Tennis:Einsam mit Sushi

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Manchmal mit verschlungenen Gedankengängen, wie Andrea Petkovic sie hat, aber mit einer deutlich besseren Matchbilanz: die Japanerin Naomi Osaka. (Foto: dpa)

Auch bei den Frauen rückt nun eine nächste interessante Generation auf: Daria Kasatkina und Naomi Osaka überraschen in Indian Wells.

Von Gerald Kleffmann, Indian Wells/München

Im Rückblick wirkt dieses Video von vor kaum zwei Wochen wie ein Bote des Schicksals. Da standen sie, die Russin Daria Kassatkina und die Japanerin Naomi Osaka, lächelnd, kichernd, wenige Tage vor dem Turnerstart in Indian Wells. Sie waren bereits in die kalifornische Wüste gereist, um an dem Event teilzunehmen, das inoffiziell als fünfter Grand Slam tituliert wird. Kassatkina erklärte Osaka einen Trick, den sie im Schlaf beherrscht, Osaka aber nicht mal ansatzweise. Beim Tweener schlägt man den Ball, wenn man überlobt wurde, beim Zurücklaufen durch die Beine. Osaka probierte es, doch legte sie sich nach einem Fehlversuch verschämt die Hand auf den Mund. Null Talent dafür. Wichtig sei, blieb Kassatkina geduldig, den Ball unten zu treffen, wenn er fast den Boden erreicht habe. Halbwegs klappte es dann. Am Ende strahlten beide in die Kamera.

Die nächste Generation, die im Frauentennis aufrückt, versteht sich also. Das ist die eine gute Nachricht. Die andere: Sie blödeln nicht nur. An diesem Sonntag machten die zwei den Sieg im Finale von Indian Wells unter sich aus, Osaka siegte 6:3 und 6:2. Wie gut die beiden sind?

Osaka, 20, der Vater aus Haiti, die Mutter aus Japan, energisch, konsequent in den Schlägen, bezwang unter anderem die frühere Nummer eins Maria Scharapowa, die frühere Nummer zwei Agnieszka Radwanska, die frühere Nummer eins Karolina Pliskova, die aktuelle Nummer eins Simona Halep. Alle in je zwei Sätzen. Kassatkina, ebenfalls 20, trickreich, listig, firm in allen technischen Varianten, mit denen sich Bälle slicen und spinnen lassen, schaltete aus: die aktuelle US-Open-Siegerin Sloane Stephens. Die aktuelle Australian-Open-Siegerin Caroline Wozniacki. Die zweimalige Grand-Slam-Siegerin Angelique Kerber. Die siebenmalige Grand-Slam-Siegerin Venus Williams, die 17 Jahre älter ist und viel erfahrener. 2017 hatte sie bereits Jelena Ostapenko und Garbiñe Muguruza besiegt, die Champions in Paris und Wimbledon. So gut sind die beiden.

Folglich ist es auch mehr als verständlich und gerechtfertigt, dass jetzt das Frauentennis in heller Aufregung ist. In Indian Wells war man auf vieles vorbereitet, auf ein Supercomeback der Neu-Mama Serena Williams, auf einen Erfolg der Etablierten wie Kerber und Halep, vielleicht auch auf eine Trendwende bei Scharapowa, die nach Verbüßen ihrer Dopingsperre nicht zu alter Klasse zurückfindet und nun wegen Armbeschwerden auf das Turnier in Miami verzichtet. Dafür glänzte: eine junge, frische Generation, wie sie schon seit Jahren bei den Männern beworben wird. Der Deutsche Alexander Zverev, 20 und Weltranglisten-Fünfter, ist eines dieser großen Talente oder auch der Koreaner Hyeong Chung, der Australier Nick Kyrgios, der Amerikaner Frances Tiafoe. Typen wie diese fehlten auf der WTA-Tour, Typen, in denen etwas schlummert, was auf Großes schließen lässt. Die New York Times urteilt wie so viele nun: "Eine neue Welle" rolle aufs Frauentennis zu. Auch wegen Osaka, wegen Kassatkina.

Natürlich sind diese beiden nicht wie Sternschnuppen vom Himmel gefallen, aber die Schritte von Drittrunden- zu Finalspielerinnen sind eben groß. Kassatkina kann mit einem Sieg in die Top Ten einziehen, Osaka nähert sich den Top 20. Aber nicht nur der Aufstieg ist bemerkenswert, auch ihre Persönlichkeiten sind es. Ein bisschen legendär sind schon jetzt die On-court-coaching-Gespräche des Belgiers Philippe Dehaes mit Kassatkina geworden, der ihr mal zuzwinkert, mal fachliche Tipps gibt, dann nur sagt, das Wetter sei klasse, sie soll noch zwei Stunden alles geben. Und sie lacht dazu nett. Kassatkina habe er mit 14 erstmals gesehen, verriet Dehaes jüngst - und sofort geahnt: Da schlummert Großes. Die sei clever. Osaka, trainiert vom Münchner Sascha Bajin, einst Hitting Partner von Serena Williams, verblüfft ihrerseits, abseits des Platzes, mit tiefsten Gedankenschleifen, sie ähnelt da Andrea Petkovic, nur siegt sie deutlich häufiger. Nach dem Coup gegen Halep tat sie kund, dass sie sich freue, klar, andererseits seien ja keine Spielerinnen mehr in Indian Wells, sie sei einsam. Aber dies habe wiederum ein Gutes: Im Spielerrestaurant gebe es mehr Sushi.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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