Tennis:Einfach glücklich

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Zähe Kämpferin auf dem Platz, äußerst gelassen daneben: Simona Halep hat eine erstaunliche Entwicklung genommen. (Foto: Mike Kireev/NurPhoto/Imago)

Die Rumänin Simona Halep gewinnt zwar nicht mehr so viele Matches wie früher, doch mit nun 30 Jahren hat sie komplett zu sich gefunden - auch, weil sie gelernt hat, negative Gedanken zu verbannen.

Von Gerald Kleffmann, Cluj-Napoca/München

Wenn Simona Halep Fragen gestellt bekommt, betreffen diese längst nicht mehr nur rein sportliche Aspekte. Oft wird ihre generelle Einschätzung zu übergeordneten Komplexen verlangt. Und dann antwortet sie wohlüberlegt. Wie zuletzt in Moskau, als sie gegen die Griechin Maria Sakkari im Viertelfinale verloren hatte und trotzdem noch die Muße fand, Stellung zu einem allgegenwärtigen Thema zu beziehen. "Ich bin für das Impfen. Ich selbst bin geimpft", sagte Halep und erinnerte an die Lage in ihrer Heimat: "Wir haben viele Probleme in Rumänien. Die Krankenhäuser sind überfüllt, und die ganze Sache ist sehr dramatisch." Bei der Gelegenheit mahnte sie nochmals eindringlich: "Ich empfehle jedem, sich impfen zu lassen." Die junge Halep hätte sich möglicherweise nicht so pointiert geäußert.

Nun aber ist sie 30 Jahre alt. Vor vier Wochen feierte sie tatsächlich ihren runden Geburtstag, wie doch die Zeit rast. Auch wenn sie aus diversen Gründen - Verletzungen, eine Covid-Infektion - nicht die sportlich prägende Spielerin dieser Saison war, hat Halep eine erstaunliche Entwicklung genommen. Sie ist eine, auf die die Branche hört, wenn sie etwas zu sagen hat. Vor allem auch deshalb, weil sie eine Reife ausstrahlt, die nicht belehrend, sondern gelassen wirkt. Sie ist eine Persönlichkeit geworden, die einst etwas unsicher wirkende Athletin. Und ihr Englisch, das nebenbei, ist natürlich auch viel besser geworden. Auch das gibt ihr Sicherheit.

In dieser Woche spielt Halep in Cluj-Napoca, bei der so wunderbar klingenden Transylvania Open. Es ist ihre erste Teilnahme bei einem WTA-Turnier in Rumänien seit fünf Jahren. Entsprechend steht sie im Fokus; die zweimalige Grand-Slam-Siegerin ist in ihrem Land das, was man unter dem Begriff "Star" versteht. Als sie sich 2019 nach ihrem Wimbledon-Triumph in der "Arena Națională" in Bukarest den Fans präsentierte, bejubelten sie Zehntausende. Mit ihrer dynamischen, wuseligen Spielweise und ihrer Kampfkraft begeisterte sie alle. "Es ist toll für das Land, gegenwärtig eine großartige Athletin zu haben", huldigte ihr die legendäre Turnerin Nadia Comaneci. Und fügte an: "Ich und Ilie (Nastase) sind Teil der Vergangenheit, Simona ist die Gegenwart." Zuschauer werden sie diesmal allerdings nicht anfeuern können. Aufgrund der Corona-Lage wird vor leeren Rängen gespielt.

Ihre Hochzeit organisierte ihr Mann komplett alleine - "ich musste nicht einen Finger bewegen"

Haleps formidable Reputation wurde auch nicht durch ihre sportliche Bilanz seit der Pokalübergabe im All England Club geschmälert. Denn einen großen Major-Titel gewann sie seitdem ja nicht mehr und erreichte auch kein Grand-Slam-Finale mehr. Sie war mal die Nummer eins der Weltrangliste, aktuell wird sie auf Platz 18 geführt. Aber auch solche Entwicklungen stressen sie nicht mehr. Sie geht ihre eigenen Wege.

So war zum Beispiel ihr langjähriges, loyales Arbeitsverhältnis zu ihrem Trainer Darren Cahill ungewöhnlich, selbst wenn sich die beiden kürzlich dann doch trennten. Im Frauentennis neigen die meisten Kooperationen eher zu kurzen Haltbarkeitsdauern. Halep fungiert auch immer öfter als Mentorin für Jüngere. In Cluj-Napoca äußerte sie sich schützend über die US-Open-Siegerin Emma Raducanu. Die 18 Jahre alte Britin hat einen rumänischen Vater. Halep war auch die erste Tennisspielerin von Rang und Namen, die sich beim Impfen fotografieren ließ und um Nachahmung warb. Noch heute hat das Tennis ein Problem mit einer zu niedrigen Impfquote unter den Profis. Bei den Australian Open im Januar können auch ungeimpfte Akteure nach Melbourne reisen und am ersten Grand Slam des Jahres teilnehmen. Die Auflagen sind allerdings streng, eine zweiwöchige Hotel-Quarantäne, so der Stand heute, ist Pflicht. Halep hat, im Gegensatz zu anderen, keine Scheu, die Maßnahmen zu verteidigen. "Australien macht das richtig so mit den Beschränkungen", sagte sie in Moskau jüngst, "es ist hart, aber es ist der einzige Weg, um sicher zu spielen." Manch männlicher Spitzenprofi tut sich mit solchen Erkenntnissen noch etwas schwer.

Halep war nicht immer so aufgeräumt, das gibt sie zu verstehen. "Ich komme aus Rumänien. Rumänen sind ein bisschen negativ im Denken", erklärte sie einmal. "Jeder weiß das. Das ist hier normal." Eine gewisse Selbstironie schwang freilich auch in diesen Sätzen mit; jedenfalls lässt sich konstatieren, dass sie diese innere Schwere, die sie früher schon mal ausstrahlte, los ist. Im September hat sie geheiratet, und zwar den angeblich sehr, sehr vermögenden mazedonischen Geschäftsmann Toni Iuruc, der die Hochzeit komplett in Eigenregie organisierte. "Ich musste nicht einen Finger bewegen", sagte Halep jüngst lächelnd bei einem Turnier. Auf den Fotos, die von den Feierlichkeiten in ihrer Geburtsstadt Constanta öffentlich wurden, strahlte sie einfach nur vor Glück.

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