Tour de France:"Es gibt keinen Grund, uns nicht mitfahren zu lassen"

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„Ein Projekt mit einem wichtigen Zweck“: Ein französischer Frauen-Radklub fährt seit vier Jahren alle Etappen der Tour de France ab. (Foto: Mickael Gagne / des Elles / OH)

Die Frauen eines französischen Radsportvereins kämpfen seit Jahren für mehr Gleichberechtigung - auch, indem sie die Strecke der Tour de France abfahren.

Interview von Melanie Raidl

Vor mehr als 30 Jahren waren sie schon einmal weiter. 1984 fand die erste Tour de France Féminin statt, die 2009 eingestellt wurde. Die Fahrerinnen des französischen Radklubs "Donnons des Elles au Veló" wollen sich damit nicht abfinden, sie fahren seit einer Weile alle Etappen der Tour de France ab, einen Tag vor den Männern. Es ist eine Aktion, mit der sie für eine eigene Frauen-Tour werben. Die Sportwissenschaftlerin Anna Barrero aus Spanien spricht über die Erfahrungen in diesem Jahr und den Kampf um Gleichberechtigung im Radsport.

Frau Barrero, Ihre Gruppe ist in diesem Sommer zum vierten Mal die Tour gefahren. Was war diesmal Ihr Ziel?

Genau das gleiche wie seit vier Jahren: Wir wollen eine Tour de France für Frauen, mit den gleichen Konditionen wie für die Männer. Und natürlich wollen wir der Welt zeigen, dass Frauen genauso die Tour de France bestreiten können.

Haben Sie es geschafft, die Veranstalter zu überzeugen?

Vor unserer diesjährigen Aktion waren wir mit den Veranstaltern in Kontakt, und sie meinten, dass derzeit nicht geplant ist, eine Tour de France für Frauen einzuführen. Hoffentlich haben sie nach unserem Erfolg dieses Jahr ihre Meinung geändert.

Was war dieses Jahr anders?

Wir haben einen großen Automobilhersteller als Sponsor dazugewonnen und hatten noch nie so viel mediale Aufmerksamkeit wie jetzt. Die ganze Welt war an unserer Aktion interessiert. Außerdem waren wir diesmal 13 Frauen. Angefangen hat es vor vier Jahren mit drei Fahrerinnen. Es darf sich auch jede ambitionierte Person bei uns anschließen, die uns unterstützen möchte.

Auch Männer?

Klar, unsere Etappenfahrten sind offen für alle, die für die Gleichberechtigung kämpfen wollen. Wir haben ja nichts gegen die Männer. In diesem Jahr haben uns manchmal 150 Fahrerinnen und Fahrer begleitet.

Seit vier Jahren gibt es wieder ein Frauenrennen bei der Tour - aber es ist nur eine Etappe, die kurz nach dem Giro Rosa stattfindet, der Italien-Rundfahrt für Frauen. Was ist los in der Rad-Szene, dass es keine vollwertige Tour für die Frauen gibt?

Das wissen wir auch nicht. Es gibt keinen denkbaren Grund, Frauen bei der Tour nicht mitfahren zu lassen. Bei Olympia starten wir ja auch. Es ergibt also keinen Sinn, bei dem wichtigsten Radrennen nicht beide Geschlechter antreten zu lassen.

Machen Sie nächstes Jahr ein fünftes Mal inoffiziell mit?

Auf jeden Fall. Wir sind sehr optimistisch, dass wir bald unser Ziel erreichen. Wir haben schon viel Unterstützung durch Medien und Sponsoren. Das einzige, was noch fehlt, ist, dass die Veranstalter mit der Organisation einer richtigen Tour de France für Profifahrerinnen beginnen.

Was unterscheidet Ihre Fahrten von denen der Männer?

Zum einen müssen wir uns an die Verkehrsregeln halten, für uns sind die Straßen nicht gesperrt. Dadurch steckt man manchmal mitten in einer Etappe fest. Wir haben zwar auch eine kleine Crew von sieben Leuten, die mit uns mitfährt, in einem eigenen Begleitfahrzeug, aber keine Wechselkleidung oder extra Fahrräder.

Ansonsten fahren Sie alles so ab wie die Männer?

Natürlich. Wir fahren genauso viele Kilometer, rund 3300 in diesem Jahr, und müssen dieselben Berge bestreiten.

Wie sind Sie zum Radfahren gekommen?

Ich und einige aus unserer Gruppe kommen vom Triathlon. Vor sechs Jahren habe ich mit Wettkämpfen aufgehört. Ich habe auch bei den spanischen Meisterschaften teilgenommen. Die anderen Frauen fahren im Coupe de France (Serie von Eintagesrennen, Anm.) oder kommen vom Laufsport.

Claire Floret, die Initiatorin des Projekts, hat die 13 Fahrerinnen diesmal aus 35 Bewerbungen ausgewählt. Wie bereiten Sie sich für Ihre Tour vor?

Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich fahre ein paar Intervalle unter der Woche und am Wochenende längere Ausfahrten. Ich komme dann so auf etwa 400 Kilometer in der Woche. Dazwischen trainiere ich im Fitnessstudio und gehe zur Physiotherapie, um Verletzungen zu vermeiden.

Das klingt sehr zeitaufwendig. Aber Sie sind ja keine Profifahrerin, oder?

Nein, überhaupt nicht. Wir machen das neben einem Vollzeitjob, arbeiten alle 40 Stunden die Woche. Manche von uns sind Mütter, haben eine Familie.

Wie findet man da noch Zeit für so viel Training?

Das Zeitmanagement ist natürlich schwierig, aber machbar. Oft leiden die sozialen Kontakte darunter, oder man schläft zu wenig. Während der Vorbereitung auf die Tour de France ist es am stressigsten.

Lohnt es sich trotzdem für Sie?

Ja. Wir bekommen natürlich kein Geld dafür, aber es ist ein Projekt mit wichtigem Zweck für die Sportwelt. Das Geld, das wir von Sponsoren bekommen, fließ alles an unser Team und in unsere Verpflegung.

Haben Sie während Ihrer Aktion jemals ans Aufgeben gedacht?

Nein. Genauso wie bei den Männern gibt es auch bei uns Momente, in denen es uns schlechter geht, wir wenig Energie haben. Aber wir wissen, dass wir unsere Kolleginnen an der Seite haben, und bauen uns jedes Mal wieder auf.

© SZ vom 21.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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