Tischtennis:Die sichtbare Dritte

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Voll reingehängt, aber trotzdem verloren: Tischtennisprofi Timo Boll beim Finalsieg von Borussia Düsseldorf gegen den 1. FC Saarbrücken. (Foto: Joaquim Ferreira/Imago)

Timo Boll kann wegen eines Rippenbruchs nicht viel zum 32. Meistertitel von Borussia Düsseldorf beitragen. Sorgen bereitet aber weniger die Physis des Stars als die Zukunft des Klubs, der harte Rivalen bekommt.

Von Ulrich Hartmann, Frankfurt/München

Vor einem halben Jahr hat Timo Boll trotz Bauchmuskelzerrung Bronze bei der Tischtennis-WM in den USA geholt. Am Samstag in Frankfurt wurde er mit Borussia Düsseldorf trotz gebrochener Rippe zum zwölften Mal Mannschaftsmeister. Der 41-Jährige kämpft jetzt öfter mal gegen zwei Widersacher: seinen Gegner und seinen Körper.

Die Trainingsverletzung ist gar nicht besonders schmerzhaft, sein Einzel im Finale gegen den 1. FC Saarbrücken hat Boll gegen Darko Jorgic aber trotzdem verloren. Zwei Schweden mussten Düsseldorf daher den 32. Meistertitel der Klubgeschichte retten. Anton Källberg mit zwei Einzelsiegen und der Doppel-Weltmeister Kristian Karlsson im Zusammenspiel mit dem deutschen Nationalspieler Dang Qiu holten binnen dreieinhalb Stunden vor 2350 Zuschauern die Punkte zum 3:2-Sieg.

Zehn Monate hat die Saison in der Tischtennis-Bundesliga gedauert. Am Ende entschied ein einziges Match. "Das ist ein Moment fürs Leben", sagte unter Tränen der 30 Jahre alte Karlsson, weil er Düsseldorf nach sechs Jahren verlässt und ins französische Hennebont wechselt. Mindestens weiter bis 2025 hingegen will Boll für Düsseldorf spielen. Seinen Vertrag hat er kürzlich verlängert.

Zum fünften Mal binnen eineinhalb Jahren haben sich Düsseldorf und Saarbrücken in einem Titelkampf duelliert. Sie dominieren die Szene. Ende 2020 gewann die Borussia das Champions-League-Endspiel und im Juni 2021 das Bundesliga-Finale. Im Januar 2022 siegte Saarbrücken im Pokal-Endspiel, und im März gewannen die Düsseldorfer jenes Champions-League-Halbfinale, das ihnen den Titel bringt - falls der europäische Verband am sportjuristisch umstrittenen Ausschluss der russischen Halbfinalisten Orenburg und Jekaterinburg festhält. Die Entscheidung zieht sich hin.

Nun neu in Neu-Ulm: die Nummern fünf, sieben, acht und neun der Weltrangliste

Ein Finale zwischen Düsseldorf und Saarbrücken könnte es allerdings schon in der kommenden Saison womöglich in keinem der drei Wettbewerbe mehr geben. Der TTC Neu-Ulm rüstet nämlich auf. Der Klub eines spendablen Verlegers hat den schwedischen WM-Zweiten Truls Möregardh, den Japaner Tomokazu Harimoto, den Olympia-Vierten Lin Yun-Ju aus Taiwan und den deutschen Olympia-Dritten Dimitrij Ovtcharov verpflichtet: die Nummern fünf, sieben, acht und neun der Weltrangliste. Während Harimoto nur in der Champions League spielen soll, werden die anderen drei mit einer Bundesliga-Lizenz ausgestattet und spielen auch im Pokal.

Borussia Düsseldorfs Manager Andreas Preuß sagt: "Wenn Neu-Ulm in allen drei Wettbewerben mit voller Kapelle spielt, haben sie gute Chancen, alle drei Titel zu holen." Er rechne aber nicht mit drei Durchmärschen: "So etwas ist kein Selbstläufer." Auch Saarbrückens Manager Nicolas Barrois sieht nicht schwarz. "Ich glaube nicht, dass die Bundesliga langweilig wird, sondern ausgeglichener und spannender, weil sich auch andere Vereine verstärken."

In der kommenden Saison spielen neun der laut Weltrangliste 16 besten Spieler der Welt in der Bundesliga. Neben Neu-Ulm, Düsseldorf und Saarbrücken könnten auch Ochsenhausen (mit Simon Gauzy, Kanak Jha, Shunsuke Togami, Alvaro Robles) und Fulda-Maberzell (mit Quadri Aruna, Ruwen Filus, Alexandre Cassin, Fanbo Meng) in den Titelkampf eingreifen. So gut besetzt war die Bundesliga noch nie.

Gast beim Endspiel in der Frankfurter Ballspielhalle war am Samstag auch Christian Seifert, der vormalige Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, dessen neuer Streaming-Dienst "S Nation Media" künftig die Spiele der Deutschen Tischtennis-Liga überträgt. Dass dann derart viele Topspieler der Welt hier mitwirken, kommt der Branche gelegen.

Saarbrückens Manager Barrois kann dem Aufrüsten Neu-Ulms sogar etwas abgewinnen: "Für das deutsche Tischtennis ist es eine Riesensache, wenn Spieler wie Ovtcharov und Möregardh hier regelmäßig zu sehen sind; und für den Wettbewerb ist es eigentlich auch positiv, wenn man nicht weiß, ob Düsseldorf oder Saarbrücken überhaupt wieder ins Finale kommen."

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