Tennis:Mann schlägt Bub

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Roger Federer demonstriert bei seinem Sieg in Halle große Spielfreude - und zeigt dem gerade aufstrebenden Alexander Zverev dessen Grenzen auf.

Von Sebastian Fischer, Halle

Vorführung im doppelten Sinne: Während Roger Federer nach dem glatten Turniersieg in Halle strahlen kann,... (Foto: Carmen Jaspersen/AFP)

Alexander Zverev ist 198 Zentimeter lang, er ist selbst für einen Tennisspieler verhältnismäßig groß. Es gehört also zu den verwegeneren Ideen, einen Tennisball über Zverev hinweg zu spielen. Wer so etwas wagt, muss außergewöhnliche Klasse besitzen. Vor allem muss er sie unbedingt demonstrieren wollen. Es kann sich also eigentlich nur um jenen Roger Federer halten, der am Sonntag im Finale Alexander Zverev schlug, 6:1 und 6:3 in nur 52 Minuten, und zum neunten Mal das ATP-Turnier in Halle gewann.

Federer hat die Gerry-Weber-Open in dieser Woche als eine "Oase zum Wohlfühlen" bezeichnet. Hier ist eine Allee nach ihm benannt, hier liegen ihm die Zuschauer mehr als jedem anderen Spieler zu Füßen, viele Ostwestfalen werden einmal im Jahr zu Schweizern. In diesem Jahr, zur 25. Auflage, kamen so viele Fans wie noch nie: 116 000. Die 11 000 Besucher am Sonntag stöhnten und staunten schon in den ersten Minuten des Matches, denn Federer führte nicht einfach nur so deutlich gegen Zverev, dass der Sieg gleich klar war - er führte den Deutschen vor. Federer lockte Zverev immer wieder mit Stopps ans Netz, meistens reichte das. Als es mal nicht reichte, spielte er noch einen Lob über ihn hinweg. Es ging gut eine Dreiviertelstunde lang so weiter.

Vor einem Jahr war Federer, damals am Knie verletzt, Zverev in Halle im Halbfinale unterlegen gewesen. Das sollte ihm in diesem Jahr nicht wieder passieren. Zverev, sagte Federer nach dem Spiel, gehöre die Zukunft, aber noch sei er "ein ganz netter junger Bub". Doch es ging am Sonntag um ein bisschen mehr für den Schweizer als persönliche Revanche, über so etwas Kindisches ist er erhaben. In einer Woche beginnt das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon und Federer, 35, will dort zum achten Mal gewinnen. Er wäre dann alleiniger Rekordsieger vor Pete Sampras in der Open Era seit 1968, es ist eines der letzten Ziele einer der größten Karrieren des Sports. Der Sieg dort würde ihm noch mal viel bedeuten, bekannte er am Sonntag, "meiner Familie, meinem Team, meinem Land".

Nun hatte Federer allerdings nach einer gut zweimonatigen Tennispause in der Vorwoche auf Rasen in Stuttgart überraschend verloren, gegen Tommy Haas. Ein Spiel auf Rasen gegen das vielleicht größte Talent im Tennis war also eine gute Gelegenheit, um mal was klarzustellen.

...sammelt Sascha Zverev schmerzhafte Erfahrungen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

"Ich habe unglaublich super gespielt", sagte Federer am Sonntag, doch nur bei ihm wirken solche Sätze niemals arrogant. Was sollte man erwidern? Der geschlagene Zverev entschied sich für die Wahrheit. Er sagte auf dem Rasen ins Stadionmikrofon zu Federer: "Du spielst natürlich Wahnsinnstennis".

Federer returnierte Zverevs durchaus gefürchteten Aufschläge mit Pinselstrichen seiner Rückhand, er ließ dem Deutschen nie Zeit in seiner Komfortzone hinter der Grundlinie, bei dessen Aufschlag wohlgemerkt. Wenn Federer aufschlug, hatte Zverev überhaupt keine Chance.

Nachdem Zverev in dieser Saison die Turniere in München, Montpellier und Rom gewonnen und in die Top-Ten vorgedrungen war, spukte durch so manche verwegene deutsche Tennis-Fantasie bereits der Gedanke, der 20-Jährige könnte schon bereit sein für den Angriff auf einen Grand-Slam-Titel. Nachdem er in Halle Roberto Bautista und Richard Gasquet besiegt hatte, wurde das Aufeinandertreffen mit Federer als "Traumfinale" beworben. Der Hamburger hat sich in diesem Jahr sprunghaft weiterentwickelt, vor allem physisch ist er stärker geworden. Doch 52 Minuten gegen Federer reichten, um die Entwicklung im richtigen Kontext zu sehen: Zverev hat noch bei keinem Major die erste Woche überstanden. Im zweiten Satz gegen Federer blitzte sein Können manchmal auf, er spielte sogar ein, zwei Mal seine charakteristischen Bälle von der Grundlinie, hatte eine Breakchance, ballte die Faust. Doch in der Folge spielte Federer die Stopps mit Vorhand und Rückhand dann einfach noch eine Spur gemeiner hinters Netz. Einmal stolperte Zverev ins Netz hinein.

Zverev hat in dieser Woche in Halle mehr gewonnen als verloren, nicht nur auf dem Platz, wo er bis zum Sonntag überzeugte. Er hat seinem Image als etwas abgehobener Jung-Profi entgegengewirkt, Zverev blieb oft für Autogramme und Selfies stehen, die Zuschauer jubelten für ihn, sie riefen in den Pausen "Sascha", seinen Spitznamen. Doch häufiger riefen sie "Roger".

Federer hat nach seinem wundersamen Saisonstart, als er die Australian Open und Turniere in Miami und Indian Wells gewann, die Sandplatzsaison bewusst ausgelassen. Mancher fand das risikoreich und sah sich nach der Niederlage gegen Haas in Stuttgart bestätigt. Doch die Freude am Tennis sei nach der Pause sofort zurückgekehrt, sagte Federer am Sonntag. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie in den kommenden Wochen nachlässt. Zverev sagte: "Du hättest etwas netter zu mir sein können." Gegner von jenem Roger Federer, der am Sonntag in Halle auftrat, müssen auf Mitleid hoffen.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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