SZ-Rubrik "Linksaußen":Sport mit Haltung

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Die bayerischen Vereine stehen an der Seite der Ukraine - mit Schweigeminuten und Solidaritätsbekundungen, aber auch mit ganz persönlicher Unterstützung. Das ist wichtig, ob im Großen oder im Kleinen.

Von Andreas Liebmann

Es hätte ein übler Kontrast werden können. Der König vom Ammersee - sofern es jemanden gibt, der ihn nicht kennt - ist ein Teil der Folklore um die Erstliga-Volleyballer des TSV Herrsching, die einst mit dem Slogan "Der geilste Club der Welt" in die Liga kamen, in der festen Absicht, dort Spaß zu haben. Dazu gehört, dass sich ihr Hallensprecher vor jedem Heimspiel die rote Robe überwirft, die Krone aufsetzt und das Publikum mit Späßen und Streichen auf Touren bringt. Auch am Sonntag schritt er unbeirrt im Audi Dome aufs Feld, während draußen gerade Tausende gegen den Krieg demonstrierten, er trug wie immer sein Ganzjahresfaschingskostüm - und dann verlas er ein Statement, das den Angriff auf die Ukraine scharf verurteilte. Ja, es war tatsächlich ein derber Kontrast, gerade dadurch aber auch ein starkes Zeichen.

Ob Sport sich aus der Politik heraushalten sollte? Dann könnte er sich ebenso gut aus dem Leben heraushalten, denn beides hängt nun mal zusammen. Selten ist das so greifbar wie im Augenblick. Bereits am Samstag hatte der Badminton-Erstligist TSV Neuhausen-Nymphenburg neben den Gästen aus Refrath zuvorderst eine Akteurin begrüßt, die gar nicht da war: die Ukrainerin Natalya Voytsekh, über Jahre eine der wichtigsten Spielerinnen. Die 29-Jährige steht nicht mehr im Kader, sie ist hochschwanger; derzeit, so erzählt es Neuhausens Teammanager Philipp Blonck, harrt sie mit ihrem Ehemann in ihrer Geburtsstadt Dnipro aus, wo sie das Haus nicht verlassen darf, im Osten ihres Heimatlandes, aus dem eine Flucht für sie im Moment nicht möglich wäre. "Natürlich haben wir Kontakt", erzählt Blonck, "sehr beängstigend" sei alles, was er da geschildert bekomme. Sie haben ihr also ihre Spiele am Wochenende gewidmet und ein Mannschaftsfoto gemacht, in das sie auch Natalya Voytsekh hineingebastelt haben, um es ihr zuzuschicken - und ihr zu zeigen, dass sie in Gedanken bei ihr sind.

Manchmal kann der Sportverein dann doch noch mehr tun, als nur Zeichen zu setzen

Die Welt ist bislang nicht stehengeblieben, auch die Sportwelt in Bayern nicht, aber sie zeigt Haltung, und das ist wichtig. Jede klare Positionierung hilft, jede Schweigeminute, wie sie etwa der Bayerische Fußball-Verband empfohlen hatte, jedes Symbol der Solidarität, ob im Großen oder Kleinen, in Bundes- oder Kreisliga. Und sei es nur, um sich eines Zusammenhalts zu versichern, der über Freistöße und Ballwechsel hinausgeht, eines Glaubens an gemeinsame Werte.

Und manchmal kann der Sportverein dann doch noch mehr tun, als nur Zeichen zu setzen. Wie im Fall der Tischtennisspielerinnen Iryna Motsyk und Olena Nalisnikovska, die am Mittwoch aus Lwiw und Kiew angereist waren, um dem TuS Fürstenfeldbruck zum Gewinn der Drittliga-Meisterschaft zu helfen. Sie wurden überrascht vom Kriegsausbruch in ihrer Heimat. Viele Vereine, erzählt Teambetreuerin Sandra Peter, hätten sich gleich bei ihr erkundigt, ob es die beiden nach draußen geschafft hätten, quasi mit dem letzten Flieger, und als der TuS dann am Samstag in Chemnitz antrat, da hätten die Gastgeberinnen gesagt: Selten seien sie so froh gewesen, dass ein Gegner bei ihnen in Bestbesetzung erscheint.

Am liebsten würden die beiden nun sofort zurückkehren zu ihren Familien, wo die Väter, der Bruder, der Freund als Reservisten eingezogen wurden und die anderen zurzeit in ihren Kellern leben. Doch sie sollen erst einmal in Sicherheit bleiben. "Sie können so lange bei uns wohnen, wie sie wollen", versichert Sandra Peter. Bis der politische Irrsinn hoffentlich ein Ende findet; und bis dem König vom Ammersee wieder nach Scherzen zumute ist.

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