Tennis:Hommage ans Heimspiel

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Glückwunsch vom Altmeister: Boris Becker freut sich mit dem 21-jährigen Alexander Zverev, dessen 6:2, 6:2-Sieg gegen Peter Nagy als höflich bezeichnet werden kann. (Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Auch Boris Becker macht La Ola: Beim lockeren 5:0 gegen Ungarn qualifiziert sich Deutschland direkt für die Davis-Cup-Finalwoche in Madrid - und Alexander Zverev untermauert seine Kritik am umstrittenen neuen Modus.

Von Gerald Kleffmann, Frankfurt

Tim Pütz und Jan-Lennard Struff, das Tim und Struffi genannte Kultdoppel, standen noch auf dem Platz in der Fraport Arena, die Fahne in den Händen, da schritt Andrea Petkovic zur Tat. Sie herzte die anderen Mitglieder des Deutschen Tennis-Bundes hinter der Bande, besonders inniglich knuffte sie Alexander Zverev; kommende Woche wird sie selbst im Fed Cup antreten, in Braunschweig gegen Weißrussland. Kinder drängten nach vorne, ein Selfie hier, eines da, ein paar Autogramme (ja, das gibt es noch), und im Hintergrund applaudierten immer noch viele der knapp 5000 Zuschauer, die dieses ungleiche Davis-Cup-Duell in Frankfurt verfolgt hatten.

Die deutsche Tennis-Männermannschaft hat erwartungsgemäß Ungarn vorzeitig mit 3:0 besiegt, die letzten zwei Einzel zwischen Zverev und Gabor Borsos (552. in der Weltrangliste) sowie Philipp Kohlschreiber und Davis Szintai (jenseits der Top 1000) waren bedeutungslos, aber dafür unterhaltsam (6:3, 6:4 bzw. 6:7 (5:7), 6:3, 10:5). Der Endstand also: 5:0.

Den entscheidenden Punkt schafften Pütz und Struff, die damit auch ihr viertes Match im Davis Cup siegreich beendeten. Beim 6:2, 6:3 gegen Borsos/Peter Nagy gab es kaum einen Moment, in dem sie nicht die Kontrolle über die Gegner hatten, die logischerweise auch im Doppel als Außenseiter aufgelaufen waren. Schon die Ranglistenpositionen aller beteiligten Spieler hatten das Gefälle zwischen beiden Teams zum Ausdruck gebracht. Zverev trat am Freitag gegen den 26-jährigen Nagy an, der nicht mal mehr in der Weltrangliste geführt ist. Das 6:2, 6:2 war sehr höflich von dem 21-Jährigen, der sich am Ende gar ein paar spielerische Experimente leisten konnte. Einmal machte er mit den Fans La Ola. Auch Boris Becker, ehrenamtlich agierender Head of Men's Tennis beim DTB, streckte sich und hatte seine Freude.

Zverev bestätigt seinen Entschluss, in der Finalwoche zu fehlen

Nur einen Krisenmoment hatte das deutsche Team erlebt, als Kohlschreiber (Nr. 32) im ersten Duell am Freitag mit Zsombor Piros (Nr. 371) eineinhalb Sätze lang das gute, alte Kohlschreiber-Tennis vergessen hatte. Immerhin quälte er sich dann doch zu einem 6:7 (6), 7:5, 6:4-Erfolg. Seltsam maue Stimmung hatte dabei zeitweise in der Halle geherrscht, was Zverev später als einziges zu kritisieren hatte. "Ich wünsche mir, wie bei Philipps Match, dass es etwas lauter wäre", sagte er, so habe auch er, etwa bei der Abwehr eines Breakballes, "nur das Klatschen" gehört und demnach "nichts Besonderes". Dieser kleine Aspekt war insofern von Bedeutung, weil es im großen Bild des Davis Cups gerade viel um die Besonderheit von Heimspielen geht, um die Emotionen, das Mitfiebern, den Lärm. Und dies sei vom Aussterben bedroht, jetzt, da der wichtigste Teamwettbewerb reformiert wurde. So sieht das nicht nur Zverev, so sehen das auch andere Spitzenkräfte wie Roger Federer und Novak Djokovic.

Deutschland ist nun, das ist die sportlich relevante Nachricht, direkt für die Finalwoche im November in Madrid qualifiziert. 18 Teams nehmen an diesem neuen Spektakel teil, zumindest setzen vor allem der Internationale Tennis-Verband (ITF) und eine Investorengruppe um den spanischen Fußballer Gerard Piqué darauf, dass ihr Relaunch öffentlichkeitswirksam und monetär aufgeht. Drei Milliarden Dollar über 25 Jahre haben die Herren versprochen. Wie sich das alles rechnen soll, ist noch nicht ganz ersichtlich. Aber in Madrid soll die erste große Ausschüttung erfolgen, so ist ihr Konzept zu verstehen gewesen und so wurde es abgesegnet auf der Generalversammlung aller nationalen Tennisverbände der Welt im vergangenen Jahr.

Zverev mag zwar eine teure Uhr tragen und schnelle Autos fahren, das Materielle jedoch sei, wie er klar machte in Frankfurt, nicht sein primärer Antrieb als Sportler, schon gar nicht im Davis Cup. Und die Reform sei nun mal zum Nachteil vor allem der Topspieler, denen Zeit zur Regeneration geklaut werde, wobei er ausdrücklich nichts gegen Pigué, den Urheber der Reform, persönlich habe, wie er betonte. "Wir waren schon mal essen zusammen. Er ist ein super Typ", sagte er. Doch: "Da können noch so viele Leute mit mir reden. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich bin ein erwachsener Mensch." Demnach bleibe sein Entschluss bestehen: In Madrid wird er fehlen, weil er als Spitzenprofi nach der langen Saison die Terminierung für völlig falsch hält. Und die Art, wie der Wettbewerb nun abläuft, auch. "Ich habe immer Davis Cup nach dem alten System gespielt", sagte Zverev und korrigierte sich insofern richtig, als er ergänzte, er spreche von Heimspielen. Beim neuen System wird er aber passen, wenn es um die Entscheidung geht.

Die deutschen Kollegen haben Verständnis für seinen Weg. Man müsse sich nur anschauen, was Zverev verdiene und er dagegen, sagte Pütz, der als Einzelspieler auf Rang 350 steht und nur mit Mühe in kleinere Turniere kommt. "Mit Geld kann man ihn nicht locken." Auch Michael Kohlmann teilte den Kern der Kritik seines Topspielers, aber als Teamchef und Kapitän ist er natürlich in einer anderen Situation. "Das System ist jetzt erst mal geändert worden, damit müssen wir leben", sagte der frühere Profi. Das Signal, dass seine Mannschaft diesmal noch in Bestbesetzung angetreten sei, wertete er immerhin als sehr positiv. "Das ist ein Zeichen, dass wir das Heimspiel honorieren."

© SZ vom 03.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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