Tennis:Der neue Karlsson vom Dach

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Jubel mit besonderem Hut: Oscar Otte zieht ins Halbfinale der BMW Open ein. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Der Kölner Oscar Otte, 28, spielt sich mit Leidenschaft ins Halbfinale des Münchner ATP-Turniers - und rückt nun gar in die Top 50 der Weltrangliste vor.

Von Gerald Kleffmann

Kaum war der Einlass geöffnet an diesem herrlichen Frühlingstag, war es wieder zu vernehmen: das Knirschen der Kieselsteine. Vor allem auf dem Weg vor dem schönen Klubhaus. Von dort hat man bereits einen ersten Blick auf einen der Tennisplätze, an diesem Freitagvormittag versuchte der Norweger Casper Ruud, sich etwas für sein am Nachmittag angesetztes Match in Schwung zu bringen. Immer mehr Menschen drängten aufs Areal des MTTC Iphitos, und als längst bereits die erste Partie des Tages lief zwischen dem Serben Miomir Kecmanovic und dem Georgier Nikolos Bassilaschwili, strömten weitere Besucher hinein. Rund 5500 waren es insgesamt.

So gab es etwas zu bestaunen, an das man sich hier nur vage erinnern konnte: Staus vor den Eingängen zum Stadion. "Wir sind dankbar, dass wir wieder unter solchen Bedingungen die Veranstaltung durchführen können", sagte Turnierdirektor Patrik Kühnen, "genau das ist es, was Turniere ausmacht: Wenn von den Zuschauern der Funke auf die Spieler überspringt und umgekehrt." 2021 hatten die BMW Open zwar stattgefunden, jedoch waren Zuschauer aufgrund Corona-bedingter Sicherheitsmaßnahmen nicht zugelassen; 2020 fiel das Turnier aus.

Ehe die Viertelfinals begannen, lud der Deutsche Tennis-Bund (DTB) zu einer Pressekonferenz ein, auf der einiges zur Neuausrichtung des weltgrößten Tennisverbandes kommuniziert werden sollte. Präsident Dietloff von Arnim verkündete auch eine wichtige Personalie, denn nachdem klar ist, dass Klaus Eberhard im Sommer als Sportdirektor aufhört, galt es, diese Stelle nachzubesetzen. Veronika Rücker, 51, die Ende des vergangenen Jahres als Vorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) nach stattlichen internen Querelen aufgehört hatte, wird diese Position übernehmen. "Als wir ihre Bewerbung auf dem Tisch hatten, haben wir gesagt, das ist die Idealbesetzung", sagte Arnim. Rücker arbeitete bereits bis 2011 als Referentin für den DTB, spielte in der Regionalliga und besitzt die A-Trainer-Lizenz. In München stellte sie sich noch nicht vor. Arnim machte klar, dass Rücker sich um den Ausbau der staatlichen Förderung, die Landesstützpunkte und die Themen Tennistraining und Schule kümmern wird. "Sie wird auch eng mit Dirk Hordorff zusammenarbeiten", sagte Arnim weiter. Der ewige Strippenzieher Hordorff, einst Manager von Rainer Schüttler, ist als Vizepräsident für den Leistungs- und Jugendsport zuständig.

"Ich mag München wirklich, wenn auch nicht so sehr wie Köln", sagt Otte

Im Rahmen seines Vortrags hatte Arnim betont, der DTB arbeite auch darauf hin, mehr deutsche Spieler in die Top 50 zu bringen - da passte es gut, dass zumindest an diesem Nachmittag ein Deutscher ins Halbfinale des Münchner Turniers vorstieß. Oscar Otte, in der Weltrangliste auf Platz 62 positioniert, hatte schon am Donnerstag geglänzt, als er den Aufschlagriesen Reilly Opelka (USA) besiegt hatte. Am Freitag bezwang er dann den Chilenen Alejandro Tabilo (ATP-Nr. 91), der als Lucky Loser ins Hauptfeld gerückt war, mit 6:1, 7:6 (1) - und wird in der neuen Weltrangliste am Montag mindestens zu den besten 50 Profis zählen - als 50. im Ranking.

Als der 28-Jährige seinen Matchball verwandelt hatte, war die Stimmung so wie früher, als Tommy Haas hier am Aumeisterweg gespielt hatte. Die Zuschauer klatschten rhythmisch, einige stießen gar Jubelrufe aus. "Ich mag München wirklich, wenn auch nicht so sehr wie Köln", sagte der Rheinländer in der ihm eigenen witzigen Art beim Platz-Interview mit Stadionsprecher Ralf Exel. Nun hat Otte, der sich zum wohl (noch) unbekanntesten zweitbesten männlichen Tennisprofi hinter Alexander Zverev in der Rangliste hochgearbeitet hat, gar die Chance auf sein erstes ATP-Finale. Er trifft im Halbfinale auf Zverev-Bezwinger Holger Rune; der Däne, der am Freitag 19 wurde, besiegte den Finnen Emil Ruusuvuori 6:0, 6:2. Das zweite Halbfinale bestreiten Kecmanovic, der Bassilaschwili mit 7:6 (5), 6:2 besiegte, und Botic van de Zandschulp; der Holländer (ATP-Nr. 40) setzte sich überraschend gegen den Weltranglisten-Siebten Casper Ruud mit 7:5, 6:1 durch. Den besonderen Moment würdigte Otte mit einem besonderen Hut: Er trug eine bunt gestreifte Kappe, mit einem Propeller darauf, Marke Karlsson vom Dach. "Ich versprach einigen Fans, dass ich sie trage, wenn ich gewinne", sagte Otte und lachte. Die neue deutsche Nummer zwei hat Wort gehalten.

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