Tour de France:Fallende Preise

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Nach der Absage des bisherigen Sponsors erhält Team Milram neue Anfragen - doch der Ausverkauf beginnt.

Andreas Burkert, Saint-Jean-de-Maurienne

Roger Kluge wird es nicht schaffen bis nach Paris, der Tour-Debütant des Milram-Rennstalls hat sich das Kahnbein der linken Hand gebrochen. Es könnte ohnehin besser laufen für das Dortmunder Team, das bereits Hollands Meister Nicki Terpstra verlor und auch schon viel Zeit im Rennen - und das immer noch nicht weiß, ob es weiter geht nach der Saison. Die vagen Hoffnungen von Manager Gerry van Gerwen, den bisherigen Geldgeber, die Milram-Mutter Nordmilch, doch noch zur Verlängerung des zum Jahresende stornierten Engagements zu bewegen, erfüllten sich am Montagabend erwartungsgemäß nicht.

Cadel Evans und Christophe Le Mevel beim Aufstieg zum Col de la Madeleine - mit bis zu 18 Prozent Steigung auf 200 Meter. (Foto: ap)

Van Gerwen, 57, war zu einer Unterredung mit dem Vorstand nach Bremen gereist, erst um halbvier in der Nacht war er zurück in Eindhoven, wo van Gerwen lebt. Am Dienstagmittag, kurz vor der Rückkehr nach Frankreich, klang der Holländer aber dennoch nicht niedergeschlagen, sondern unvermindert kämpferisch. "Die Mannschaft ist noch nicht tot", betonte er, "denn es gibt jetzt doch neue Optionen, und auch Milram will nun doch weiter helfen mit einigen Dingen, die für sie möglich sind, unter anderem mit ihren Kontakten."

Vergangene Woche hatte van Gerwen noch erklärt, Milram sei "kurzfristig die letzte Hoffnung" (SZ 10.7.). Sein Hilferuf hat nun offenbar etwas bewegt. Zwar nicht bei der Bremer Milchgenossenschaft, "sie wollen auch nicht mehr als Co-Sponsor auftreten, ihr Standpunkt steht leider unverändert", berichtet van Gerwen; er soll aber Ende dieser Woche noch einmal Mitteilung erhalten über weitere mögliche Fördermaßnahmen durch Milram. Zuletzt konnte van Gerwen über einen Etat von 8,9 Millionen Euro verfügen, "mit fünf Millionen könnten wir aber auch in der ersten Kategorie bleiben", glaubt er. Und diese Größenordnung hält er "weiterhin möglich".

Denn nach SZ-Informationen sind zu Wochenbeginn eine europäische Radmarke sowie über einen namhaften Mittelsmann Interessenten aus der Finanzbranche an die Teamleitung herangetreten; auch ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln meldete sich bei dem Vermittler. Zudem hat für September ein Großkonzern aus dem Kommunikationssektor eine Entscheidung über einen möglichen Einstieg beim einzigen deutschen ProTour-Team avisiert - Abgesandte des Unternehmens, das intern noch Zeit benötigt für das Votum, hatten sich bereits beim Giro ein Bild vom Metier gemacht.

Gerade die Kontaktaufnahme des in einem Nachbarland angesiedelten Radherstellers soll sich vielversprechend anlassen - schon für diesen Donnerstag ist ein erster Verhandlungstermin angesetzt. Zuletzt waren Hersteller wie BMC oder Cervélo als Namensgeber bei Radrennställen eingestiegen.

Zwar bestärken van Gerwen diese kurzfristigen Anfragen in seiner Meinung, "dass ich mir weiterhin nicht vorstellen kann, dass es im nächsten Jahr unser Team nicht mehr geben wird". Doch andererseits steht nach der Absage aus Bremen endgültig fest, dass seine beiden deutschen Kapitäne Linus Gerdemann und Gerald Ciolek gehen werden: Sie können und wollen nicht warten, ob van Gerwen noch die Rettung gelingt. Gerdemann befindet sich unter anderem in Gesprächen mit dem Luxemburger Projekt um die Brüder Schleck, Ciolek geht zurück zum Columbia-Team um Rolf Aldag. Auch Fabian Wegmann, der deutsche Meister Christian Knees, Terpstra sowie der Allrounder Johannes Fröhlinger dürften sich keine Sorgen um eine neue Anstellung machen. "Meine Mannschaft wird jetzt natürlich leergekauft", sagt van Gerwen, "das weiß ich und das muss ich jetzt hinnehmen, die Zeit drängt da einfach bei den Fahrern."

Dennoch möchte van Gerwen den deutschen Charakter der Mannschaft erhalten und, wie er versichert, "auch mit der Lizenz in Deutschland bleiben, wenn es weiter gehen würde". Nachdem er zumindest das Duell mit dem für die Szene relevanten Stichtag bei Vertragsgesprächen - dem Auftakt der Tour de France - verloren hat, würde er sich zwangsläufig auf den Zukauf internationaler Fahrer konzentrieren müssen. Profis befinden sich aber auch nach der Tour noch reichlich auf dem Markt, "und die Preise fallen leicht", berichtet van Gerwen.

Der Preisverfall ist nicht mal eine Folge der nicht endenden Doping-Affären im Radsport, sondern der Finanzkrise. Dennoch plagen die Branche insgesamt keine Existenzängste, eher im Gegenteil. Mancherorts, so auf dem südeuropäischen Markt, wo das Publikum den fortwährenden Betrug als Folklore duldet oder ganz ignoriert, boomt Radsport weiterhin. Und selbst eine problematische Figur wie der Däne Bjarne Riis, der auch nach dem Doping-Geständnis für seine Zeit als Telekom-Profi nicht von Affären und Anschuldigungen verschont geblieben ist, hat am ersten Ruhetag in Morzine Erfolg bei der Suche nach einem neuen Hauptsponsor vermelden können.

Milram dagegen spürt, wie vor zwei Jahren die nach Doping-Skandalen zugesperrte Gerolsteiner-Equipe, eine andere Haltung im ernüchterten Jan-Ullrich-Land. Bis Dienstag hat aber nur Roger Kluge, 24, kapitulieren müssen. Er wird morgen operiert.

© SZ vom 14.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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