Das "großartige Spiel", so sagte es St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig nach dem 2:2 zwischen den Hamburgern und Dynamo Dresden, hatte mindestens zwei Hauptdarsteller. Der eine war Sören Gonther. Der frühere Kapitän des FC St. Pauli hatte eine "Gänsehaut", als er erstmals im schwarz-gelben Dresdner Dress ins Millerntorstadion einlief und vor dem Anpfiff offiziell verabschiedet wurde. Die meisten Menschen riefen - von wenigen Pfeifenden abgesehen - noch einmal laut seinen Namen. Der andere trug ein braun-weißes Trikot und hätte, wie schon beim 1:0-Sieg eine Woche zuvor in Bochum, erneut der Entscheider sein können: St. Paulis Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann, der zweimalige Torschütze. Doch als er gefragt wurde, wie sich das alles anfühle, sagte er: "Es fühlt sich an wie eine Niederlage."
"Der Anspruch der Jungs ist eben hoch", sagte Trainer Olaf Janßen, als er mit dem Zitat konfrontiert wurde. Der Anspruch ist, selbst wenn man das nicht offen sagt und lieber die Plattitüde benutzt, man denke von Spiel zu Spiel, die erste Liga. Und wenn man speziell Christopher Buchtmann das vergangene halbe Jahr beobachtet hat, ist dieses Ziel wohl durchaus realistisch. Es gibt viele Profis bei St. Pauli, die im vergangenen halben Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht haben, aber bei keinem ist die Kurve so nach oben geschnellt wie bei Buchtmann.
Wobei dessen Anlagen ja schon früh zu erkennen waren. Schließlich bekam er mit 16 Jahren schon einen Ausbildungsplatz beim FC Liverpool. Ein Jahr später, 2009, stand er in jener U17-Europameister-Elf, in der auch Mario Götze, Shkodran Mustafi, Marc-André ter Stegen und Marvin Plattenhardt ihren nächsten Karriereschritt gingen. Doch dann gingen die Wege erst einmal auseinander. Auch, weil Buchtmann immer wieder langwierige Blessuren ereilten. Deshalb ließ der 1. FC Köln den gebürtigen Mindener 2012 nach Hamburg weiterziehen.
Doch jetzt ist der 25-Jährige gesund, und wenn St. Pauli nicht selbst aufsteigt, wird er wohl im kommenden Jahr kaum noch zu halten sein. Vor allem, weil er - wie seine drei Tore in den ersten beiden Spielen bewiesen - erheblich an seiner Torgefährlichkeit gearbeitet hat. Gegen Dresden schlenzte er den Ball in der 22. Minute mit seinem schwächeren rechten Fuß zum 1:0 ins rechte Toreck. Und in der 69. Minute schoss er einen Pass von Jeremy Dudziak aus 18 Metern so trocken ins Netz, dass Dynamo-Keeper Marvin Schwäbe nur noch verdutzt guckte.
Dass Rettig von einem "kompletten Spieler" spricht, hat wahrscheinlich nicht den Grund, ihn alsbald so teuer wie möglich zu versilbern. Und wenn Janßen von seinem laufstarken Mittelfeld-Motor schwärmt, zählt er gleich eine Reihe von Vorzügen auf: "Sein unbändiger Wille, seine Energie, seine Fokussierung und sein klarer Kopf sind große Qualitätsmerkmale", sagte Janßen gerade dem kicker.
Dass das am Montagabend nicht zum Sieg reichte, hatte auch mit einer gut organisierten Vorstellung der Dresdner zu tun, die zweimal durch Marco Hartmann (29.) und Lucas Röser (73.) den Ausgleich erzielten. Und ein wenig auch, weil Buchtmanns genialer Pass auf Sami Allagui nicht mit dem 3:1 belohnt wurde, weil Schiedsrichter Guido Winkmann das Tor annullierte. Allagui stand vermutlich nur um wenige Millimeter im Abseits. So ist das mit dem Fußballglück. Aber die Bundesliga ist womöglich trotzdem keine Utopie mehr - weder für Buchtmann, noch für den FC St. Pauli.