Tennis:Die Zugabe fällt aus

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Tommy Haas bei einem Match in Hamburg. (Foto: dpa)

Tommy Haas verabschiedet sich mit einer Niederlage von den Tennis-Fans in seiner Geburtsstadt Hamburg - das ATP-Turnier dort kämpft weiterhin mit Problemen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Die Legendenspiele am Hamburger Rothenbaum haben Tradition. Ein paar Tennis-Altstars versuchen seit Jahren, den Appetit der Fans auf die German Open mit ungewöhnlichen Einlagen anzuheizen. Gegner bei diesen Retrospektiven ist immer der Turnierdirektor Michael Stich, der als Profi 1993 in seinem Tennis-Wohnzimmer das Turnier gewann. Er misst sich dann mit früheren Rivalen, etwa mit Goran Ivanisevic (2015), Yannick Noah (2010) oder Mansour Bahrami (2009). Letzterer amüsierte das Publikum gern mit clownesken Einlagen (Volleys im Liegen, Stopps im Sitzen, Returns vom Linienrichter-Stuhl aus). Sogar der Komiker Otto durfte schon das Racket schwingen, um die Anhänger in Feierlaune zu bringen.

Rudolf Molleker bot eine schöne Geschichte - der 16-Jährige qualifizierte sich fürs Hauptfeld

Auch diesmal gab es ein Legenden-Match zur Einstimmung auf die 111. Auflage des Turniers am Rothenbaum, das ja seit dem Verlust des Masters-Status 2009 nur noch ein Mittelklasse-Event ist. Doch diesmal blieben erheiternde Zugaben weitgehend aus, weil es für den einen um mehr ging als um ein paar spaßige Ballwechsel. Der Hamburger Stich, 48, traf auf den gebürtigen Hamburger Tommy Haas, 39. Haas, nach etlichen Blessuren nur noch 249. der Weltrangliste, begeht nach 21 Profijahren nicht nur eine "emotionale" Abschiedstour, wie er selbst sagte. Er sollte bei seinem zwölften Auftritt in der alten Heimat sogar das Aushängeschild dieser Veranstaltung sein - weil ansonsten kein Publikumsmagnet dabei ist. Da gestattete Haas sich vor 6500 Zuschauern kaum Gags bei seinem 6:1, 6:3 über den Altmeister.

Doch der Wunsch, noch einmal die Attraktion dieser Hamburger Woche zu sein, war nur ein Traum. Am Dienstag um 16.43 Uhr hatte der 15 Jahre jüngere Argentinier Nicolas Kicker ihn mit 7:5 und 6:2 fast so locker besiegt wie einen aufgeregten, fehlerhaften Qualifikanten. Ihm seien "zu viele Gedanken" durch den Kopf geschossen, gab Haas zu, er habe nicht mehr zu seinem Spiel gefunden. Michael Stich bedankte sich trotzdem dafür, "dass du uns in zwanzig Jahren viel gegeben hast". Dann bekam Haas eine Uhr, "in der die Batterie immer weiter läuft" - ganz im Gegensatz zu seiner nun fast beendeten Karriere. Am Mittwoch will Haas noch einmal "rausgehen" auf den Platz, um mit dem Youngster Daniel Altmaier ein Doppel zu spielen, danach geht es ein letztes Mal nach Kitzbühel.

Haas, der in der Nähe des Rothenbaum zur Schule ging und auf dem Areal schon als Steppke Vorbilder wie Noah oder Stich bewunderte, lebt seit Jahren in Los Angeles. Dort will er seinen Job als Turnierdirektor von Indian Wells ("Ein Ganztags-Job") ausbauen. Vielleicht wird er dort irgendwann Rudolf Molleker begrüßen. Der für den LTC Berlin spielende 16-jährige überraschte bei seinem ersten ATP-Einsatz die Experten. Der bisherige 923. der Weltrangliste hatte sich erst am Sonntag gegen den Argentinier Leonardo Mayer fürs Hauptfeld qualifiziert, am Dienstag lieferte er dem 891 Plätze vor ihm liegenden Russen Andrej Kuznetsov beim 4:6, 3:6 ein fast gleichwertiges Duell. Fast ließ er Michael Stich ein wenig träumen von einem am Rothenbaum aufgegangenen neuen Stern. Jedenfalls fand Stich, "dass die Story ein wenig an Alexander Zverev" erinnert".

Es wäre zu schön gewesen, denn es wird offenbar immer schwieriger, ein prominentes Teilnehmerfeld zusammenzustellen. Der Versuch, Größen wie Rafael Nadal oder Stanislaw Wawrinka zu verpflichten scheiterte. 2015 hatte Stich Nadal, gerade von einer Verletzung genesen, Hamburg noch als ideales Aufbauturnier empfohlen, was dieser dann auch gewann. 2013 hatte Roger Federer die Zuschauer angelockt. Diesmal war selbst der Lokalmatador Alexander Zverev nicht davon zu überzeugen, statt in Atlanta lieber in seiner Geburtsstadt aufzuschlagen. Dazu kamen noch die verletzungsbedingten Absagen der Favoriten Pablo Carreno Busta (Spanien, Nummer 16 der Weltrangliste) und Richard Gasquet (Frankreich, Nummer 30).

Ob das Hamburger Turnier, dem seit 2016 ein Hauptsponsor fehlt, weiter bestehen bleibt, ist derzeit ungewiss. Stich selbst, der mit seinem Unternehmen "Hamburg Sports and Entertainment" auch nach Ablauf seines Vertrages mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB) 2018 gern "das Turnier weiterentwickeln" möchte, erwartet am Freitag ein wichtige Gespräch mit dem DTB. Dabei geht es nicht nur um Zukunftspläne des Clubs an der Alster, der Besitzer des Geländes ist und den alten, 13 000 Besucher fassenden Centre Court abreißen und durch einen neuen, kleineren ersetzen will. Auch die Umwandlung von einem Sand- in einen Hartplatz wird weiterhin diskutiert, um Chancen zu haben, wieder zum Mastersturnier aufzusteigen. Es gibt neben Stich mindestens drei andere Bewerber für die Turnier-Organisation. DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff kündigte an, man werde die Lizenz nicht mehr so billig hergeben wie vor zehn Jahren. Auch die Stadt Hamburg müsste wohl mehr zahlen als die bisherigen 100 000 Euro pro Jahr.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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