Springreiten:Ein Ruck - und alles ist wieder gut

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Wieder in der Auswahl: Christian Ahlmann, Bronzegewinner mit der Mannschaft in Rio, verstärkt ab dieser Woche die deutsche Equipe. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Christian Ahlmann und Daniel Deußer kehren beim Nationenpreis in Aachen ins deutsche Team zurück.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Er freue sich riesig, sagt Christian Ahlmann. Auf seinen ersten Nationenpreis mit der deutschen Mannschaft seit drei Jahren und dann noch in Aachen vor eigenem Publikum, am Donnerstagabend. Es läuft zur Zeit gut für den 44-Jährigen. Innerhalb von wenigen Tagen wurde seine Tochter Ella geboren, gewann er die Global Champions Tour in Paris, gab er sich einen Ruck und unterschrieb die Athletenvereinbarung mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). "Ich weiß nicht, ob das alles zusammenhängt," sagt Ahlmann, "aber es kann sein, dass man befreiter aufschlägt, wenn viele Dinge geregelt und aus dem Kopf heraus sind."

Lange Gespräche waren nötig, bevor Ahlmann und Daniel Deußer ins Team von Bundestrainer Otto Becker zurückkehrten. Deußer unterschrieb schon im Frühjahr die Vereinbarung, Ahlmann erst jetzt. Alte Streitigkeiten wegen Dopings beziehungsweise verbotener Medikation hatten einen Graben zwischen den Sportlern und ihrem Verband aufgerissen, den zuzuschaufeln lange nicht gelang. "Dass das nach so langer Zeit auf einmal so schnell gegangen ist, war echt überraschend", sagt Ahlmann. Die FN kam den Reitern entgegen, setzte Strafgelder für schlampig geführte Stallbücher, in denen nicht wie vorgeschrieben jede Medikamentengabe verzeichnet ist, für dieses Jahr erstmal aus und belässt es bei Ermahnungen. Außerdem hat die FN für den Herbst einen runden Tisch angekündigt, bei dem auch die Aktiven zu Wort kommen sollen. "Davon weiß ich zwar nichts", sagt Ahlmann, "aber ich mache gerne mit." Andere Dinge, die die Reiter ändern wollten, bleiben, wie sie sind, etwa der Verzicht auf den Gang zu einem öffentlichen Gericht und Anerkennung der Sportgerichtsbarkeit. "Es gibt keine Extraverträge für die beiden", betont Becker.

Das Einlenken mag auch damit zu tun haben, dass beide wieder erstklassige Pferde haben

Was Ahlmann zum Einlenken bewogen hat, lässt sich sowieso nicht in geschriebene Regeln fassen. Es geht um Emotionen und Befindlichkeiten. "Auf einmal hat sich das Blatt gewendet", sagt er. Er habe wieder das Gefühl, dass der Verband voll hinter ihm steht und nicht nur punktuell. Vor allem Verbandspräsident Breido Graf zu Rantzau habe sich mit "viel Herzblut" bemüht, die beiden zurückzuholen. Der bezeichnet es bis heute als größten Fehler seiner Amtszeit, dass der deutsche Reiterverband beim internationalen Sportgerichtshof Cas nach den Olympischen Reiterspielen 2008 in Hongkong eine verschärfte Strafe wegen Dopings gegen Ahlmann erwirkt hat. Der Weltreiterverband hatte bloß auf die minderschwere "verbotene Medikation" plädiert; es ging um die bei insgesamt fünf Olympiapferden gefundene Wärmesalbe Capsaicin. Bei den Spielen in Rio 2016 gehörten Deußer und Ahlmann zur Bronzemannschaft. Erst ab 2017 verweigerten sie die Unterschrift und waren damit nicht mehr im Kader. Das Einlenken mag auch damit zu tun haben, dass beide wieder, anders als vor zwei Jahren, über erstklassige Pferde verfügen.

Bundestrainer Otto Becker, der Deußer und Ahlmann aufnahm wie ein Vater seine verlorenen Söhne, ist für jeden Klassereiter dankbar, mit dem er planen kann; so viele Gute gibt's zur Zeit nicht. Dass beide unverzüglich ins Team für Aachen berufen wurden, war demzufolge keine Überraschung. Becker ist optimistisch, wenn die deutschen Reiter auf der in Flutlicht getauchten Soers versuchen, den vierten Aachener Nationenpreis nacheinander zu gewinnen; es wäre der erste in dieser Saison.

Seine vier Teamreiter sprangen sich schon am Mittwoch in einer kleineren Prüfung warm, alle blieben ohne Abwürfe. Daniel Deußer auf dem zwölfjährigen Calisto Blue blieb auch in der Zeit. Sein bestes Pferd Tobago ritt er im Preis von Europa; er hofft auf einen Start am Sonntag im Großen Preis von Aachen, einer Station des Grand Slam. Ahlmann bereitete sich mit den Schimmelhengst Clintrexo bei einer ruhigen Runde mit lediglich zwei Zeitfehlern vor. Mit dem Sieger von Paris, Take a Chance, hat er eine weiteres junges Talent: "Der hat sich gut entwickelt, und der Weg ist noch nicht zu Ende", sagt Ahlmann. Auch Simone Blum und Alice sind vor dem Nationenpreis wieder in guter Form, nach einem Winter voller Komplikationen, in dem die frisch verheiratete Weltmeisterin wegen einer Schulteroperation längere Zeit pausieren musste. Gut für Alice, die sich in Aachen wie zuvor auf den ersten Frühjahrsturnieren frisch und munter präsentierte.

Marcus Ehning, die Säule des deutschen Teams bei den Championaten der vergangenen beiden Jahre, muss derweil auf ein Pferd zurückgreifen, das bisher in der zweiten Reihe stand - den 14 Jahre alten Funky Fred, mit dessen Vater For Pleasure Ehning einst Mannschaftsolympiasieger und -europameister wurde. Sein WM-Pferd Pret A Tout ist verletzt, Cornado und Comme il faut sind anderweitig beschäftigt, unter anderem als Zuchthengste im Deckeinsatz.

Wie immer der Nationenpreis endet, für Christian Ahlmann ist es ein besonderer Tag. "Eigentlich ist es ja ein ganz normales Mannschaftsspringen, bei dem es keine Punkte für die Nationenpreisserie gibt, sagt er: "Aber es wird eine tolle Stimmung bei ausverkauftem Haus sein. Das ist, als ob Schalke gegen Dortmund spielt, das ist auch wichtiger als die deutsche Meisterschaft."

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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