Tennis:Immer mit der Ruhe

Lesezeit: 2 min

Außergewöhnliches Ballgefühl in jeder Lage: Ashleigh Barty beherrscht das Grundlinienspiel genauso wie Volleys und Schmetterbälle - und sie kann auch alle Schlagtechniken. (Foto: Marijan Murat/Reuters)

Die Australierin Ashleigh Barty unterstreicht beim WTA-Turnier in Stuttgart, dass sie zu Recht die Weltranglisten-Erste ist.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart/München

Unmittelbar vor diesem Finale hatte Anke Huber die beiden Spielerinnen verglichen und kam zu einem zutreffenden Vergleich. Ashleigh Barty agiere "intelligent" auf dem Platz, Aryna Sabalenka dagegen komme über die Kraft. Die Australierin variiere ihre Strategie geschickt, die Belarussin überrolle eher mit ihrem "Powertennis" die Gegnerinnen; "heavy" nannte Huber deren Grundlinienschläge, und dieser Ausdruck trifft es gut: Wenn Sabalenka auf den Ball haut, erinnert das an Maria Scharapowas beste Zeiten (auch das Gestöhne). Weil aber eben Barty, die zurückhaltende Weltranglisten-Erste, mit Cleverness operiert, waren die Voraussetzungen bestens für ein interessantes letztes Match beim wichtigsten deutschen Frauenturnier. Und tatsächlich setzten die zwei exakt ihre Rollen um, wie es Huber, die frühere Spitzenspielerin und jetzige Sportliche Leiterin des Porsche Tennis Grand Prix, prognostiziert hatte. Bartys Klasse setzte sich dann durch, sie gewann 3:6, 6:0, 6:3. Mal wieder.

Für Barty war es der dritte Titel in dieser Saison. Noch vor wenigen Monaten stand sie im Fokus einer großen Debatte. Denn obwohl sie in 2020 kaum Turniere gespielt hatte, war sie zum Jahresende weiterhin als die Nummer eins der Weltrangliste geführt. Einige Änderungen im Regelwerk waren ihrem Punktestand zupass gekommen, so flossen etwa viele Zähler bei ihr immer noch ein, die sie in 2019 während einer starken Phase errungen hatte. Zu Recht hatte Barty Kritikern erwidert, sie habe ja das System nicht festgelegt, doch inzwischen meckert niemand mehr. Möglicherweise ist die Japanerin Naomi Osaka in Topform punktuell die beste Spielerin, wie sie bei den Australian Open mit ihrem zweiten Pokalgewinn dort bewies. Konstanter auf höchstem Niveau allerdings spielt Barty, wie sie in Stuttgart auf ihre typische Art vorführte.

Barty besiegte hintereinander drei Kolleginnen aus den Top Ten

Nach einem Zweisatz-Sieg gegen Laura Siegemund setzte sie sich in hochklassigen Partien über jeweils drei Sätze gegen die Top-Ten-Kolleginnen Karolina Pliskova (Nr. 6), Elina Svitolina (Nr. 4) und Sabalenka (Nr. 5) durch. Weil sie weniger Fehler fabrizierte, mit ihrem Rückhandslice Rhythmen brach, jedes Tempo mitging und dabei stets die Ruhe in Person blieb. "Was passiert, passiert", so hatte sie während der Woche einmal ihre Einstellung definiert. Das mochte trivial klingen, aber auf dem Platz ist dieser Geist eine Wunderwaffe. Würde die schnell aufbrausende Sabalenka nur einen Hauch dieser inneren Balance leben, wäre sie möglicherweise die Weltbeste. Wenige haben so viel Potenzial wie die 22-Jährige.

Barty indes ist der beste Beweis auf der Frauentour, wie sehr Tennis ein Kopfsport ist. Sie bringt so schnell nichts aus der Fassung. Auch nicht die Frage, ob nun eine Herrschaft Barty bevorstehe, so wie Venus und Serena Williams einst herrschten. "Auf keinen Fall, Mate", sagte die am Samstag 25 Jahre alt gewordene da in ihrem wunderbaren australischen Englisch entspannt. "Ich fühle mich überhaupt nicht so", und es klang wie: Sollen sich doch die anderen darüber den Kopf zerbrechen. Ich spiele und siege solange weiter auf den Tennisplätzen der Welt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: