Tennis:In der guten Stube

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Am Ende leicht zerknirscht: Der 17-jährige Rudolf Molleker am Hamburger Rothenbaum. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Der 17-jährige Rudolf Molleker gilt als ein Hochbegabter im Tennissport. Beim Turnier in Hamburg zeigt sich, dass seinem Spiel noch die Konstanz fehlt.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Am Anfang hatte sich Florian Mayer verabschiedet, der Finalist von 2017. Das 6:2, 1:6, 6:7 gegen den Spanier Pablo Carreno Busta im Erstrundenmatch war sein Abschied vom Rothenbaum, Mayer ist 34 Jahre alt und will im Herbst seine Tenniskarriere beenden. Er sei "nicht mehr bereit, das zu investieren, was nötig wäre, um auf diesem Niveau zu spielen", sagte er nach seinem von Beifall begleiteten dreizehnten Auftritt in Hamburg. Zum Ruhestand überreichte ihm Turnierdirektor Michael Stich eine Hängematte.

Auch für Philipp Kohlschreiber, 34, bleibt ein Sieg am Rothenbaum eine Vision, deren Erfüllung immer unwahrscheinlicher wird. Diesmal stand ein missglückter Vortrag im Auftaktmatch zu Buche, danach wollte er sich in Oberhaching auf das Turnier in Kitzbühel vorbereiten. Er klagte, dass der Georgier Nikoloz Basilaschwili nur deshalb erfolgreich gewesen sei, weil er "volles Rohr draufgehauen" habe und erstaunlich viele Bälle im Feld blieben.

Und weil auch Jan-Lennard Struff (Warstein), Peter Gojowczyk (München) und am Mittwoch noch der ebenfalls in München lebende Daniel Masur gegen den an Nummer zwei gesetzten Argentinier Diego Schwartzman die Segel streichen mussten, ruhte die deutsche Hoffnung allein auf jenem 17-jährigen Oranienburger Rudolf "Rudi" Molleker, den einige Zeitungen nach seinem Erstrundensieg gegen den mittlerweile 36 Jahre alten spanischen Spitzenspieler David Ferrer schon "auf dem Weg zur Weltklasse" gesehen hatten. Doch so weit ist es noch lange nicht. Das zeigte schon das darauffolgende Match gegen die Nummer 123 der Welt, Jozef Kovalik: In nur 52 Minuten hatte der Slowake den Hochgelobten mit 6:4 und 6:0 abgekanzelt. Nichts klappte bei Rudi Molleker, weder die Grundschläge noch die Angriffsbälle, die oft zu lang gerieten.

In der Weltrangliste verbesserte sich Molleker binnen eines Jahres um mehr als 600 Plätze

Danach wurde es interessant. Wie würde das in der Ukraine geborene Talent auf diesen Rückschlag reagieren? Schließlich hatte man dem Freund des Weltranglistendritten Alexander Zverev, der binnen eines Jahres einen enormen Sprung in der Weltrangliste vollbrachte, von Position 923 auf 272, schon einen gewissen Hang zu Arroganz vorgeworfen, unter anderem wegen Handbewegungen, die das Publikum zum Applaus bewegen sollten. Auch, dass er die Tennisanlage am Hamburger Rothenbaum schon nach seinem zweiten Auftritt als "mein Wohnzimmer" bezeichnete, spricht für einiges Selbstvertrauen.

Doch nun gab der 17-Jährige zu: "Alle haben gesehen, dass es eine schlechte Performance war." Es fehle ihm noch die Konstanz. Das hatte ihm schon der Trainer Jan Velthuis vorgeworfen, von dem er sich vor vier Wochen trennte. Momentan sucht er einen neuen Coach, der ihn dazu bringen soll "jeden Tag auf demselben Level" zu spielen. Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann hält viel von den Anlagen des U14-Weltmeisters. "Rudi hat auf jeden Fall das Potenzial für die Weltspitze", sagte er. Molleker sei in den vergangenen 18 Monaten "vom Jungen zum Mann" geworden, er sei menschlich gereift und habe sich "körperlich und beim Aufschlag signifikant verbessert". Auch der 24-jährige Österreicher Dominic Thiem, der als Favorit ins Hamburger Turnier ging, attestiert dem Hochbegabten, der in der zweiten Bundesliga für Rot-Weiß Berlin spielt, große Fähigkeiten. Er habe das Zeug dazu, "es so weit zu bringen wie Zverev", sagte Thiem.

Eine kleine Geschichte hat Molleker am Rothenbaum schon vor einem Jahr geschrieben: Als 16-Jähriger hatte er damals den späteren Turniersieger, Leonardo Mayer aus Argentinien, in der Qualifikation bezwungen, der dann überhaupt nur als "Lucky Loser" die erste Runde erreichte. Doch noch fehlt ein bisschen, um mit seinem Vorbild Alexander Zverev mitzuhalten: Der hatte 2014 als 17-Jähriger in Hamburg schon das Halbfinale erreicht.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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