Rechtestreit im Handball:"Da wird Leistung verramscht"

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Wird Heiner Brands Nationalmannschaft schlecht vermarktet? Die Bundesliga sagt ja - und kündigt den Grundlagenvertrag mit dem DHB. Geschäftsführer Bohmann droht sogar damit, die Liga noch stärker auf eigene Füße zu stellen.

Carsten Eberts

Frank Bohmann wollte den drastischen Schritt nicht an die große Glocke hängen - nun kam es eben doch heraus. Die Handball-Bundesliga (HBL), deren Geschäftsführer Bohmann ist, hat bereits Ende September 2010 den Grundlagenvertrag mit dem Deutschen Handball-Bund (DHB) gekündigt. "Wir wollen, dass im deutschen Handball etwas vorangeht. Deshalb war dieser Schritt notwendig", sagt Bohmann. Gelingt beim Krisengipfel Anfang Januar keine Einigung, läuft der Vertrag zwischen Verband und Liga 2012 aus.

Wie viel Geld lässt sich mit Heiner Brands Nationalmannschaft verdienen? Die Meinungen gehen auseinander. (Foto: dpa)

Der Grundlagenvertrag betrifft vor allem die Namens- und Vermarktungsrechte zwischen Verband und Liga. Für 511.000 Euro pro Saison erkauft sich die HBL derzeit ein Stück Selbständigkeit in Sachen Vermarktung; geregelt ist aber auch, dass die Vereine ihre Nationalspieler unentgeltlich für Länderspiele abstellen.

Für Bohmann war die Aufkündigung des Vertrags ein notwendiger Schritt. Er wolle aufrütteln, sagt er, den Verband zum Dialog mit der Liga zwingen. "Die Professionalisierung im Handball muss auch im Verband mit großen Schritten voran gehen", sagt Bohmann zu sueddeutsche.de, "das tut sie momentan nicht." Das betrifft vor allem die Vermarktungsstrategien des DHB für die Männer-Nationalmannschaft: "Die Nationalmannschaft hat einen Werbewert zwischen acht und zehn Millionen Euro im Jahr. Das wird bislang nicht annähernd ausgeschöpft."

Warum versucht die Liga, die Vermarktung der Nationalmannschaft voranzutreiben? Der Grund ist einfach: Nur wenn der DHB mit seinem Aushängeschild mehr Geld verdient, sehen die Vereine eine Möglichkeit, künftig Geld für die Abstellung ihrer Nationalspieler zu erhalten. "Derzeit geben wir die Spieler kostenlos ab und bekommen sie zum Teil ramponiert zurück", sagt Bohmann. Im Fußball zahlt der DFB den Vereinen für ihre Spieler eine Art Tageskopfpauschale. Im Handball ist dies bislang undenkbar.

Bei Weltmeisterschaften bezahlt lediglich der Weltverband (IHF) eine geringe Entschädigung - rund 400.000 Euro, verteilt auf alle rund 360 WM-Spieler. Dies sei "nur eine Geste", sagt Bohmann: "Filip Jicha oder Holger Glandorf kann man damit ganz sicher nicht bezahlen."

Bohmanns Ziele für das Krisengespräch im Januar sind deshalb klar: Lösung A wäre, dass sich Verband und Liga auf einen neuen Grundlagenvertrag einigen, der nicht nur Vermarktungsfragen, sondern auch das Schiedsrichterwesen neu regelt. Hier fordert der Verband langfristig den Einsatz von mehr Profi-Schiedsrichtern, möchte künftig mitreden. Dagegen wehrt sich jedoch der DHB, sieht einen Eingriff in die Kompetenzen des Verbands.

Lösung B: Die Liga stellt sich komplett auf eigene Füße, sagt sich vom Verband los, vermarktet sich komplett selbst, baut ein eigenes Schiedsrichterwesen auf. "Wir streben das nicht an", sagt Bohmann: "Aber ich würde einen schlechten Job machen, wenn wir im Falle des Falles nicht darauf vorbereitet wären."

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Im Verband wurde der drastische Schritt der Liga zwar mit Murren zur Kenntnis genommen - Angst herrscht jedoch nicht. "Die Rechtslage ist eindeutig. Sollte es keine Einigung geben, gehen alle Rechte wie Vermarktung an den DHB zurück", sagt etwa Horst Bredemeier, früherer Bundestrainer und Vizepräsident des Verbands.

Auch eine tiefgehendere Selbständigkeit der Profiliga, wie es etwa im Eishockey der Fall ist, fürchtet er nicht: "Eine wilde Liga will keiner haben", glaubt Bredemeier: "Alle Vereine sind im DHB. Und dieser ist Mitglied im europäischen und im Welt-Verband. Es gäbe also zum Beispiel in puncto Europacup viele bürokratische Hürden."

So weit soll es nicht kommen. Beide Seiten betonen, dass sie an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind. Bredemeier sagt: "Wir werden über jeden Punkt diskutieren. Wir begegnen uns auf Augenhöhe und werden alles dafür tun, damit der Vertrag verlängert wird."

Dies strebt auch die Liga an - jedoch nicht um jeden Preis. Gewisse Dinge dürften einfach nicht mehr passieren, sagt Bohmann: Etwa ein Werbevertrag des Verbands mit einem Versicherungskonzern, der für seine Werbung auf den Trikots der Schiedsrichter geschätzte 70.000 Euro pro Saison zahlt. Bohmann sagt: "Da wird Leistung eindeutig verramscht."

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