Stuttgart - Mainz 2:3:Strapaziertes Publikum

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Frust mit Fritzle: Trotz hingebungsvoller Aufholjagd reichte es für die Stuttgarter nicht mehr für ein Unentschieden. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Der VfB Stuttgart verliert zum Rückrundenauftakt nach einer über weite Strecken enttäuschenden Leistung gegen Mainz 05. Die Stimmung bei den Fans droht langsam zu kippen.

Von Tobias Schächter, Stuttgart

Als Stadionsprecher Holger Laser in der 73. Minute des Bundesligaspiels zwischen dem VfB Stuttgart und dem FSV Mainz 05 die Zuschauerzahl bekanntgab, war das ein ziemlich schlechter Zeitpunkt. Eine Minute zuvor hatten die Gäste aus Mainz das 3:0 durch Alexander Hack erzielt und auf den Sitzplatztribünen der Stuttgarter Arena strömten gerade sehr viele der 51.881 Menschen den Ausgängen entgegen. Rund 20 Minuten vor dem Abpfiff wollten viele VfB-Anhänger einfach nicht mehr mit ansehen, wie leicht sich ihre Mannschaft unten auf dem Rasen von pfiffigen Mainzern die Punkte abnehmen ließ. Die Ultras aus der Kurve brachten ihre Unzufriedenheit mit der bitteren Situation im Abstiegskampf und der drohenden Heimpleite mit Rufen gegen die Vereinsführung um Klubboss Wolfgang Dietrich zum Ausdruck. "Dietrich raus" hallte es durch die Arena. Und dann blieb es minutenlang gespenstisch still, während das Spiel so dahinplätscherte. Es war, als kippe die Stimmung in Stuttgart gerade wieder einmal gefährlich.

Doch mit einer seltsam spektakulären Schlussphase konnte die Mannschaft eine Eskalation der negativen Stimmung noch vermeiden. Durch Kopfballtreffer des eingewechselten Nicolas Gonzalez (83.) und von Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf (85.) verkürzte der VfB urplötzlich noch auf 2:3; die Ultras beendeten für das Finale ihr Schweigegelübde und fast wäre dem VfB noch der Ausgleich gelungen - aber der Schuss des eingewechselten Anastasios Donis knallte nur an den Pfosten (86.). Die kuriosen letzten zehn Minuten versöhnten den im Stadion gebliebenen Anhang des VfB zwar nicht, aber er nährte wenigstens die Hoffnung, dass diese Mannschaft sich doch gegen den drohenden Abstieg wehren wird. Und VfB-Trainer Markus Weinzierl durfte seinen Spielern doch noch pflichtbewusst "eine gute Moral" attestieren.

Mainz ist die vielleicht unterschätzteste Mannschaft der Saison

Und dennoch: Statt mit einem Sieg Punkte und Selbstvertrauen zu gewinnen, erlitt der VfB zum Rückrundenauftakt im Abstiegskampf einen empfindlichen Rückschlag. Der VfB verlor nach dem 0:1 (22.) durch ein Eigentor von Santiago Ascacibar (der Argentinier hatten einen Schuss von Jean-Paul Boëtius abgefälscht) Zutrauen und Elan. Die Mainzer hingegen gewannen bis zur Schlussphase die Kontrolle und schienen nach den weiteren Toren von Jean-Philippe Mateta (28.) und Alexander Hack (72.) einem ungefährdeten Sieg entgegen zu sehen. Aber der Verwaltungsmodus tat den Mainzern nicht gut. Und nach dem 1:3 schien sich die Elf angstvoll an die jüngsten Erlebnisse in der Vorbereitung zu erinnern, als sie drei Mal eine 2:0-Führung nicht über die Zeit retten konnte. Diesmal gewannen die Mainzer aber und Sportvorstand Rouven Schröder durfte zurecht konstatieren: "Wir haben die 24 Punkte nicht umsonst." Trainer Schwarz freute sich über die "gute Entwicklung der jungen Mannschaft", die bis auf die aufregende Schlussphase tatsächlich lange eine erstaunlich reife Leistung zeigte. Die Mainzer sind die vielleicht unterschätzteste Mannschaft dieser Saison, sie überzeugen immer mehr auch fußballerisch.

Der VfB hingegen bekommt weiterhin zu leicht zu viele Gegentore und tut sich schwer, Chancen herauszuspielen. Das Torverhältnis des Tabellensechzehnten von 14:38 nach 18 Spieltagen ist verheerend. Zwei von drei Neuzugängen des Winters brachte Weinzierl gleich von von Beginn an: Steven Zuber (Hoffenheim) und Alexander Esswein (Berlin) deuteten auf den offensiven Außenbahnen durchaus an, Verstärkungen zu sein, ohne aber komplett zu überzeugen. Rekordtransfer und Innenverteidiger Ozan Kabak, 18, letzte Woche von Galatasaray Istanbul für elf Millionen Euro verpflichtet, fehlte noch im Kader.

Dass die Stimmung auf den Rängen nicht komplett kippte, lag an der dramatischen Aufholjagd am Ende. Viel dürfen sich die Spieler aber nicht mehr leisten, um die Anhänger nicht zu verlieren. Innenverteidiger Timo Baumgartl weiß: "Die Fans sind ein wichtiger Faktor in Stuttgart, wir müssen sie zurückgewinnen." Doch einfach wird das nicht: Am nächsten Wochenende droht auswärts bei Rekordmeister Bayern München eine weitere Pleite, Baumgartl nennt diese Begegnung daher vorbauend schon einmal ein "Bonusspiel". Die beiden Begegnungen danach - zuhause gegen Freiburg und in Düsseldorf - bezeichnete er allerdings als "überlebenswichtig". Das gilt vor allem auch in Bezug auf die Gunst des Publikums, dessen Geduld nicht mehr lange strapaziert werden sollte. Wobei das Spiel gegen Mainz zeigte: Eine ähnlich stürmische Befreiung aus dem Abstiegskampf wie in der letzten Rückrunde unter Trainer Tayfun Korkut scheint diesmal nur ein Wunschtraum zu sein.

© SZ vom 20.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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