Tennis:Popcorn vor dem Finale

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"Ich bin bereit für den Kampf": Novak Djokovic ist mal wieder ganz in seinem Element. (Foto: Dave Hunt/AAP/Imago)

Novak Djokovic erreicht zum neunten Mal das Endspiel der Australian Open und fühlt sich nach überstandener Verletzung fit wie noch nie in diesem Grand-Slam-Turnier.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne/München

Novak Djokovic hält viele Rekorde inne, und manchmal baut er bereits bestehende auch noch aus. An diesem Donnerstagabend (Ortszeit) in Melbourne etwa zog er mit einem souveränen 6:3, 6:4, 6:2-Erfolg gegen Aslan Karazew, 27, den Überraschungsmann der Australian Open, zum unglaublichen neunten Mal ins Endspiel dieses Grand-Slam-Turniers ein. "Ich bin bereit für den Kampf", sagte er später. Nun ist nicht immer klar, wie dieser Djokovic wirklich denkt, es gab gerade in diesen Tagen genügend Verhaltensweisen des Serben, aus denen die Tenniswelt wenig schlau wurde.

Seine Bauchmuskelverletzung zum Beispiel. War es ein Riss? Eine Zerrung? Etwas anderes? So richtig packte er dazu nichts aus und beließ es bei Andeutungen. Nach dem Sieg gegen den russischen Qualifikanten wollte Djokovic abermals nicht mit der Wahrheit rausrücken, was ihn denn zuvor so gehemmt hatte in seinem zur Akrobatik neigenden Spielstil. Und jetzt also sollte er sich plötzlich, Abrakadabra, wieder bereit für den Kampf fühlen?

Das allerdings sollte man Djokovic bedingungslos glauben. Allein sein kriegerisch anmutender Schrei, als er sich in einem Kraftakt das letzte Aufschlagspiel im zweiten Satz zum 6:4 gesichert hatte, kündete davon. Gut möglich, dass sich manche der Zuschauer, die nach fünf Tagen Lockdown in Melbourne wieder in die Rod Laver Arena durften, die Ohren zuhielten.

Tapfer gewehrt: Der Russe Aslan Karazew, der sich als Qualifikant ins Halbfinale vorgespielt hatte, musste gegen Novak Djokovic seine Grenzen erkennen. (Foto: Dean Lewins/Imago)

Mit seinem Auftritt gegen Karazew, der nur phasenweise zeigen konnte, warum er als 114. der Weltrangliste so weit gekommen war, hat Djokovic in jedem Fall eindrucksvoll seine Favoritenrolle auf den Titel untermauert. Es wäre sein 18. Grand-Slam-Sieg am Sonntag, wenn er sich gegen den Sieger des Duells zwischen Daniil Medwedew, 25, und Stefanos Tsitsipas, 22, behaupten sollte; der Russe und der Grieche spielen an diesem Freitag gegeneinander (9.30 Uhr, Eurosport). Im Übrigen hätte man auch davon ausgehen können, dass Djokovic notfalls auch ohne Bauchmuskel in sein, sage und schreibe, 29. Grand-Slam-Finale gegangen wäre. Er sehnt ja nichts mehr herbei, als Rafael Nadal und Roger Federer, die je 20 Grand-Slam-Trophäen bunkern, noch zu überholen.

"Heute habe ich mich im gesamten Turnier am besten gefühlt", sagte Djokovic, und er meinte: nicht nur physisch, auch mental. Er habe den Ball gut getroffen, das Tempo gemischt, gut aufgeschlagen, was fast zu harmlos klang. 100 Asse schlug er bisher in seinen sechs Partien, noch nie waren ihm mehr geglückt auf dem Weg in das letzte Match. Sein Service, auch Alexander Zverev bekam das im Viertelfinale zu spüren, ist so bestechend wie noch nie in Djokovic' Karriere. "Ich bin sehr zufrieden mit meiner Leistung", sagte er, ehe er ausgiebig Medwedew und Tsitsipas sowie deren Stärken lobte.

Djokovic dürfte allerdings keinen der beiden fürchten. Er kündigte an, sich das Match der zwei, die sich ja ab und ab auch persönlich schon wie Streithähne bekabbelt haben, im Fernsehen anzuschauen - "ich esse Popcorn und genieße es", sagte er lächelnd. Mehr Selbstbewusstsein kann man vor einem Finale kaum ausstrahlen, als es Djokovic tat.

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