Tennis:Mal wieder Struff-Tage

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Siegertänzchen: Jan-Lennard Struff (Mitte oben) mit Philipp Kohlschreiber (von li.), Andreas Mies, Dominik Koepfer und Kevin Krawietz. (Foto: Paul Zimmer/imago)

Das deutsche Davis-Cup-Team erreicht dank seines Führungsspielers die Finalwoche. Vielleicht wird in Madrid dann auch Alexander Zverev mitwirken, der das neue Format nicht mehr strikt ablehnt.

Von Gerald Kleffmann, Düsseldorf/München

Die Feierlichkeiten waren überschaubar, die deutschen Spieler waren ja nicht, was sich angeboten hätte, in die Altstadt von Düsseldorf weitergezogen, sondern versammelten sich - so nüchtern ist manchmal das Profileben - in der Umkleide. "Es war nett", versichert aber Michael Kohlmann, der auch von einem entspannten Essen danach berichtete - bei dem es dann erste Auflösungserscheinungen gab. "Einige wie Philipp und Dominik machten sich auf den Weg nach Indian Wells, sie flogen nach Frankfurt", erklärte der Davis-Cup-Teamchef, er meinte Philipp Kohlschreiber und Dominik Koepfer. Jan-Lennard Struff wiederum fuhr kurz nach Hause, der Warsteiner ist seit vergangenem Jahr Vater. Die Zurückgebliebenen in Düsseldorf, erzählt Kohlmann, die Teambetreuer und -helfer, saßen dafür noch zusammen, ließen den Erfolg nachwirken. "Wir wollten uns diese Chance geben, wieder bei der Finalwoche anzutreten", sagt Kohlmann, "wir sind nicht nur froh, dass wir gewonnen haben, sondern auch, wie."

Mit 4:1 setzte sich das deutsche Team in der ersten Runde gegen Weißrussland durch, am Freitag hatte Struff im Castello Düsseldorf vor 3000 Zuschauern Ilja Iwaschka 6:4, 6:4 besiegt, Kohlschreiber unterlag Egor Gerassimow 6:4, 5:7, 6:7 (3), der als 68. der Weltrangliste fünf Plätze vor ihm rangiert. Am Samstag sicherten sich dann Kevin Krawietz und Andreas Mies das Doppel gegen Iwaschka/Andrej Wassilewski mit 6:4, 7:6 (5) - und Struff holte den Siegpunkt beim 6:3, 6:2 gegen Gerassimow; Koepfer gelang der bedeutungslose vierte Punkt gegen Daniil Ostapenkow mit 6:0, 6:2.

Der 29-jährige Struff unterstrich somit wieder, dass er der wertvollste deutsche Davis-Cup-Spieler seit fünf Jahren ist. 2016 und 2017 verhinderte er den Abstieg aus der Weltgruppe. Nie fehlt er, immer ist auf ihn Verlass. "Er bringt viel Energie rein und ist ein total positiver Typ", sagte Kohlschreiber anerkennend dem Sportinformationsdienst. "Er hat immer das komplette Commitment", hebt Kohlmann wiederum gegenüber der SZ hervor. "Struffi ist immer bereit zu spielen, er ist so wichtig für uns. Und ich wünsche ihm auch den letzten Schritt", nämlich dass Struff einmal ein Turnier gewinnt. "Er ist absolut ein potenzieller Top-20-Spieler", sagt Kohlmann, "so viele sind da nicht mehr vor ihm"; aktuell ist der Angriffsspieler im Ranking 34.

Teamchef Michael Kohlmann wäre für zwei Runden mit Heim- und Auswärtsspiel

Struff selbst schwärmte nicht von sich, das wäre nicht mal im Ansatz seine Art: "Wir haben einen guten Umgang, wir fighten miteinander und sind füreinander da. Ich habe das Gefühl, da ist richtig etwas zusammengewachsen." Daher richtet sich der Blick bereits auf die Davis-Cup-Aufgabe im kommenden November: "Jetzt freuen wir uns auf Madrid und dass wir da wieder angreifen dürfen", sagte Struff.

