Tennis:Murray sucht den Supertrainer

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Andy Murray ist auf der Suche nach einem neuen Trainer. (Foto: AFP)

Tennis-Olympiasieger Andy Murray steckt in der Krise. Dabei belastet ihn vor allem die öffentliche Suche nach einem Nachfolger für seinen Coach Ivan Lendl. Die Tenniswelt verfolgt dieses Schauspiel gebannt wie eine Castingshow.

Von Gerald Kleffmann

Es ist ja nicht so, dass ihm nichts mehr glückt. Die Sache mit Caroline Garcia etwa. Hatte er nicht vor drei Jahren gesagt, die Französin werde gut, vielleicht gar die Nummer eins? Verspottet wurde Andy Murray dafür. Weil er sich für die junge Unbekannte so ins Zeug legte.

Vor vier Wochen gewann die 20-Jährige aus Saint-Germain-en-Laye ihr erstes Tennisturnier auf der Frauen-Tour. "Sie spielt gut, ich mag ihre Art", schwärmte Murray und erinnerte an die Zeit der Witze, die er hinnehmen musste. Ihm gefiel die Pointe mit Garcias Sieg in Bogota.

Wenn es um Prognosen in eigener Sache geht, tut sich Murray schwerer. Er, der Wimbledon- und Olympiasieger, der von Prinz William mit dem Order of the British Empire (OBE) geehrte Schotte, dem die Medien folgen, weil er einen "National Hero" darstellt, ist seit längerem im Tief.

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Ihn belastet das, klar, wie er bei einem seiner stets reflektierenden Auftritte zugab. Umso paradoxer ist es wohl, dass sein Fall auch etwas Spannendes ausstrahlt. Murrays Entwicklung ist ein Beispiel dafür, wie das aussieht, wenn die berühmten Prozente auf höchstem Niveau fehlen. Zumal in einer verkopften Disziplin wie Tennis.

Im Herbst warf Murray eine Rücken-Operation zurück, "wenn du drei, vier Monate fehlst, fällt man im Ranking zurück", weiß der 26-Jährige, der das Abrutschen "nicht so frustrierend" findet. Zweiter der Weltrangliste war er 2009, beim ATP-Turnier in Rom steigt er nun als Achter ein, gegen den Spanier Marcel Granollers. Womit Murray mehr hadert, ist seine generelle Verfassung, seine Form, die ausdrückt, wie sehr er aus dem Tritt geraten ist.

Seine letzte Niederlage, in Madrid, gegen den Kolumbianer Santiago Giraldo war eine Demütigung. "Er ist kompliziert wie die Hölle", hat die frühere Nummer eins Mats Wilander im Januar gesagt und Ivan Lendl gelobt, der Murray "in den Hintern" trete. Nur: Lendl, der den sehr guten Profi Murray zum Champion formte, ist nicht mehr da, Ende März ging er, aus privaten Gründen; angeblich wolle er auch mehr golfen. Murray? Nahm es überrascht hin und hat sich noch immer nicht erholt. Die ungeklärte Trainersituation sei "etwas, über das ich seit Wochen viel nachdenke".

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Wie sehr ihn seine Sorge belastet, verdeutlichen seine Twitter-Kommentare. Mal rief er dazu auf, man solle ihm Trainerkandidaten vorschlagen, worauf ihm neben ernst gemeinten Namen die von Bart Simpson und Scarlett Johansson übermittelt wurden. Zwischendurch regte er ohne Begründung das sportpolitisch heiße Thema an, Tennis brauche einen Commissioner wie im Basketball, einen Chef für alles. Zuletzt umwarb er öffentlich John McEnroe, der sich dafür bedankte und loses Interesse bekundete, viel mehr aber nicht.

Ist es möglich, dass ein Weltklasse-Profi es nicht schafft, einen Top-Trainer zu verpflichten? Und die Tenniswelt wie bei einer Castingshow zuschaut? Sieht so aus.

Noch läuft, um im Bild zu bleiben, die Recall-Phase. Murray will sich Zeit lassen. "Es ist sehr wichtig, dass derjenige, egal wer es wird, weiß, dass ich eine längerfristige Sache möchte", sagte er in Rom, als gebe er eine Annonce auf. "Das ist einer der Gründe, warum ich bislang kaum Telefonate geführt habe. Ich möchte keinen Mist bauen und irgendjemanden auswählen."

Andererseits, das Verzwickte: Sein Spiel braucht Hilfe, die Zeit drängt. "Es ist hart, weil ich einige Tage gut spiele und am nächsten Tag dann überhaupt nicht mehr. Selbst während der Matches spiele ich einen Zeitraum gut und dann auf einmal läuft es nicht." Ende Juni kehrt er als Titelverteidiger nach Wimbledon zurück, wo der gewiefte Lendl sein Meisterstück als Coach ablieferte und Murray viele Punkte verteidigen muss. Das erhöht den Druck gewaltig.

Murray und Wimbledon, das wird werden wie die Seleção und die eigene Fußball-WM in Brasilien, mit kleinerem Hype freilich, heruntergebrochen auf eine Person im Zentrum. "Hoffentlich fällt in einem Monat die Entscheidung", sagte Murray. Es klang flehentlich, zumal er verriet, wie schwer die Suche sei. "Die Ex-Spieler sind spannend, sie wissen, wie man alles aus sich rausholt." Allerdings: "Viele haben Familie und wollen nicht sechs Wochen am Stück reisen." Oder seien vergeben, ausgebucht, nicht interessiert. Somit reist Murray wie jetzt weiter umher mit Betreuer und Gelegenheitscoach Daniel Vallverdu, 28, aus Venezuela, der einen guten Ruf genießt - aber eben keine Ex-Größe ist.

"Die nächsten sechs Wochen, mit den French Open und Wimbledon, zeigen, wo ich stehe."

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Für Murray, der 2014 als bestes Resultat das Viertelfinale bei den Australian Open vorweisen kann, wo ihn Lendl letztmals betreute, ist die öffentliche Suche Segen und Fluch zugleich. Zum einen nutzt er seinen Promi-Status geschickt, sein Anliegen ist wohl auch bis in die Arktis vorgedrungen.

Zum anderen aber wollen alle, da bekannt wurde, dass er eine Namensliste potenzieller Trainer angefertigt habe, Namen wissen. "Ich nenne keine Namen", sagte Murray nun dazu, "das würde nur Stress für mich bedeuten, mit vielen Fragen." Zuletzt gehandelt wurde etwa der Australier Darren Cahill, Ex-Profi, aber als Kommentator und Trainer ausgelastet. Oder Fabrice Santoro. Der Franzose stand noch mehr im Verdacht, als Murray nach Paris reiste, um mit Jo-Wilfried Tsonga zu trainieren. "Ach, ich war einfach ein paar Tage in Paris", kommentierte Murray. Dass so viele an seinem Schicksal interessiert sind, belustigt ihn gleichzeitig, irgendwie. Murray mag kompliziert sein. Aber er ist auch intelligent.

"Ich denke, ich kann jemanden finden, der mich motiviert, verbessert", sagte er noch. "Die nächsten sechs Wochen mit den French Open und Wimbledon zeigen, wo ich stehe." Murray sucht den Supertrainer - die famose Castingshow läuft weiter.

© SZ vom 14.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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