Tennis:Traurig bei der Stabübergabe

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Letztes Showmatch als Turnierchef: Michael Stich (re.) duellierte sich mit John McEnroe. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Wehmütig beendet der ehemalige Profi Michael Stich seine Zeit als Turnierdirektor in Hamburg. Das Event wird wohl in der Hansestadt bleiben.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

"Gefühlte 40 Jahre" habe er schon mit den German Open am Rothenbaum zu tun, sagte Michael Stich bei der Abschlusspressekonferenz. Erst als jugendlicher Zuschauer, dann als Spieler (vor 25 Jahren gewann er als vorerst letzter Deutscher auf dem hamburgischen Sand), zuletzt zehn Jahre als Turnierdirektor. Als das Finale gespielt war und der Georgier Nikolos Bassilaschwili nach 2:12 Stunden den argentinischen Titelverteidiger Leonardo Mayer mit 6:4, 0:6 und 7:5 niedergekämpft hatte, flossen dann bei seiner Abschiedsrede einige Tränen. Der Deutsche Tennis-Bund hat Stich das Turnier genommen, weil er es, so DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff, "nach vorne bringen und besser machen will". Und zwar nicht mehr mit dem Wimbledonsieger Stich, der sich als Traditionsbewahrer sieht und das Event vor zehn Jahren vielleicht sogar vor dem Aus rettete, sondern mit dem Österreicher Peter-Michael Reichel, der zum Teil völlig neue Ideen hat.

Die Frage ist, ob der Bruch zwischen dem DTB und Stich, der vergeblich um die Fortführung des Turniers kämpfte, und die Weiterführung mit dem erfahrenen Österreicher das wichtigste deutsche Tennisturnier weiterbringt. Die vergangenen neun Tage waren zumindest in der Stich-Ära ein Höhepunkt, nicht nur wegen seines Legendenspiels zu Beginn gegen John McEnroe und des tropischen Wetters. Das wurde nur am Samstag beim zweiten Halbfinale zwischen Bassilaschwili und Nicolas Jarry für zwei Stunden von einem Wärmegewitter unterbrochen, weil sich das Dach plötzlich nicht schließen ließ. Etwa 64 000 Zuschauer bedeuteten den drittbesten Besuch, seit es 2009 vom Masters zum 500er Turnier herabgestuft wurde.

Zwar scheiterte der österreichische Favorit Dominic Thiem (Nummer acht der Welt) im Viertelfinale am aufstrebenden Chilenen Jarry. Das fanden fast alle Hamburger schade, weil er zuvor brillant gespielt und sich als Liebhaber der Hansestadt geoutet hatte. Zudem fehlten seit dem Viertelfinale die deutschen Cracks, nachdem die 34-Jährigen Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer in der ersten Runde und der 17-jährige Hoffnungsträger Rudi Molleker im Achtelfinale ausgeschieden waren. Doch das wohl beste Teilnehmerfeld seit 2009 brachte teilweise faszinierendes Tennis, bei dem die Außenseiter mal wieder eine große Rolle spielten.

Der georgische Qualifikant Basilashvili, 26, ein risikofreudiger Vorhandspieler, der ein wenig aussieht wie Che Guevara, gewann das Endspiel, weil ihm auch am Sonntag der Mut nicht abhanden kam, obwohl er "sehr müde" war, wie er gestand. Es war sein erster Sieg bei einem ATP-Turnier, für das er nicht nur 349 200 Euro mitnahm, sondern auch den Pokal, die am Rothenbaum eine Schiffsschraube ist. Vorher stand er zweimal in einem solchen Finale. 2016 verlor er in Kitzbühel gegen den Italiener Paolo Lorenzo, 2017 in Memphis gegen den Amerikaner Ryan Harrison. Der slowakische Qualifikant Jozef Kovalik kam ins Halbfinale, wo er Titelverteidiger Leonardo Mayer einen Kampf von 2:50 Stunden lieferte. Mayer, 31, wiederum hatte das Vorjahrsturnier nur gewinnen können, weil er als "Lucky Loser" in der Qualifikation weiter mitmischen durfte. Er verpasste den dritten Titel in Hamburg, der auch der dritte Titel in seiner 13-jährigen Tenniskarriere gewesen wäre. 2014 siegte er gegen den spanischen Sandspezialisten David Ferrer, 2017 gegen Florian Mayer. Aber wie geht es jetzt weiter am Rothenbaum? Fest steht bislang nur, dass das Turnier vom 22. bis 28. Juli 2019 an selbiger Stelle gebucht wurde. Und danach? Gespräche über einen Standortwechsel, der 2017 von Reichel ins Gespräch gebracht wurde, sind vorerst nicht bestätigt. Einen Wechsel von Sand auf Hartplatz wird ebenso diskutiert wie ein zusätzliches Frauenturnier. Dem neuen Turnierdirektor wünsche er Glück und ein gutes Händchen, sagte Stich bei seiner Abschiedsrede. Er hoffe, dass die Hamburger Fans dieses seit 112 Jahren bestehende Turnier behalten. Mit den neuen Ideen des DTB und des neuen Ausrichters habe man "die Latte sehr hoch gelegt", sagt der gebürtige Elmshorner. Er halte es für wenig wahrscheinlich, dass die neuen Verantwortlichen einen anderen Termin bekommen, einen Wechsel auf Hartplatz hält er sogar zu "99 Prozent" für ausgeschlossen. Ob Michael Stich dem Tennis nach seinem fremdbestimmten Rothenbaum-Ausstieg treu bleibt? Zunächst einmal habe er als Vortragsredner, mit seiner Stiftung für HIV-infizierte Kinder und als Unternehmer genug zu tun. Aber es gäbe sehr wohl Möglichkeiten, mit den alten Partnern ein neues Tennisprojekt aufzuziehen. "Viele haben Lust, weiter etwas zusammen zu machen." Mehr wollte er dazu vorerst noch nicht sagen. Reichel war etwas forscher. Als er im Herbst 2017 den Zuschlag erhalten hatte, sagte er dem Hamburger Abendblatt: "In das Turnier muss dringend investiert werden. Wir wollen, dass die Hamburger Lizenz wieder erleuchtet im Tennis-Weltkalender." Mal sehen, ob er diesen Worten Taten folgen lässt.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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