Tennis:"Zum Kicken hatten sie Zeit, aber nicht für diesen Anruf"

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Abstand? Mundschutz? Nicht beim Einladungsturnier von Novak Djokovic (Mitte) in Belgrad. (Foto: Marko Metlas/imago images/Camera 4)

Ein Kollege kritisiert Novak Djokovic nun öffentlich für dessen Gebaren in der Corona-Pause.

Von Gerald Kleffmann

Noah Rubin, 24, ist international kein bekannter Tennisspieler, innerhalb der Profiszene aber durchaus. Der frühere Junioren-Wimbledonsieger, 225. der Weltrangliste, hat sich als Gründer der Online-Seite behindtheracquet.com einen Namen gemacht; die Plattform nutzen Kollegen, um sich was von der Seele zu schreiben. Coco Gauff hat dies schon getan, auch Jan-Lennard Struff. Rubin ist um wahrhaftige Darstellungen bemüht, deshalb engagiert er sich auch aktiv in Sozialen Medien. Am Dienstag hat der New Yorker einen Thread bei Twitter abgesetzt, eine mehrteilige Erklärung - die nicht jedem gefallen dürfte. Vor allem nicht Novak Djokovic, 33.

Rubin teilte mit, dass der Serbe vergangenen Mittwoch nicht an einem Video-Meeting mit 400 Spielern und Coaches der ATP Tour teilgenommen habe. Es ging bei dem Gruppen-Call um die Frage, wann und wie die Tennistouren weitergehen nach der Corona-Auszeit. Jemand, der bei der Zoom-Schalte dabei war, bestätigte Djokovics Fehlen. Im Übrigen seien Rafael Nadal und Roger Federer absent gewesen, Letzterer entschuldigt nach seinem Knie-Eingriff. Rubin geißelte die sogenannten Big 3 mit dem Hinweis, sie säßen im Players Council. "Wenn du in dem Rat bist, sagst du den Spielern damit, dass du helfen willst, etwas zu ändern", so Rubin. Doch nicht mal Djokovic als Präsident sei anwesend gewesen, dem Rubin zugutehielt, sich zuvor mehr für die Belange aller eingesetzt zu haben als Federer und Nadal. Wie der SZ berichtet wurde, habe Djokovic mit seinen Tenniskumpels in Belgrad gekickt, um dann einem Kreis an Spielern per Handy-Nachricht mitzuteilen, dass er wenig von einer Durchführung der US Open halte. "Zum Kicken hatten sie Zeit, aber nicht für diesen Anruf", schrieb Rubin.

Die Branche erlebt, auch ohne offizielles Tennis, aufwühlende Tage. Der Druck ist immens, endlich die zweite Saisonhälfte der ATP (Männer) und WTA Tour (Frauen) zu klären. Nun sind erste Entscheidungen gefallen: Die US Open finden ab dem 31. August statt, ohne Zuschauer. ATP und WTA waren sich zu Wochenbeginn einig geworden. Am Dienstagmorgen (Ortszeit) erteilte New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo behördlich die Erlaubnis. Vor den US Open ist Washingtons Männerturnier (ab 16. August) angesetzt, das Männer- und Frauen-Event in Cincinnati (ab 24. August) wird nach New York verlegt. Nach den US Open siedelt die Tour nach Europa über, Madrid, Rom, French Open, so der Plan. Ob Djokovic in New York antritt, bleibt unklar.

Sicher müsste er anders auftreten als bei der Adria Tour. Der 33-Jährige hat diese Showkampfserie organisiert, an dessen erster Veranstaltung am Wochenende auch Alexander Zverev und Dominic Thiem teilnahmen. Tausende jubelten im Stadion, es gab einen "Kids Day" und eine Abschlussparty, auf der die Profis halb nackt tanzten; Sicherheitsmaßnahmen, wie sie die offiziellen Turniere bei einer Wiederaufnahme umsetzen, waren nicht erkennbar. Djokovic verwies auf Serbiens Corona-Regeln, alle hätten sich ans Erlaubte gehalten. "Schockierend" seien die Bilder, sagte indes Paul Annacone, Federers Ex-Coach, im Tennis Channel. Eine schlechte Nachricht gibt es bereits. Basketballprofi Nikola Jankovic, den Djokovic letzte Woche traf, wurde laut serbischen Berichten positiv auf Corona getestet. Im Grunde müssten sich Djokovic und Gäste, denen er nahe kam (quasi alle), testen lassen, um Risiken auszuschließen. Der Österreicher Thiem tat es, nach dem Heimflug im Privatjet. Negativ, meldete die Krone. Dass Thiem Privates öffentlich machte, zeigt, worum es geht: Schadensbegrenzung. Die Adria Tour geht in Zadar weiter.

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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