Tennis:Der Weg ist für alle hart

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Großes Talent: Max Rehberg. (Foto: Claudio Gärtner/Imago)

Bei Turnieren wie den TennisBase-Open in Oberhaching hoffen alle auf den Sprung nach oben. Das Preisgeld der drittklassigen ITF Tour reicht kaum für Trainer, Unterkunft und Verpflegung. Die Unterschiede zur Spitze sind immens.

Von Helene Altgelt

"Weltklasse trifft sich bei den TennisBase Open 2024", verspricht die Website des Turniers, das aktuell in Oberhaching stattfindet. Die Weltklasse hat sich allerdings zunächst einmal gut versteckt. Auf dem Gelände der Sportschule strahlt die Sonne, die Vögel zwitschern neben Dächern mit roten Ziegeln. Landidylle statt Turnierstimmung. Ganz am Ende des Kiesweges, vor dem Eingang, dann doch ein Indiz, in Form eines Plakats. Auf petrolfarbenem Hintergrund schwingt Daniel Masur den Schläger und schaut dem Ball verbissen nach.

Daniel Masur, der Posterboy dieses Turniers, ist immerhin schon ein Name im deutschen Tennis, zumindest Experten kennen ihn. Die TennisBase-Open in Oberhaching sind ein drittklassiges ITF-Turnier, unter der ATP-Tour und den Challenger-Wettbewerben angesiedelt. Masur, Nummer 312 der Weltrangliste, ist einer der Favoriten.

Mit 29 Jahren gehört Masur zu den Erfahrensten im Feld. In Oberhaching misst er sich mit zwei Arten von Gegnern. Mit denen, die wie er den Sprung nach ganz oben, in die echte Weltspitze, nicht geschafft haben. Und mit denen, die den Sprung noch möglichst vor sich haben, die sich beweisen wollen. Einer dieser Jungspunde ist sein Gegner im Achtelfinale, der Kroate Mili Poljicak. Zehn Jahre jünger, Junioren-Sieger in Wimbledon 2022, einer, für den es bisher nur aufwärts ging.

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Genau wie auch für Max Rehberg, der schon lange als großes Talent gilt. Als er 13 Jahre alt war, begleitete ihn das SZ-Magazin über mehrere Monate, da hatte er schon mehrere Ausrüster-Verträge. Seine Chance, Profi zu werden, wurde da auf ein bis zwei Prozent geschätzt. Rehberg wurde in Oberhaching ausgebildet, der Turnier-Standort ist gleichzeitig Leistungszentrum des Bayerischen Tennis-Verbandes. Rehberg bekommt als deutsches Talent viele Wildcards, Eintrittskarten zu Turnieren also, zu denen man sportlich nicht qualifiziert wäre. So konnte er etwa schon an den BMW Open teilnehmen. Auf solche Hilfen kann Masur weniger bauen. Dafür ist er schon zu alt.

Es geht schnell nach oben - und schnell nach unten

Auf der ITF Tour kann es schnell hoch- und wieder runtergehen. Rehberg erreichte vor einem halben Jahr seine beste Platzierung, Rang 382. Inzwischen ist er wieder abgerutscht, fast 200 Plätze tiefer. Auch in Oberhaching passt die Form noch nicht ganz. Rehberg, ein schlaksiger Lockenkopf, spielt im Achtelfinale impulsiv und schnell, manchmal zu schnell. Viele Bälle drischt er ohne Druck ins Netz. Aber er kann sich auf das verlassen, was schon vor sieben Jahren als seine größte Stärke bezeichnet wurde - die Comeback-Qualitäten, am Ende gewinnt er in drei Sätzen.

Rehberg will sich keinen Druck machen, nicht verunsichern lassen von dem Gedanken, dass all die Stunden auf dem Tennisplatz doch nicht gereicht haben. Ein "Benefit" wäre eine große Karriere für ihn, sagt er, aber kein Muss. Das Ziel ist trotzdem klar. Rehberg will nach oben, zur Challenger-Tour, am besten in diesem oder im nächsten Jahr.

