Springreiten:Es waren einmal vier Reiter

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Kommt ein Schimmel geflogen: Meredith Michaels-Beerbaum nimmt mit Fibonacci ein Hindernis auf dem Weg zu Platz drei. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Die deutsche Spring-Equipe erkämpft sich Bronze im Stechen gegen die Kanadier - und versteht das auch als Plädoyer gegen ein neues Format. Den Olympiasieg erkämpft sich die Mannschaft aus Frankreich.

Von Gabriele Pochhammer

Am Ende gab es doch noch eine Medaille für die deutschen Springreiter in Rio. Nicht das Gold, auf das sie nach den glänzenden Vorleistungen in den ersten beiden Springen gehofft hatten. Aber Bronze. Doch ehe Christian Ahlmann auf Taloubet Z, Meredith Michaels-Beerbaum auf Fibonacci, Daniel Deußer auf First Class und Ludger Beerbaum auf Casello zur Siegerehrung einreiten konnten, mussten sie noch mal zum Stechen gegen die Kanadier antreten, mit denen sie mit je acht Punkten pro Mannschaft gleichauf lagen. Die Franzosen hatten sich schon mit der dritten abwurffreien Runde den Olympiasieg gesichert, zu Buche standen nur drei Zeitfehler. Die US-Reiter gewannen mit fünf Fehlerpunkten Silber. Nachdem im Stechen dann zwei Kanadier je einen Abwurf kassiert hatten, die drei ersten deutschen Reiter hingegen fehlerlos geblieben waren, war die Aktion Medaillenrettung erfolgreich abgeschlossen. Die vierten Reiter mussten nicht mehr antreten. Ludger Beerbaum brauchte seinen Casello erst wieder zur Siegerehrung aus dem Stall holen.

Zwar blieben am Mittwoch insgesamt 16 Reiter ohne Abwurf - darunter aber zunächst kein Deutscher. Nur durch Beerbaums makellosen Ritt konnte die Mannschaft von Bundestrainer Otto Becker dann überhaupt noch mit Kanada um die Medaillen stechen. Für Beerbaum war es bei seinem siebten Olympiastart die fünfte Medaille, die anderen vier waren aus Gold. "Es war spannend und mehr als knapp" sagte Bundestrainer Otto Becker. "Das Team hat sich die Medaille verdient, alle haben das ganze Jahr darauf hin gearbeitet."

Der erste deutsche Starter, Christian Ahlmann, begann mit Taloubet Z recht flott. An einem mit einem auffälligen Wellenmuster bemalten Steilsprung guckte der Hengst etwas überrascht. Ein Sekundenbruchteil Unaufmerksamkeit genügte, die Flugkurve wurde zu flach, die Planke fiel zu Boden. Meredith Michaels-Beerbaum, wie Ahlmann in den bisherigen Springen ohne Fehler, kassiert mit Fibonacci einen Abwurf am allerletzten Hindernis. "Das war mein Fehler", gab sie enttäuscht zu. Der Parcours sah durch die luftig aufgebauten, für die Pferde nicht so leicht einzuschätzenden Hindernisse sehr schwer aus. "Viel schwerer als an den anderen Tagen", fand ihn etwa Christian Ahlmann, "die Hindernisse waren höher und breiter." Die meisten Reiter kamen passabel durch, kassierten allerdings ein oder zwei Zeitfehler; wer zu schnell ritt, riskierte wiederum einen Abwurf.

Für den 52-jährigen Beerbaum war es vermutlich der letzte Auftritt in Rio, womöglich sein letzter Olympiastart. Als nur viertbester Deutscher, belastet mit acht Fehlerpunkten nach drei Runden, darf er nicht mehr zum Einzelfinale am Freitag antreten, weil einer IOC-Regeln folgend nur drei Reiter pro Nation im Endkampf zugelassen sind. Das werden, das Okay in der Tierarztkontrolle vorausgesetzt, nun Ahlmann, Deußer und Michaels-Beerbaum sein. Auch wenn eines der drei deutschen Pferde ausfällt, kann Beerbaum laut Regelwerk nicht nachrücken. Dabei hat er am Ende mit seinem hoch konzentrierten, fehlerfreien Ritt dafür gesorgt, dass es überhaupt eine Medaille gab. Den Druck, dass an seinem Ritt alles hing, habe er nicht gespürt, sagte Beerbaum. "Ich hatte keine besondere Taktik. Ich habe nicht lange hin und her gedacht. Wenn man anfängt, zu überlegen und zu grübeln, geht es meistens schief. Und ich bin überglücklich, dass es geklappt hat."

Nicht eine Sekunde seien seine Gedanken beim Einzelspringen am Freitag gewesen. "Ich bin so dankbar, dass die Mannschaft das Vertrauen in mich gesetzt hat." Dann klang er schon ein bisschen wehmütig: "Dies war heute ein besonders emotionaler Tag für mich, in dem Bewusstsein, das es nicht mehr so viele solche Tage in meinem Leben geben wird, wenn überhaupt. Ich bin überglücklich, das Schicksal hat es gut mit mir gemeint." Weitere Zukunftspläne verriet Ludger Beerbaum nicht. Der Frage nach dem Karriereende wich er aus: "Dazu werde ich jetzt nichts sagen, ich muss erst ein paar Mal darüber schlafen. Vielleicht in vierzehn Tagen."

Seinen womöglich letzten Olympiaauftritt nutzte Beerbaum für einen glühenden Appell für das jetzige Formt mit vier Reitern, von denen das Ergebnis des schlechtesten gestrichen wird. Die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) möchte künftig nur noch drei Reiter an den Start bringen, weil dem IOC ein gestrafftes Programm gefallen würde. "Wir haben heute gesehen, wie spannenden Sport diese Formel ermöglicht", sagte Beerbaum. "Es war die reinste Achterbahnfahrt. Das macht den Sport so spannend. Ich plädiert ganz entschieden dafür, das Format nicht zu verändern."

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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