Stuttgart:Kritischer Partner gesucht

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Elf von 15 Partien mit Stuttgart verloren: Markus Weinzierl. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Der neue Sportvorstand Thomas Hitzlsperger fordert nach der nächsten VfB-Niederlage einen Sportdirektor.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Markus Weinzierls Laune war ohnehin schon am Tiefpunkt, er wäre jetzt wohl am liebsten vom Podium aufgestanden, ein paar Schritte nach rechts gegangen und dann durch die Tür hinter ihm verschwunden. Aber nun war da ja noch diese Frage an Ralf Rangnick, und die Frage war auch ein indirekter Affront gegen den VfB-Cheftrainer Weinzierl, der nach nur einem Punkt aus den vergangenen sieben Spielen schon wieder um seinen Job bangt. Ein Reporter hatte die Frage auf der Pressekonferenz nach dem 1:3 des VfB Stuttgart gegen RB Leipzig formuliert.

Die Frage lautete: Ob er, also Rangnick, sich vorstellen könne, nicht in dieser, aber vielleicht schon in der kommenden Saison irgendein Amt beim VfB zu übernehmen. Irritiertes Gelächter im Saal. Weinzierl lächelte natürlich nicht, aber er blieb dann selbstverständlich sitzen, und er war wohl selbst gespannt, wie sein Leipziger Kollege nun darauf antworten würde. Rangnick führte aus, dass er sich in Leipzig pudelwohl fühle und in sieben Jahren etwas Großes aufgebaut habe, auch sein fortgeschrittenes Alter (60) erwähnte er und schloss mit den Worten: Es sei "eher unwahrscheinlich", dass er noch mal zum VfB zurückkehre.

Es gibt sicher Menschen im Umfeld des VfB, die eine Rückkehr des Schwaben befürworten würden. Thomas Hitzlsperger fahndet ja nach seiner Beförderung zum Sportvorstand nach einem Sportdirektor, nach einem streitbaren Geist, der auch mal eine andere Meinung vertritt als er. "Ich hätte gerne einen starken Partner, der kritisch mit uns umgeht", erklärte er am Samstag und fügte hinzu: "Je schneller wir starke Leute reinbekommen, desto besser." An Rangnick hat er dabei bestimmt nicht gedacht, der in der nächsten Saison in dieser Position bei RB mit Julian Nagelsmann als Trainer ein energiegeladenes Duo bilden wird.

Hitzlsperger jedenfalls muss nach der Demission seines Vorgängers Michael Reschke in den ersten Tagen nun unaufgewärmt einen schwierigen Spagat vollführen, der Schmerzen mit sich bringen dürfte. Einerseits muss er Weinzierl, den im Klub nicht wenige für eine krasse Fehlbesetzung halten sollen, unterstützen und stärken. Andererseits muss der frühere Nationalspieler den überschaubaren Trainermarkt sondieren. Beim nächsten Spiel in Bremen am kommenden Freitag wird in jedem Fall Weinzierl die Mannschaft betreuen. "Wir werden in der jetzigen Konstellation weitermachen", bestätigte Hitzlsperger am Samstag: "Wir werden zusammen aufarbeiten, was im Spiel passiert ist und in Bremen hoffentlich drei Punkte mitnehmen."

Nach der Darbietung gegen Leipzig wäre eine Neubesetzung auch nicht vollends vermittelbar gewesen. Der sportlich angeschlagene VfB hat ja immerhin phasenweise respektablen Fußball dargeboten, was auch an einigen Justierungen lag. Weinzierl etwa hatte ein paar Dinge verändert, die man als Signal für einen kleinen Aufbruch und gegen ein Weiter-so werten konnte. Kapitän Christian Gentner saß nur draußen auf der Bank, und in der Abwehr vertraute Weinzierl einer Dreierkette mit Weltmeister Benjamin Pavard als zentrale Autorität, die gegen den Ball zu einer Fünferreihe anwuchs. Auf diese Weise hielten die Stuttgarter "gegen einen saustarken Gegner", wie es Stürmer Mario Gomez formulierte, lange Zeit mit. Mehr noch: Sie waren unmittelbar vor und nach der Pause beim Stand von 1:1 (Steven Zuber hatte die Führung durch Yussuf Poulsen ausgeglichen) sogar die bessere Mannschaft, weil sie endlich wieder so etwas wie durchdachten Fußball spielten, mit hübschen und direkten Passstafetten. "Und zwei hundertprozentigen Torchancen", wie Weinzierl feststellte. Doch den wuchtigen Kopfball von Verteidiger Ozan Kabak (45.) klärte Marcel Sabitzer vor der Linie. Und den schönen Drop-Kick von Santiago Ascacibar wehrte Leipzigs Torhüter Peter Gulacsi ab (64.). In solchen Momenten zeigte sich: Stuttgart fehlt manchmal auch einfach ein kleines bisschen Glück.

Die Tore machte dafür Leipzig, Sabitzer verwandelte einen umstrittenen Freistoß zum 2:1 (68.), und abermals Poulsen (74.) erhöhte auf 3:1. Doch das interessierte die treuesten VfB-Anhänger nicht mehr. Sie hatten ihren Schuldigen für die ganze Misere längst gefunden. "Dietrich raus", brüllten sie und entrollten Plakate mit wenig erfreulichen Sprüchen. Sie wollen, dass Präsident Wolfgang Dietrich den Verein verlässt. Auf Hitzlsperger wartet sehr viel Arbeit.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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