Tischtennis:Die Zukunft als Leitmotiv

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Wie Science Fiction an der Platte: Lin Yun-Ju aus Taiwan im futurischen Interieur des Turniers. (Foto: MaJo/Imago)

Der erst 22 Jahre alte Lin Yun-Ju aus Taiwan gewinnt das hochdotierte Champions-Turnier in Frankfurt. Wenn der WTT-Circuit in den kommenden Jahren in Schwung kommt, will der deutsche Verband eine wichtige Rolle spielen.

Von Ulrich Hartmann, Frankfurt

Dimitrij Ovtcharov war im Viertelfinale am Freitagabend der letzte Deutsche im Wettbewerb, als er zum 20. Mal erfolglos versuchte, Ma Long zu besiegen. Der chinesische Tischtennis-Olympiasieger gewann 3:0 und tags darauf im Halbfinale 4:1 gegen den Franzosen Felix Lebrun - doch im Finale am Sonntag unterlag Ma Long sensationell deutlich 1:4 dem Taiwaner Lin Yun-Ju.

Letzterer war die große Überraschung bei dem mit 500 000 Dollar dotierten Champions-Turnier in Frankfurt: Er hatte zuvor die Deutschen Patrick Franziska und Benedikt Duda, den Japaner Tomokazu Harimoto und im Halbfinale den Chinesen Wang Chuqin geschlagen. Lin Yun-Ju ist erst 22 Jahre alt. Ihm gehört die Zukunft genauso wie Lebrun, dem 17 Jahre jungen Franzosen mit dem Penholdergriff, der im Achtelfinale den deutschen Europameister Dang Qiu bezwang, 3:0.

Die Zukunft ist im neuen Tischtenniskonzept ein Leitmotiv. Das futuristische Interieur auf der World-Table-Tennis-Serie WTT sieht in jeder Halle der Welt gleich aus, in Singapur genauso wie in Budapest und Frankfurt. Die Dunkelheit samt den Lichteffekten erinnert an Science-Fiction-Filme der Achtzigerjahre. Der überall gleichlautende Name "Infinity Arena" suggeriert, dass in diesem Kosmos Ort und Zeit keine Rolle spielen. Solch ein Gedanke könnte Timo Boll gefallen. Der Odenwälder ist mittlerweile 42 Jahre alt und froh, dass er im Tischtennisorbit noch mitkreist. In Frankfurt indes endete die Unendlichkeit im ersten Match, 1:3 gegen den Südkoreaner Lee Sang-Su. Zwei Tage später stürzte Boll in der Weltrangliste von Rang 62 auf 200 ab.

Das Saisonfinale in Doha kann Timo Boll nicht mehr erreichen

Boll, der dieses Jahr wegen einer Schulterverletzung lange nicht hat spielen können, bleiben im aktuellen Ranking bloß noch jene 55 Punkte, die er im Oktober durch seinen Achtelfinaleinzug bei einem Turnier im chinesischen Lanzhou erspielt hat. Alle anderen Punkte aus der Zeit vor 2023 sind verfallen. Für sein Match in Frankfurt erhält er 15 Punkte. Das hilft ihm in der Weltrangliste um vielleicht 15 Plätze nach oben.

Lin Yun-Ju und die Chinesin Wang Yidi, in Frankfurt Siegerin der Frauen, bekommen jeweils 1000 Punkte gutgeschrieben und qualifizieren sich für die Saisonfinalturniere in Katar und Japan. Boll spielt Anfang Januar in Doha nicht mit, denn es gibt keine Turniere mehr, bei denen er dafür Punkte sammeln könnte.

Corona hat die einst opulenten WTT-Pläne weitgehend zerschossen. 2024 soll nun das erste Jahr mit nahezu komplettem Turnierkalender werden. Hinzu kommen allerdings eine Team-Weltmeisterschaft im Februar in Südkorea und Olympia im Sommer in Paris, und dann könnte es für all jene Profis schon wieder viel werden, die nebenher auch noch in der Bundesliga spielen. Weil es bis jetzt noch keine Turniertermine für 2024 gibt, machen sich die Spieler Sorgen um ihre Saisonplanung.

Wenn der WTT-Circuit in den nächsten Jahren richtig anläuft, will der Deutsche Tischtennis-Bund eine gewichtige Rolle spielen. "Wir brauchen mehr Turniere in Europa", sagt die Präsidentin Claudia Herweg, "denn die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Spieler Titel gewinnen können, ist zuhause einfach größer." Der deutsche Verband hat einen Fünfjahresvertrag mit der WTT. Kommendes Jahr im November soll in Frankfurt erneut ein Champions-Turnier stattfinden; ab 2025 erwägt man ein sogenanntes Grand-Smash-Turnier, eine von vier weltweiten Topveranstaltungen nach dem Vorbild der Grand-Slam-Serie beim Tennis. Berlin und München sind Kandidaten. Ende des Jahrzehnts würde sich Deutschland dann gerne auch mal wieder um eine Tischtennis-WM bewerben - im Hinterkopf immer den Traum vom deutschen Titel.

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