Tennisprofi Wayne Odesnik:Ein Betrüger und viele ungeklärte Fragen

Lesezeit: 3 min

Tennis-Profi Wayne Odesnik aus den USA. (Foto: AP)
  • Wayne Odesnik wird als Wiederholungstäter für 15 Jahre gesperrt und beendet mit 29 Jahren seine Karriere.
  • Von seinen Kollegen auf der Profitour wird er schon seit Längerem wegen Merkwüdigkeiten gemieden und beschimpft.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Tennis.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Ein unaufmerksamer Beobachter auf der Tennisanlage in Indian Wells hätte den Eindruck gewinnen können, dass Andy Murray von seiner Verlobten betrogen worden ist und er sie nun wütend abserviert hat. Nach seinem Viertelfinalsieg gegen Feliciano Lopez sagte er Worte wie "Enttäuschung", "Betrug" und "gut, dass diese Person weg ist"; bei Twitter schrieb er: "Bye, bye... und tschüss!"

Es ging natürlich mitnichten um Kim Sears, die gerade die für April terminierte Hochzeit mit Murray plant - sondern um Wayne Odesnik, in dessen Urin mehrere verbotene Substanzen wie das Steroid Metenolon und das Wachstumshormon GHRP gefunden wurden. Odesnik, 29, wurde als Wiederholungstäter für 15 Jahre gesperrt und beendete direkt nach Bekanntgabe seine Karriere.

"Ich kann Schock und Enttäuschung nicht in Worte fassen", ist in einer von Odesnik veröffentlichten Erklärung zu lesen: "Ich bin der am häufigsten getestete amerikanische Tennisspieler auf der Tour, ich würde nie das Risiko eingehen und eine unerlaubte Substanz zu mir nehmen."

In der Weltrangliste wird Odesnik derzeit auf Platz 267 geführt

Es klingt zunächst wie die Geschichte eines durchschnittlich talentierten Sportlers, der mit den außergewöhnlich Begabten mithalten will, das Wachstum der Muskeln mit Hormonen beschleunigt und irgendwann erwischt wird. Odesnik wird derzeit in der Weltrangliste auf Platz 267 geführt, zuletzt nahm er an den Veranstaltungen Happy Valley Challenger im australischen Ort Onkaparinga und Royal Lahaina Challenger auf Hawaii teil.

Warum also ist Murray so wütend? Und warum schreibt der ehemalige Profi Andy Roddick auf Twitter: "Er ist ein Vollidiot, und ich hasse, dass er die amerikanische Flagge neben seinem Namen stehen hat, während er betrügt. Und tschüss!"

Der Fall muss in einem größeren Zusammenhang betrachtet werden. Odesnik spielt eine Rolle in einem der bedeutendsten Dopingskandale der vergangenen Jahre. Im Januar 2010 hatten australische Zöllner in Odesniks Gepäck acht Fläschchen mit dem Wachstumshormon HGH gefunden. Der erklärte später: "Ich wusste nicht, dass der Besitz einer unerlaubten Substanz ein Verstoß gegen die Regeln ist." Der internationale Tennisverband ITF sperrte ihn ohne positiven Test für zwei Jahre, verkürzte die Sperre jedoch auf sieben Monate mit der Begründung, Odesnik habe "entscheidende Unterstützung geleistet in Bezug auf das Durchsetzen der Berufsregeln".

Bis heute ist nicht klar, ob Odesnik nur Hinweise auf mögliche Dopingfälle gab - oder ob er auch darüber geplaudert hat, dass Tennisprofis möglicherweise mitunter absichtlich zum richtigen Zeitpunkt einen Doppelfehler einstreuen oder gar verlieren, damit Menschen, die auf solche Ereignisse gewettet haben, sehr viel Geld verdienen. Bei Odesniks Erstrunden-Partie in Wimbledon 2009 waren mehr als 1,3 Millionen Euro gesetzt worden. Er wurde nie belangt, dafür wurde der Österreicher Daniel Köllerer im Jahr 2011, wohl auch dank Odesniks Aussage, wegen illegaler Absprachen lebenslang gesperrt.

Odesnik galt fortan nicht nur als Betrüger, sondern auch als Verräter, Murray nannte ihn schon damals eine "Petze". Der Amerikaner fand keinen Doppelpartner mehr, während der US Open 2014 übte er alleine Aufschläge, weil niemand mit ihm trainieren wollte. Bei Interviews gab er sich einsilbig. Tatsächlich war er sowohl 2013 (14 Kontrollen) als auch im vergangenen Jahr (zehn) der von der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada am häufigsten getestete Tennisprofi.

Trotz zahlreicher Hinweise wurde Odesnik erst diesen Winter überführt

Bis zu den positiven Ergebnissen bei den Kontrollen im Dezember und Januar, wegen denen er nun gesperrt wurde, ist Odesnik nicht mit verbotenen Substanzen in seinem Körper erwischt worden. Sein Name taucht jedoch insgesamt 26 Mal in den Unterlagen der mittlerweile geschlossenen Klinik Biogenesis auf, in der sich prominente Profisportler wie Alex Rodriguez und talentierte Teenager leistungsfördernde Mittel besorgten.

Odesnik bestritt, ein Kunde der Klinik gewesen zu sein - trotz handschriftlicher Hinweise, er habe auch nach Ablauf seiner ersten Sperre pro Monat etwa 500 Dollar für das Wachstumshormon HGH bezahlt. War er womöglich nur ein Kurier für andere Athleten, die direkten Kontakt zum Dopingarzt vermeiden wollten? Oder arbeitete er gar als Spitzel der ITF, um dopingwillige Spieler zu überführen? Beim Prozess gegen Biogenesis-Chef Tony Bosch spielte Odesnik keine Rolle, aber er wurde zwischen Beweisaufnahme und Urteil zum ersten Mal positiv getestet.

"Es ist gut für das Tennis, dass sie ihn von der Tour entfernt haben", sagte Murray, "das ist das Ende seiner Karriere, er kann noch nicht einmal zu Turnieren kommen oder als Trainer arbeiten. Er ist ein Betrüger." Warum echauffieren sich etablierte Akteure derart über eine unbedeutende Figur wie Odesnik? Welche Rolle spielte Odesnik im Biogenesis-Skandal? Und auf welche Weise hat er mit der ITF kooperiert, um eine Reduzierung seiner ersten Sperre um mehr als 70 Prozent zu rechtfertigen? Das sind noch immer zu viele unbeantwortete Fragen, um diesen Wayne Odesnik einfach so lapidar mit einem "und tschüss!" in den Ruhestand zu verabschieden.

© SZ vom 21.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: