Tod von Formel-1-Pilot Bianchi:Wenn Warnungen weniger zählen als TV-Quoten

Lesezeit: 2 min

Jules Bianchi verunglückte beim Rennen in Japan. (Foto: AP)

Fünf Rennen starten früher, das Virtuelle Safety Car wurde eingeführt: Die Reaktion der Formel 1 auf das Unglück von Jules Bianchi war angemessen. Davor aber hätte mehr getan werden können.

Kommentar von René Hofmann

Ayrton Senna: Dieser Name ist jetzt wieder sehr präsent. Bis Freitag, bis zum Tod des Franzosen Jules Bianchi, war der Brasilianer der letzte Fahrer, der bei einem Formel-1-Rennen sein Leben ließ. Die Serie ohne toten Protagonisten hielt vom 1. Mai 1994 bis zum 17. Juli 2015. Das sind mehr als 21 Jahre. Beim Blick auf die Opferliste fällt auf: Nach den wilden 50er-, 60er- und 70er-Jahren tat sich bereits in den 80ern in punkto Sicherheit einiges. Bevor Senna und der Österreicher Roland Ratzenberger in Imola in den Tod rasten, hatte es bei einem Rennen zwölf Jahre lang keinen Piloten erwischt.

Zahlen spielen im Motorsport eine große Rolle. Zahlen suggerieren Objektivität. Wer Zahlen hat, braucht keine Gefühle zu zeigen. Rennfahrer verstecken sich gerne hinter Zahlen. Und weil das so ist, war es durchaus erstaunlich, wie die Grand Prix Drivers' Association, quasi die Formel-1-Fahrer-Gewerkschaft, auf die Rückkehr des Todes in ihr Fahrgeschäft reagierte. "In Zeiten wie diesen werden wir brutal daran erinnert, wie gefährlich Rennfahren weiter ist", teilte sie zu Bianchis Tod mit. Trotz "erheblicher Verbesserungen" bestehe die Pflicht, "bei der Verbesserung der Sicherheit niemals nachzulassen".

Tod von Formel-1-Fahrer Bianchi
:"Jules hat bis zum Ende gekämpft"

Der Formel-1-Pilot Jules Bianchi stirbt an den Folgen seines schweren Unfalls im Oktober in Japan. Realistische Überlebenschancen gab es von Beginn an wenige.

Von Elmar Brümmer

Die Reaktion auf den Unfall war angemessen, die Prävention war es nicht

Mit etwas Fantasie lässt sich daraus ein Vorwurf lesen: Haben die Formel-1-Gewaltigen wirklich alles in ihrer Macht Stehende getan, um Bianchis tödlichen Ausrutscher unter einen Bergekran zu verhindern? Es regnete, als er in Japan von der Bahn abkam; der Regen war prophezeit worden. Die Sicht war nicht mehr die beste, als der Unfall geschah. Es dämmerte bereits, doch trotz Warnungen hatten die Veranstalter auf die späte Startzeit bestanden, um bessere TV-Quoten zu erreichen. Warum war überhaupt ein so schweres Berge-Gerät im Einsatz? Viele Fragen.

Jules Bianchi
:Todesopfer Nummer 32

Vor 21 Jahren starb Ayrton Senna, nun trauert die Formel 1 erstmals wieder um einen ihrer Fahrer. Nach dem Tod von Jules Bianchi fordern Verantwortliche, weiter an der Sicherheit im Motorsport zu arbeiten.

Der Automobilweltverband hat diesen nachgespürt. Eine zehnköpfige Kommission mit namhaften Größen wie Ex-Mercedes-Teamchef Ross Brawn und Ex-Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali sammelte Daten und Aussagen und legte nach acht Wochen einen 400-Seiten- Bericht vor. Dessen Conclusio: Bianchi habe an der Gefahrenstelle nicht stark genug gebremst, ansonsten aber sei keinem direkt etwas vorzuwerfen.

Konsequenzen wurden trotzdem empfohlen - und gezogen: Fünf Rennen starten in diesem Jahr früher. Und es wurde ein sogenanntes Virtuelles Safety Car eingeführt. Diese Technik macht das Geschehen für den Zuschauer erst einmal unübersichtlich, ermöglicht dem Renndirektor aber, alle Autos wie auf Knopfdruck punktgenau einbremsen zu können, womit Berge-Arbeiten deutlich sicherer vonstattengehen können. Obwohl es an den Umständen angeblich nicht lag, hat sich also doch einiges getan. Recherche, Analyse, Konsequenz, das alles in adäquater Transparenz: Die Reaktion auf das Unglück war angemessen, für die Prävention aber hätte mehr getan werden können. Wie vor 21 Jahren. Beim Senna-Unfall.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: