Tour de France:Ohne Schnee zum See

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Passt in keine Handtasche: Ein Radsport-Freund schwenkt 2019 eine XXL-Version der Trikolore Frankreichs, an der sich die Profis beim Anstieg nach Tignes erfreuen sollen. (Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Am Wochenende erreicht die Tour de France - und einen Ort, mit dem sie noch eine Rechnung offen hat. Der Mitfavorit Primoz Roglic verliert aber schon auf der Etappe davor viel Zeit.

Von Johannes Aumüller, Le Grand-Bornand

Egan Bernal schaute etwas ungläubig, als die Vertreter der Tour-Direktion kamen. Die Etappe hinauf ins Alpen-Örtchen Tignes sollte die Erfolgsfahrt des Kolumbianers ins Gelbe Trikot werden, doch 30 Kilometer vor dem Ziel war Schluss - Rennabbruch. Normalerweise ist es der Tour egal, welche Bedingungen herrschen, 40 Grad, feiner Schnee auf den Gipfeln, da müssen die Fahrer halt durch. An jenem Juli-Tag 2019 aber konnte sich selbst die Tour nicht mehr trotzig stellen. Da kam ein unglaubliches Unwetter über das Peloton, es schneite und hagelte, Wasser und Schlamm flossen in dicken Bächen den Berg hinunter, den die Fahrer eigentlich hochfahren sollten. Die wurden dann von den Teamfahrzeugen ins Ziel kutschiert.

Bernal hat Gelb damals doch noch bekommen, weil die Abstände am vorangegangenen Gipfel als Grundlage für die Tageswertung galten; zwei Tage später stand er als Sieger der Rundfahrt fest. Die Tour und Tignes hingegen haben noch eine Rechnung offen, und die soll sich nun erfüllen. Nach sieben meist ungemütlichen Etappen stehen am Wochenende die ersten Abschnitte im Hochgebirge an - und der 21 Kilometer lange Aufstieg zum malerischen Tignes-See am Sonntag ist die erste Bergankunft.

Das dürfte das Klassement ziemlich durcheinanderwirbeln. Doch schon die fast 250 Kilometer lange und mit vielen Hügeln gespickte Freitags-Etappe in die Sichtweite der Alpen (Sieger: Matej Mohoric/Slowenien) führte zu manch gravierender Veränderung in der Gesamtwertung. Der Niederländer Mathieu van der Poel war auch als Träger des Gelben Trikots so frei, sich einer großen Ausreißergruppe anzuschließen, und baute seinen Vorsprung auf die Tour-Favoriten um den Slowenen Tadej Pogacar auf immerhin rund vier Minuten aus. Dessen Landsmann Primoz Roglic wiederum verlor, immer noch gezeichnet von den Folgen eines Sturzes, auf die anderen Podiumsanwärter erneut viel Zeit (+3:52). Seine Hoffnungen auf einen vorderen Gesamtrang sind damit dahin.

Einmal hat es das Peloton übrigens schon schlamm- und schneefrei nach Tignes geschafft in der langen Tour-Historie. 2007 war das, als der Däne Michael Rasmussen nicht nur diesen Anstieg so schnell hinauffuhr, dass alle Beobachter ungläubig schauten. Ein paar Tage später wurde er als Gesamtführender von seinem Team Rabobank aus dem Rennen genommen, weil er über seinen Aufenthaltsort in der Vorbereitung falsche Angaben gemacht hatte - und ein paar Jahre später legte er ein umfangreiches Dopinggeständnis ab. Auch deshalb wird es interessant sein, in welcher Relation die Kletterzeiten der Fahrer 2021 zu denen von Rasmussen & Co. anno 2007 stehen.

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