Tischtennis:Sieg ohne Zauberschläge

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Die durchgehend stark besetzte deutsche Tischtennis-Auswahl erfüllt die Erwartungen und holt mit einem knappen Finalerfolg gegen Dänemark den dritten EM-Titel in Serie.

Sebastian Krass

Christian Süß reckte erst beide Fäuste in die Höhe, dann nahm er sie wieder hinunter, nur einen Arm schwang er nochmal nach oben, und der sah etwas verloren aus. Dies war aber ein Moment für die maximale Jubelpose. Also schnellte der zweite Arm auch wieder in die Luft. Und dann waren schon die Kollegen da, um den Kollegen zu knuddeln. Soeben hatte Süß im entscheidenden fünften Spiel den noch nötigen Punkt zum 3:2 der deutschen Tischtennis-Nationalmannschaft im EM-Finale gegen Dänemark beigesteuert.

Mit dem dritten EM-Teamtitel in Serie erfüllten die Deutschen vor heimischer Kulisse in Stuttgart die Erwartungen. Doch das Klima für den Einzel- und Doppelwettbewerb ab Donnerstag, in dem Boll, beziehungsweise die Paarung Boll/Süß ebenfalls ihren Nimbus zweier EM-Goldmedaillen hintereinander zu verteidigen haben, ist längst nicht so strahlend, wie mancher es erhofft haben mag. Schließlich verpatzte Boll im Duell beider Spitzenspieler gegen Michael Maze den ersten Härtetest bei dieser EM. "Michael war heute der beste Einzelspieler", sagte Bundestrainer Richard Prause, "aber am Ende war es eben doch ein Mannschaftswettbewerb."

Das dänische Team hat zwar 2005 die EM gewonnen, inzwischen aber - anders als die durchgehend stark besetzte Auswahl des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) - nur noch einen Spieler von europäischem Spitzenformat, Michael Maze. Im überalterten europäischen Männer-Tischtennis ist der 28-Jährige neben Boll der größte Hoffnungsträger für den verzweifelten Kampf gegen die asiatische Übermacht. Maze wechselte 1998 als 16-Jähriger zu Borussia Düsseldorf, wo er für acht Jahre blieb. In dieser Zeit gewann er 2004 Bronze bei Olympia in Athen und bei der Einzel-WM 2005 in Schanghai. Noch größere Erfolge verpasste Maze dann wegen seines zeitweise reichlich unsoliden Lebenswandels. Der brave Timo Boll (Weltranglisten-3.) dagegen hat sich im Gegensatz zu Maze über Jahre in der Weltspitze gehalten, Einzelmedaillen auf globaler Ebene hechelt er aber bis heute vergeblich nach.

Im ersten Einzel des Finales musste sich Christian Süß, den Bundestrainer Richard Prause als Nummer zwei vor Dimitrij Ovtcharov nominiert hatte, mit Maze messen. "Das letzte Mal hat Christian gewonnen", erinnerte sich der Däne später. Doch diesmal ließ er von Anfang keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit und seiner derzeit blendenden Form. Schon seinen ersten Matchball im dritten Satz nutzte er machtvoll: Süß gab sich alle Mühe mit seinem Aufschlag, doch Maze antwortete mit einem unerreichbaren Rückhandtopspin, der ihn selbst so erfreute, dass er ihn noch einmal als Trockenübung vorführte, bevor er zum Abklatschen seines Teams schritt.

Gipfel an der Platte

Die 6000 Zuschauer in der - entgegen der Jubelkampagne des DTTB - erstmals wirklich ausverkauften Arena ließen sich davon nicht beirren. Mit ihren verschiedenen Klatschutensilien produzierten sie wieder jene wohl temperierte, niemals schmerzende Geräuschkulisse - wie sie zur selten exaltierten Welt des Tischtennis passt. Nun diente sie dem Trost des Verlierers. Dann betrat Timo Boll die Box zu seinem Einzel gegen Finn Tugwell. Das 3:0 gegen den 97. der Welt, der sich dank Maze immerhin mit einer Bronze-Medaille aus dem Doppel bei Olympia 2004 schmücken kann, verlief so einseitig wie ein Vergleich zwischen Real Madrid und dem FC Tegernsee. Doch es erfüllte auch nicht nur die Funktion, den Ausgleich für Deutschland herzustellen. Mit dem 1:1 stand auch fest, dass es zum Gipfeltreffen Boll gegen Maze kommen würde. Doch erst musste noch Dimitrij Ovtcharov gegen Martin Monrad (126.) zu Werke gehen. Mit einem 3:0 machte er schnell die Bühne frei für den Höhepunkt des Abends.

Das Duell zweier Spieler mit ganz besonderer Gabe für den Tischtennissport hatte zugleich Signalwirkung für den Einzelwettbewerb, gilt Maze doch als der vielleicht gefährlichste Konkurrent Bolls. Der erste Satz verlief zunächst ausgeglichen, mit wenigen spektakulären Topspin-Duellen oder unerklärlichen Zauberschlägen, wie diese zwei sie beherrschen. Es waren die Feinheiten, das kurze Spiel über dem Tisch, das den ersten Satz zugunsten von Michael Maze entschied.

Im folgenden Durchgang und bis Mitte des dritten fand Boll gar kein Rezept mehr gegen das variable und in dieser Phase unwiderstehliche Spiel des Dänen. Doch im voreiligen Gefühl des Sieges ließ Maze dann plötzlich nach, Boll machte aus einem 2:5 ein 9:6 und gewann 11:7. Im vierten Satz aber wieder das alte Bild: Maze war besser. Inzwischen hatte sich das Spiel zunehmend geöffnet. Statt viel Klein-Klein lieferten sich die zwei Gegner nun öfter weiträumige Topspinduelle. Die meisten entschied Maze für sich. Folgerichtig gewann er auch die Partie. "Gegen Timo ist es oft sehr eng, ich habe sehr oft verloren", sagte Maze, "Aber heute hatte ich eine sehr gute Beinarbeit und habe wenige Fehler gemacht." Mit seinem Erfolg hatte er das entscheidende Spiel Süß gegen Tugwell erzwungen.

Doch Bolls Düsseldorfer Mannschaftskollege behielt mit einem 3:0 gegen den klaren Außenseiter die Nerven. Zum Lohn feierten die Zuschauer ihn nun in hitziger Begeisterung.

© SZ vom 17.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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