Stelian Moculescu:Moculescu verabschiedet sich, eine Volleyball-Ära endet

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Bedient: Stelian Moculescu (links) und Co-Trainer Bogdan Tanase bei der Siegerehrung. (Foto: Sophia Kembowski/dpa)

Er hat Volleyball in Deutschland geprägt wie kein zweiter Trainer: Berlin bereitet Stelian Moculescu beim Playoff-Finale einen äußerst würdevollen Abschied.

Von Sebastian Winter, München

Ein Haus auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Bodensees, Seeblick, natürlich, dazu tollende Kinder im Garten, zwei von ihnen bald fünf und eines fast acht Jahre alt. Ein älterer Herr, der mit ihnen, seinen Enkeln, spielt und schäkert, sich später den Golfschläger schnappt und an seinem Handicap arbeitet. So in etwa malte sich Stelian Moculescu, der Besitzer dieses Hauses, am Montag seinen Ruhestand aus.

Doch zunächst einmal fährt Moculescu, der am Freitag 66 Jahre alt wird und Volleyball in Deutschland geprägt hat wie kein zweiter Trainer, nach Österreich. Drei Wochen Urlaub mit einem alten Freund. An diesem trüben Tag am See sagt er: "Ich bin mit mir im Reinen. Wenn ich ein Kapitel beendet habe und das Buch zuschlage, dann erlischt mein Interesse sofort." Aber geht das so einfach, nach mehr als 50 Jahren, davon 19 in Friedrichshafen?

"Wildfremde Leute haben sich bei mir bedankt"

Am Sonntagnachmittag hat der VfB Friedrichshafen auch das dritte Spiel der Playoff-Finalserie in Berlin verloren, diesmal fast schon demütigend mit 0:3 Sätzen. In der Max-Schmeling-Halle sahen mehr als 8000 Zuschauer in komprimierter Form, was schon offensichtlich war, als Friedrichshafen früh in der Champions League und im deutschen Pokal scheiterte: Der Vorjahres-Meister war schlichtweg nicht konkurrenzfähig auf Spitzenniveau, einfach zu schwach, auch für Berlin, das erstmals das Triple aus Meisterschaft, Pokal und europäischem CEV-Cup gewann. "Berlin hat Volleyball auf eine andere Stufe gebracht", sagte Moculescu am Montag, Friedrichshafen kann dem Tempo der Hauptstädter kaum noch folgen.

Moculescu wusste das, als er bedröppelt mit der Silbermedaille um den Hals neben den Siegern stand. Doch er war auch gerührt, denn ausgerechnet vom Erzrivalen wurde er auf größtmöglicher Bühne mit Ovationen verabschiedet, inklusive Umarmung mit Berlins Manager Kaweh Niroomand. Die Alphatiere waren sich lange in herzlicher Abneigung verbunden. "Wir haben leider nie eine Wellenlänge gefunden, was schade war", sagte Moculescu, den der Rahmen rührte: "Die Art und Weise war à la bonne heure." Danach zog er noch durch die umliegenden Kneipen, "wildfremde Leute haben sich bei mir bedankt".

Warum auch nicht, nach jeweils 13 deutschen Meisterschaften und Pokalsiegen sowie dem Champions-League-Titel 2007 - alleine mit Friedrichshafen. Nicht einmal der mitunter aufbrausende Volleyball-König selbst, der Teams führen konnte, aber nie Teamplayer war, hätte das am 11. September 1972 für möglich gehalten: Als der rumänische Zuspieler sich am letzten Tag der Olympischen Spiele in München von seiner Mannschaft absetzte und später für ein paar Mark auf dem Bau schuftete, weil sein Studium nicht anerkannt wurde. Als er in seiner Heimat nach der Flucht in Abwesenheit zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und erst später begnadigt wurde.

Moculescus Geschichte ist auch die eines Tellerwäschers, allerdings ohne glanzvollen Schlussakkord. Ein Jahr ohne Titel gab es in seinen 19 Jahren in Friedrichshafen exakt einmal: 2013. Der Trainer geht nicht ganz freiwillig, es heißt, wichtige Sponsoren hätten ansonsten dem VfB die weitere Unterstützung versagt. Die neue Klubführung hat ohnehin Tabula rasa gemacht und in den vergangenen Monaten schon den langjährigen Scout, den Co-Trainer, den Geschäftsführer und den Manager aus ihren Ämtern gebeten. Auch bei ihm selbst "kam die Sache relativ zügig", wie Moculescu sagt: "Lassen wir es dabei."

Wenn man so will, hinterlässt der Trainer kein bestelltes Feld, sondern einen allenfalls grob durchpflügten Acker. Nicht einmal die Champions-League-Teilnahme in der kommenden Saison ist sicher, der VfB muss durch die Qualifikation. Als einziger Profi des disharmonischen Kaders, der zudem von vielen Verletzungen gebeutelt war, bleibt bislang Zuspieler Simon Tischer.

Geschäftsführer Sebastian Schmidt will den Klub mit neuen Imagekampagnen entstauben, die Mannschaft verjüngen, deutsche Spieler verpflichten und die Region wieder mehr einbinden. Auf dass das Seevolk seine Volleyballer wieder stärker ins Herz schließt. Es ist in etwa so, wie wenn ein Schwabe zum FC Bayern kommt und Buddha-Figuren aufstellt, aber wer weiß, vielleicht gelingt das Experiment. Moculescu sagt schon mal vorweg: "Es wird schwer genug, dieses Erbe zu verwalten." Sein Erbe.

Der aktuelle Bundestrainer Vital Heynen tritt es zur neuen Saison an, ein Kauz wie Moculescu, aber ganz anders gestrickt. Ein Kommunizierer, Talentsucher, ein Motivator vor dem Herrn. Gut möglich, dass sich Berlin vor dem neuen Trainer mehr fürchten muss als vor dem alten. Die Hauptstädter "betreiben gerade eine Wiederbeatmung des deutschen Volleyballs", wie Manager Niroomand sagt, andere Klubs wie die Halbfinalisten Frankfurt oder Lüneburg streben mit spannenden Konzepten nach oben. Friedrichshafen beatmet sich selbst. Moculescu dachte da schon an seine Enkel, er verspürte am Montag "auch Erleichterung, dass alles vorbei ist". Das Ausland würde ihn noch reizen. Aber nur bei einem ganz tollen Angebot.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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