Auch Masur glaubt noch an den Sprung. "Erstes Ziel ist es wieder, die Grand-Slam-Qualifikationen zu erreichen", sagt er. Nah dran an der Weltspitze war er mehrmals: 2016 wurde er im deutschen Team im Davis Cup eingesetzt, 2022 hatte er sich bis auf Platz 176 der Weltrangliste hochgearbeitet. Kostproben von dem, was sein könnte. Dann folgte wieder der Abstieg in die Niederungen der Rangliste. Zu wenig Konstanz, zu viele entscheidende Spiele verloren.

So auch in Oberhaching. Masur ist seit zehn Jahren bei der ITF-Tour dabei. Er weiß: Unendlich viele Chancen wird es nicht mehr geben, um doch noch den Durchbruch zu schaffen. Zudem die Konkurrenz, sagt er, immer stärker wird. Talente wie sein Gegner Poljicak kommen ständig nach. Mit dem hat Masur am Donnerstagmittag so einige Probleme, mit 4:6, 5:7 unterliegt er, trotz des wohlwollenden Applauses der zwei Dutzend Zuschauer. Wieder eine vermeidbare Niederlage. Dabei lief es zuvor mit zwei ITF-Turniersiegen in Serie so gut, Masur war sogar als Spieler des Monats Januar ausgezeichnet worden. Wieder ein Rückschlag. "Es ist nicht einfach, nicht den Kopf zu verlieren", sagt Masur.

Tennis kann ein unfairer Sport sein. Den Gegner das halbe Spiel lang zu dominieren und am Ende sogar mehr Punkte zu machen, reicht nicht. Es geht um die entscheidenden Punkte, die Tiebreaks, die Satzbälle. Punkte, die Masur zu oft verschenkt hat. Ähnlich ist es bei den Turnieren auf der Tour. Es geht mehr darum, die richtigen Spiele für sich zu entscheiden, als die meisten Matches zu gewinnen. Bei einem Turnier wie den BMW Open, sagt Rehberg, bringt ein Matchsieg gleich 20 Weltranglistenpunkte, in Oberhaching nur zwei.

Hohe Kosten, niedrige Preisgelder

Konzentriertes Schweigen herrscht in der kleinen Halle, bis auf das Stöhnen der Spieler und die Flüche und Jubelrufe, auf Deutsch, Französisch, Kroatisch. Auch für ITF-Turniere reisen Spieler aus ganz Europa an. Mit ihnen reist der Druck, die hohen Kosten wieder rauszuholen, für Unterkunft, Verpflegung, Trainer. Masur sagt, seine jährlichen Ausgaben liegen im hohen fünfstelligen Bereich. Das wieder reinzuholen, ist nicht einfach. Wie die meisten Spieler stockt Masur sein Gehalt durch Spiele in der ersten und zweiten Tennis-Bundesliga auf, auch wegen der Planungssicherheit, wie er erklärt. Ansonsten zehrt er von den Rücklagen seiner besten Jahre.

Um von seinem Sport leben zu können, sagt der Direktor der Tennis-Open, Christian Poehlmann, muss man zu den Besten der ITF-Tour gehören oder den Sprung auf die Challenger Tour schaffen. "Ich sage immer, man muss so schnell wie möglich durchkommen", erklärt er. Einige würden sich bei Turnieren wie dem in Oberhaching "festspielen" und nie den nächsten Schritt schaffen. Masur unterstützt die Bemühungen, die Preisgelder im Tennis mehr anzugleichen. Auf den ATP-Turnieren habe er ein Zehnfaches des Geldes bekommen, "dabei habe ich keinen Deut besser gespielt als zuvor. Die Relation stimmt nicht", sagt er.

Für einen Sieg in Oberhaching gibt es 2160 Euro, sogar das Ausscheiden in der ersten Runde eines ATP-Turnieres bringt mehr ein. Die Teilnahme an der ersten Wimbledon-Runde, die Masur einmal gelungen ist, sorgt sogar für 56 000 Dollar. Wer es einmal in die Top100 geschafft hat, ist finanziell erst mal abgesichert, aber bis dahin, in die echte Weltklasse, ist es ein weiter Weg.

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