Der neue Modus des Davis Cup, der nach der ersten Runde sofort in einer Finalwoche in Spanien mündet, an der 18 Teams teilnehmen, hatte die Tenniswelt ja von Beginn an gespalten. Der Deutsche Tennis-Bund war stets ein Kritiker des Formats gewesen, und einigen DTB-Vertretern missfiel explizit die Machtübernahme durch den spanischen Fußballer Gerard Piqué, der mit einer Investorengruppe hinter dem Relaunch steht. Aber erstens steckt viel Geld in dem Projekt, zu dem letztlich doch nicht jeder nein sagt, auch nicht der DTB. Und zweitens fällt die Kritik nach der Premiere 2019 gemäßigter aus. "Es ist in der ersten Ausführung nicht alles so gut gelaufen, es gab Matches bis halb vier Uhr morgens aufgrund der Ansetzungen", schildert Kohlmann. "Das muss man perfektionieren. Und wenn man es versucht, findet man irgendwann doch eine richtig gute Lösung." Die seiner Meinung nach so aussehen könnte: "Generell würden wir schon noch die Heim- und Auswärtspartien befürworten, die ja nur für die erste Runde gespielt werden. Man könnte die ersten zwei Runden im Heim- und Auswärts-Modus spielen, damit jeder mal ein Heimrecht hat. Und dann ein Finalturnier mit weniger Mannschaften."

Sicher ist sich Kohlmann indes, dass die schlimmsten Befürchtungen, die gar den Tod des Davis Cup prognostizierten, sich nicht erfüllen werden. "Wir müssen feststellen, dass der Davis Cup unglaubliches Potenzial hat. Das hat man in Madrid gesehen. Wenn Novak Djokovic verliert, heult er auf der Pressekonferenz. Rafael Nadal spielt durchgehend Einzel und Doppel, nach den ATP-Finals!" Für Kohlmann steht fest: "Die Bedeutung dieses Nationenwettbewerbs geht auch nicht durch eine Veränderung des Formats kaputt. Ich glaube, dass der Wert dieses Cups immer bestehen bleibt."

Für die Veranstaltung vom 23. bis 29. November sind neben den Deutschen die vier Halbfinalisten 2019 (Spanien, Kanada, Russland, Großbritannien), die zwei Wildcard-Begünstigten Frankreich und Serbien sowie Australien, Österreich, Kolumbien, Kroatien, Tschechien, Ecuador, Ungarn, Italien, Kasachstan, Schweden und die USA qualifiziert. Am kommenden Donnerstag findet die Auslosung der sechs Dreiergruppen statt, damit ist zunächst auch das kein Thema, was im Hintergrund als Idee schwelt: dass die Gruppenphase in verschiedenen Ländern ausgetragen wird. Dieser Modus hätte seine Vorteile, böte aber logistische Herausforderungen.

Die Deutschen gehen in jedem Fall optimistisch die Finalwoche an. Denkbar ist neuerdings ja auch, dass Top-Ten-Profi Alexander Zverev doch noch seinen Boykott zur neuen Finalwoche revidiert. "Er hat auch gesehen, dass die Nationen mit dem neuen Format viel enger aneinanderrücken, da ja dann nur drei Punkte zu vergeben sind", sagt Kohlmann. "Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir ein sehr gutes Doppel haben. Und wenn wir mit Sascha spielen, haben wir in beiden Einzeln eine Chance, mindestens einen Punkt zu holen." Eine strikte Ablehnung liege bei Zverev nicht mehr vor, sagt Kohlmann. Aber ob Deutschland dann in Bestbesetzung antritt, müsse man sehen. In Düsseldorf wurde immerhin recht souverän dafür gesorgt, dass sich Zverev nun bis November den Kopf zerbrechen darf.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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