Tennis:Ein Löwe wie Federer

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Wieder taucht in der Weltspitze der Männertour ein großes Talent auf: Felix Auger-Aliassime aus Kanada. Der erst 18-Jährige ist nach Landsmann Denis Shapovalov, 19, nun der zweite Teenager in den Top 50.

Von Gerald Kleffmann, Miami/München

Ein letztes Mal schlug er beim Stand von 7:6, 5:2, 40:15 auf, der Ball flog hin und her. Ein Angriff mit der Vorhand. In die Defensive gedrängt, versuchte sich Borna Coric zu wehren, mit der Rückhand. Aber dann hatte der Oldie verloren. 22 ist der Kroate jung, doch im Vergleich zu seinem Gegner war er der klar ältere. Das Männertennis erfährt seit einiger Zeit ja eine Trend, der sich 2019 wie selbstverständlich fortsetzt: Aus allen Weltecken tauchen Talente auf, die den Übergang vom Junioren- zum Erwachsenenbereich schaffen. Der nächste Name, den sich die globale Tennisfamilie merken darf, lautet Felix Auger-Aliassime. Der Kanadier ist Jahrgang 2000 - 18 Jahre alt erst also.

Bei einem Match in Wimbledon sahen ihm Vertreter fast aller großen Managementfirmen zu

Bei den Miami Open, einem dieser riesigen neun Turniere der Masters-Serie, die die größten Events nach den vier Grand Slams bilden, steht er im Halbfinale. Als jüngster in der Turniergeschichte seit 35 Jahren. "Die Jugend hat aufgeschlagen", sagte treffend der Kommentator des Branchenkanals Tennis TV und führte aus, Auger-Aliassime zähle zwar zur nächsten Generation, die von der Männertour als "NextGen" vermarktet wird, aber er trete auf, als wolle er allen Zuschauern versichern: "Ihr müsste jetzt schon mit mir klar kommen!"

Aus dem Nichts ist Auger-Aliassime freilich nicht aufgetaucht, er ist seit Jahren jemand, den Tennistrainer, Agenten, Reporter, Sponsorenfirmen und auch Offizielle des kanadischen Verbandes aufmerksam verfolgen. Der freundliche, respektvoll auftretende Auger-Aliassime war fast immer seinen Jugendjahrgängen voraus, in denen er noch hätte spielen können, er hat quasi mehrmals seine Klassen übersprungen. In Wimbledon bestritt er vor zwei Jahrem in der Juniorenkonkurrenz einmal ein Match auf den Außenplätzen, am Zaun entlang standen Vertreter im fast aller großen Managementfirmen, auch Max Eisenbud, der listige Berater von Maria Scharapowa, schaute zu. Einer, der Rekord auf Rekord bricht, weckt eben Erwartungen. Noch als Jugendlicher wurde Auger-Aliassime Profi. Das Talent hat er von Vater Sam, der aus Togo stammt und Tennislehrer ist.

Auger-Aliassime ist nun der aktuell zweite Teenager, der in die Top 50 der Weltrangliste aufsteigt (vor dem Halbfinale gegen John Isner war ihm schoin Rang 33 sicher). Bei den Australian Open schied er noch in der zweiten Runde der Qualifikation aus, aber dann entfaltete er seine Schubkraft: In Rio, bei einem ATP-Turnier der 500er Kategorie (Masters-Turniere sind 1000er) erreichte er das Finale, das er gegen den Serben Laslo Djere verlor. In São Paulo stand er im Viertelfinale. 2019 beförderte schon fünf Kollegen aus den Top 20 aus dem Wettbewerb. Im sportbegeisterten Kanada ist die Euphorie groß, von einer "teen tennis sensation" schreibt der Toronto Star. "Alle sind super aufgeregt zu Hause", das bekam Auger-Aliassime in Florida mit, "es ist toll, all die guten Kommentare zu hören. Das gibt dem kanadischen Tennis viel Vertrauen." Er selbst ist im kanadischen Verbandszentrum in Montreal angedockt.

Auger-Aliassime hat mit Roger Federer etwas gemeinsam: Beide haben am 8. August Geburtstag

In der Tat ist es um Kanadas Perspektive gerade blendend bestellt: Der zweite Teenager in den Top 50 ist Denis Shapovalov, 19, der russische Eltern hat und in Tel Aviv geboren wurde, die Eltern zogen mit ihm, als er ein Baby war, nach Richmond Hill in Kanada. Shapovalov ist bislang gar der jüngste, der je bei einem Masters-Turniere im Halbfinale stand, 2017 in Auger-Aliassimes Geburtsstadt Montreal. Bei den Frauen ärgert die 18-jährige Bianca Andreescu neuerdings nicht nur Angelique Kerber auf dem Platz, sondern schoss ebenfalls hoch im Ranking, vor allem nach ihrem furiosen Titelgewinn in Indian Wells. Es passt zur neuen Generation im Tennis, dass Andreescus Stammbaum sich in andere Länder verzweigt; ihre Großeltern stammen aus Rumänien. Frances Tiafoe wiederum, der in Miami gegen Shapovalov um den Einzug in sein erstes Masters-Halbfinale kämpft, ist auch erst 21, seine Eltern immigrierten aus Sierro Leone in die USA. Die Lebensläufe vieler neuer Talente sind in jedem Fall interessant und spiegeln wieder, wie die Welt sich verändert.

Der nächste Schritt, den die NextGen im Hier und Jetzt vor sich hat, ist das Mitmischen um Grand-Slam-Titel. Alexander Zverev, 21, der Hamburger mit den russischen Tenniseltern, hat mit drei Masters-Titeln und dem Triumph beim ATP-Finale in London vorgemacht, dass bei Wettbewerben im Best-of-three-Satzmodus die Macht der Branchenriesen wie Roger Federer, RafaelNadal und Novak Djokovic durchbrochen werden kann; bei Grand Slam sind drei Gewinnsätze nötig. Der Russe Karen Chatschanow, 22, besiegte beim Masters-Finale in Paris-Bercy auch Djokovic. Bei den Australian Open im Januar hatte Tiafoe das Viertelfinale erreicht, der Grieche Stefanos Tsitsipas, 20, hatte dort Federer besiegt und war erst im Halbfinale gescheitert. Die Einschläge der jungen Emporkömmlinge nehmen zu. Zum Gefallen von Federer, 37, der schwärmte: "Ich kann keinen herausheben. Es ist eine großartige Gruppe."

Der Schweizer selbst hat im Übrigen zur Erstarkung der jungen Konkurrenz beigetragen, er trainiert immer wieder mal mit ihr. Im Winter stand er mit Auger-Aliassime in Dubai auf dem Platz, der später bei Radio Canada von dieser Erfahrung schwärmte: Federer ist, unabhängig seines Legendenrangs, vor allem ein sehr guter Mensch." "Zu sehen, was Felix in den letzten Wochen geschafft hat, ist unglaublich", gab Federer zurück, den eine Gemeinsamkeit mit Auger-Aliassime verbindet, trotz 19 Jahren Altersunterschied: Beide haben am 8. August Geburtstag, mit Sternzeichen Löwe. Ein Zufall, aber ein passender.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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