Tennis:Lancelot jubelt

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Der Hamburger Alexander Zverev gewinnt bereits seinen dritten Tour-Titel - und rückt in der Weltrangliste auf Platz 17 vor.

Von Gerald Kleffmann, München

Die Faust des Selbstbewussten: der Hamburger Alexander Zverev beim Finalsieg in München. (Foto: Christof Stache/AFP)

Gegen Mittag hatte sich Alexander Zverev noch warm gespielt. Auf dem Platz gegenüber dem Vip-Zelt schlug er Bälle. Es nieselte. Dann wurde der Regen stärker. Zverev spielte weiter. Er stand an der Grundlinie, lange Trainingshose, langärmeliges Hemd, er peitschte die Vorhand, während es auf sein wuscheliges Haupt tropfte. Zverev hätte auch in eine benachbarte Halle fahren können. Aber dann hätte er nicht die Wirklichkeit simuliert. Er wusste: Nachher wird das Wetter nicht viel besser. Dies sind kleine Begebenheiten, die einiges darüber erzählen, wie dieser 20-Jährige seinen Beruf definiert.

Alexander Zverev aus Hamburg hat dann tatsächlich das Turnier in München gewonnen, nachdem das Endspiel ab 16.18 Uhr aufgenommen werden konnte, mit gut dreistündiger Verspätung. So wie sein Clan seine Karriere plant, Schritt für Schritt, fügt sich der dritte Titel des Aufsteigers schlüssig in die Vita. Zverev ist ja auch stark russisch geprägt, die Eltern Alexander und Irina waren exzellente Spieler, in der UdSSR. Im September gelang ihm der erste Triumph bei einer ATP-Veranstaltung, in St. Petersburg. Das passte. Er spricht fließend russisch. Nun hat Zverev in Deutschland gesiegt. Wie international Zverev aber bereits wirklich ist, war seiner Siegerrede anzuhören. Er war im englischen Teil sicherer als im deutschen Teil. Turnierdirektor Patrik Kühnen sprach er als "Herr Patrik" an. In diesem Moment kam das aber sympathisch rüber. Mit dem 6:4, 6:3- Finalerfolg gegen den Argentinier Guido Pella rückt er in der Weltrangliste auf Platz 17 vor. So hoch stand er nie.

Peter Bosch, Klubpräsident des gastgebenden MTTC Iphitos, verriet, dass er zu Zverev anfangs gesagt habe: "Wir haben dich geholt, damit du hier das Turnier gewinnst." Zverev zuckt bei solchen Kommentaren keineswegs zusammen. Dass da ein deutscher Tennisprofi aufgetaucht ist, der auf hohem Niveau Druck standhalten und Erwartungen erfüllen kann, ist schon eine Nachricht an sich. Und seine Entwicklung lässt sich allein anhand seiner Ergebnisse in München ablesen: 2014 erstmals im Hauptfeld, dank einer Wildcard, damals verlor er gleich. 2015 stand er im Doppelhalbfinale. 2016 im Einzelhalbfinale. Jetzt der Titel. Es ging immer weiter nach oben.

Während andere Favoriten wie der Italiener Fabio Fognini, der bald Vater wird, oder der Franzose Gaël Monfils, der seinen ersten Einsatz nach langer Verletzungspause hatte, mit sichtbar vermindertem Ehrgeiz auftraten und gleich scheiterten, brennt dieser Zverev vor Ehrgeiz bei jedem Schlag. Er kam nicht optimal in sein bislang fünftes Finale. Er kassierte den Aufschlagverlust zum 0:1, lag 2:4 hinten. Er gewann zehn Punkte in Serie, 16 von 19 - 6:4. Als er im zweiten Satz auf 3:0 davonzog, lag seine Quote bei 28 von 34 Punkten. "Er spielte anfangs so", erklärte Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann beeindruckt, "als ob er sich erst mal das Match anguckt. Dann sagte er sich: Okay, dann fang' ich mal an!" Zverev stand nun oft vor der Grundlinie, er schwang den Schläger, als sei er Lancelot. Seine Aggressivität drückte aus: Zverev wollte einfach diesen Titel. "Sehr, sehr viel" würde er ihm bedeuten, hatte er noch am Freitag betont, als er Jan-Lennard Struff mit 7:5, 7:5 aus dem Weg geräumt hatte. Zverev kann auch enge Matches gewinnen. Die Partie am Sonntag war aber eine andere. Am Ende rauschte er in 72 Minuten über den tapferen Pella hinweg, der vor einem Jahr zu den besten 40 Spielern der Welt gezählt hatte.

Zverev ist nun offiziell im Ranking zum weltbesten Profi der sogenannten Next Generation aufgestiegen, die im Spätherbst erstmals, ähnlich wie die Großen in London, eine WM ausspielt, in Mailand. In München sagte er aber klar auf die Frage, ob er nicht auch auf die ATP Finals schiele: "Ja!" Seine Ansprüche sind deckungsgleich zu seinem Selbstbewusstsein. Das ist himmelhoch, aber nicht grundlos. Im September etwa findet erstmals der Laver Cup statt, in Prag. Der Wettbewerb ist ein medial riesig aufgezogenes Duell zwischen Europa und dem Rest der Welt, das Roger Federer mit seinem Manager Tony Godsick organisiert. Zwei der besten Jungprofis sollen eingeladen werden, ist zu hören - und Zverev ist mit oben auf der Liste. Federer steht auf ihn, wer kann das von sich sagen! Der nächste Schritt freilich für Zverev wird sein, bei großen Events zu siegen. "Du musst Grand Slams gewinnen", weiß Zverev auch. In seiner Welt ist ein Sieg wie in München schön. Aber eher ein Zwischenschritt.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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