Todesfall bei der Rallye Dakar:Zynische letzte Worte

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Der Tod des Motorradfahrers Jorge Martinez Boero löst eine Debatte darüber aus, ob die gefährliche Rallye Dakar nicht den gesamten Sport in Verruf bringt. Seit dem ersten Rennen 1979 ist mittlerweile so viel passiert, dass nicht einmal die genaue Zahl der Todesopfer bekannt ist. Boero fasste seine Stimmung vor dem Start noch prägnant zusammen.

René Hofmann

Die Timeline stoppt am 1. Januar. Und sie endet mit einem Satz, der jetzt zynisch klingt. Wie viele der mehr als 450 Teilnehmer, die die Rallye-Dakar in diesem Jahr angelockt hat, unterhielt der Argentinier Jorge Martinez Boero ein Twitter-Konto, über das er Botschaften verschickte. Das soziale Netzwerk erlaubt maximal 140 Zeichen pro Botschaft, das zwingt zu Prägnanz. Und so fasste @jmboero, wie Boero sich nannte, seine Befindlichkeit am 1. Januar nüchtern zusammen: "Glückwunsch an alle. Vielen Dank für die Nachrichten. Ich werde alles geben. Was uns nicht tötet, macht uns härter." Wenige Stunden später war der 38-Jährige tot.

Opfer der ersten Etappe: Jorge Martinez Boero, 38. (Foto: dpa)

Zwei Kilometer vor dem Ziel der 57-Kilometer langen Wertungsprüfung war er in der Nähe der Stadt Necochea an der Atlantikküste in Argentinien von seinem Motorrad der Marke RR 450 Beta gestürzt und hatte Verletzungen am Brustkorb erlitten. Der Unfall ereignete sich um 11.19 Uhr Ortszeit. Fünf Minuten später, so teilen die Organisatoren des Rennens mit, seien Ärzte per Hubschrauber zum Unfallort gebracht worden. Ihre Wiederbelebungsversuche aber blieben erfolglos. Auf dem Weg ins Krankenhaus blieb Boeros Herz stehen.

Das wievielte Dakar-Opfer er ist? Da streiten die Statistiker. Die Veranstaltung, die 1979 ihre Premiere erlebte und in diesem Jahr zum 33. Mal aufgeführt wird, hat so viele umgebracht, dass keiner mehr den genauen Überblick hat.

Etwa 60 Teilnehmer, Zuschauer und Berichterstatter sind bei der Rallye umgekommen. Im vergangenen Jahr starb ein 42-Jähriger, als sein Kleinlaster mit dem Rennwagen des Argentiniers Eduardo Amor zusammenstieß. 2010 überfuhr der Deutsche Mirco Schultis eine 28-Jährige, als er mit seinem Geländewagen, der die Startnummer 418 trug, von der Strecke abkam. 2009, beim ersten Start in Südamerika, hatte es den Franzosen Pascal Terry erwischt. Die Leiche des 49 Jahre alten Motorradfahrers war erst nach drei Tagen auf einem entlegenen Teil der Etappe von Santa Rosa de la Pampa nach Puerto Madryn entdeckt worden.

Die Liste der Unglücke - sie reißt nicht ab, was eine alte Debatte neu entfacht: Sollte das Rennen verboten werden?

Nein, meint VW-Motorsport-Repräsentant Hans-Joachim Stuck. "Wenn man zum Kaffeetrinken fährt, kann auch etwas passieren", sagte der 61-Jährige der dapd. Doch die Nachrichtenagentur sammelte auch andere Meinungen. Der Todesfall werfe "einen Schatten auf den ganzen Rallye-Sport", sagt der einstige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl, 64. Der einstige Formel-1-Fahrer Christian Danner, 53, kritisiert: "Was da abläuft, ist ohne Netz und doppelten Boden."

Die Sicherheitsstandards wurden in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht. Was zu Boeros Sturz führte, ist ungewiss. Er verlor die Kontrolle auf einem geraden, flachen Streckenabschnitt. "Er fuhr sehr schnell und plötzlich sah ich, wie das Motorrad instabil wurde", zitiert die Agentur AFP einen 14-Jährigen Augenzeugen: "Er kam nach links ab und traf die Begrenzung eines Feldes. Er wurde vom Motorrad geschleudert und überschlug sich einige Male."

Boero nahm zum zweiten Mal an der Dakar teil. 2011 hatte er nach einem Unfall auf der sechsten Etappe aufgegeben, bei dem er in einen Abgrund gestürzt und erst nach acht Stunden gefunden worden war. Um sich das Abenteuer, bei dem er alles geben wollte, leisten zu können, hatte er seine Wohnung verkauft.

© SZ vom 03.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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