zunächst noch gut gehalten, bedenkt man, was schon passiert war an diesem Tag, aber dann fuhr der Däne davon und klar wurde: Wenn nicht noch etwas Außergewöhnliches - ein Sturz, eine Infektion - dazwischen käme, dann wird der 25-jährige Vingegaard am Sonntag die Ausgabe 2022 der Tour gewinnen.

Als er sich vor den Augen von Staatspräsident Emmanuel Macron auf der Skistation Hautacam ans Herz fasste und Handküsse verteilte, hatte ein denkwürdiger Tag in den Pyrenäen seinen Höhepunkt erreicht - mit einem Sturz von Pogacar, einem bitteren Ende der Paris-Träume von Simon Geschke und am Ende insgesamt einem großen Spektakel.

Unentwegt hatte der am Ende zweitplatzierte Pogacar schon am vorletzten Berg das Gelbe Trikot attackiert, ehe es auf der halsbrecherischen Abfahrt vom Col de Spandelles zum großen und wohl letzten Duell dieser Tour kam. Erst verhinderte Vingegaard mit einem gekonnten Manöver einen Sturz, dann kam sein Rivale aus Slowenien in einer Kurve zu Fall. Doch Vingegaard zeigte Größe und wartete auf den Tour-Champion von 2020 und 2021. Kurz darauf war Pogacar, 23, mit zerfetzter Radhose und aufgeschürftem Bein wieder am Hinterrad. Beide gaben sich die Hand.

Simon Geschke, 36, war zu dieser Zeit schon weit abgehängt. Für den gebürtigen Berliner platzte der Traum vom ersten deutschen Bergkönig in Paris. Nach neun Tagen musste der Mann mit dem Vollbart auf der letzten Pyrenäen-Etappe sein rotgepunktetes Dress wieder hergeben. Das Bergtrikot schnappte sich, wer sonst an diesem Tag, Jonas Vingegaard. Bei seiner Machtdemonstration auf der extraschweren 18. Etappe mit mehr als 4000 Höhenmetern gelang ihm das nahezu im Vorbeigehen. Nachdem der Däne alle Attacken seines Rivalen Pogacar pariert hatte, versetzte er ihm mit seinem Angriff 4,4 Kilometer vor dem Ziel den K.o. Schon 1996 hatte sein Landsmann Bjarne Riis in Hautacam letzte Zweifel am Tour-Triumph beseitigt - allerdings mit unerlaubten Mitteln, wie er später zugab.

64 Sekunden Vorsprung hat Vingegaard nun, damit liegt er in der Gesamtwertung nun 3:26 Minuten vor Pogacar. Das dürfte reichen, diesen Rückstand dürfte Alleskönner Pogacar im Einzelzeitfahren am Samstag kaum wettmachen. Dazu liegt Vingegaard auch in der Bergwertung mit 72 Punkten uneinholbar vor Geschke (64). Für den Deutschen waren die Hoffnungen auf einen weiteren Coup im Bergtrikot bereits am Col d'Aubisque dahin. Erst verpasste der 36-Jährige kurz nach dem Start im Wallfahrtsort Lourdes die Ausreißergruppe, dann verlief seine Aufholjagd erfolglos, ehe er schließlich mit herausgestreckter Zunge komplett abreißen lassen musste. Geschke war am Ende seiner Kräfte, nachdem er fast jeden Tag eifrig Punkte geholt hatte.

Die Tour jedenfalls steht erstmals seit 26 Jahren wieder im Zeichen der Dänen. Der Grand Depart erfolgte passenderweise schon in Kopenhagen, danach sammelten Vingegaard, Mads Pedersen und Magnus Cort Nielsen insgesamt vier Etappenerfolge ein. Zum Vergleich: Gastgeber Frankreich durfte noch gar nicht jubeln. Für den erfolgreichsten Tour-Teilnehmer im Peloton ist dagegen das Rennen beendet. Chris Froome, der Sieger von 2013, 2015, 2016 und 2017, wurde positiv auf Corona getestet und musste das Rennen aufgeben. Das galt auch für den Spanier Imanol Erviti und den Italiener Damiano Caruso, womit die Tour insgesamt schon 15 Corona-Fälle vermeldete. Nach den drei schweren Pyrenäen-Etappen dürfen die Topfahrer der Branche am Freitag eine Verschnaufpause einlegen. Die 19. Etappe über 188,3 Kilometer von Castelnau-Magnoac nach Cahors verläuft größtenteils über flaches Terrain.

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