CHIO Aachen:Da springt ordentlich was raus

Lesezeit: 3 Min.

Der österreichische Springreiter Max Kühner reitet auf Elektric Blue P. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Viele Top-Reiter sind heute auch Pferdehändler, etwa der Münchner Max Kühner. Die reiche Kundschaft aus Übersee und vom Golf schickt ihre Späher sogar zu Provinzturnieren - aber das perfekte Pferd zu entdecken, ist schwierig.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Was für ein Glück, dass in jenem Winter Anfang der 1980er-Jahre die Schneelage in Kitzbühel so schlecht war. Sonst wäre Max Kühner vielleicht nie zum Reiten gekommen. Kein Skifahren im Winterurlaub, stattdessen Ponyreiten in der Halle. Das war die Initialzündung. Der kleine Max war fortan nicht mehr aus dem Stall zu bringen, die Oma ließ sich erweichen und schenkte dem Enkel das erste eigene Pony, die Familie zog mit - der Beginn einer Springreiterlaufbahn, der so untypisch nicht ist.

Heute ist der 47-Jährige gebürtige Münchner die Nummer 20 der Weltrangliste, Chef eines Turnier- und Handelsstalles mit 65 Pferden in der Nähe von Starnberg und eines Leasing-Unternehmens mit Schwerpunkt Pferde-LKW. Mit Elektric Blue gewann Kühner am Mittwoch in Aachen eines der wichtigsten Springen des CHIO, den Preis von Europa, und ist damit für den Großen Preis von Aachen qualifiziert. Da geht es am Sonntag um eine Million Euro.

Die drei Töchter von Max Kühner und seiner dänischen Frau Liv, einer Dressurreiterin, sind elf und acht Jahre sowie acht Monate alt. "Wir leben unseren Sport", sagt Kühner. Die beiden Älteren sind schon im Springsattel unterwegs. Pferde faszinieren sie. "Sie sind die geborenen Profis", sagt Kühner. Wie äußert sich so was schon im Kindesalter? "Wie sie mit Niederlagen umgehen", sagt er: "Sie wissen, das gehört dazu. Sie sind schon enttäuscht, aber sie wissen, ohne Niederlage gibt es auch nicht den nächsten Erfolg."

Der Münchner Kühner startet für Österreich: Den Wechsel vor einigen Jahren hat Max Kühner keinen Moment bereut. Dort ist er die Nummer eins, kann seine Turnierpläne selbst gestalten, kann zu allen Championaten. "In Deutschland bekam ich zwar viele Chancen in Nationenpreisen, aber es gab immer welche, die deutlich vor mir waren." Er beschwert sich nicht, sondern stellt nur fest: "Für Championate war ich oft auf der Longlist, aber nie unter den letzten Vier. Ich war immer in Warteposition." Heute wäre Bundestrainer Otto Becker wohl manchmal froh, einen Max Kühner im Team zu haben.

Erst studieren, dann reiten: Am Anfang hat Kühner seinen Vater "gehasst" dafür

Bevor er Reiten zu seinem Beruf machen durfte, verlangte der Vater ein abgeschlossenes BWL-Studium. "Ich habe ihn gehasst dafür, es war furchtbar langweilig", sagt Kühner. Das Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge hat ihm aber nicht geschadet, gut reiten reicht nicht mehr für einen florierenden Pferdebetrieb, der auch davon lebt, perfekt ausgebildete und auf Turnieren präsentierte Pferde an zahlungskräftige Kunden nach Übersee, an osteuropäische Oligarchen oder arabische Ölmilliardäre beziehungsweise deren Nachwuchs zu verkaufen.

Kühner hat sich da einen nüchternen Blick bewahrt: "Es ist siebenmal soviel Geld im Umlauf wie vor der Lehman-Pleite", sagt er. "Viele Investoren wollen ihr Geld anlegen in Sachen, die auch Spaß machen, Luxusautos, Boote oder eben Superpferde." Auf sie hat sich inzwischen eine ganze Branche spezialisiert, angefangen von Paul Schockemöhle, über Ludger Beerbaum, der sein Handelsgeschäft unter dem Dach des Hedgefonds Waterland betreibt, bis zu dem Niederländer Jan Tops, der nicht nur Millionenpferde verkauft, sondern mit der Global Champions Tour seinen Kunden auch eine Bühne bietet, auf der sie sich zeigen können, an attraktiven Orten wie London, Rom, Berlin oder Hamburg. Wer mitmachen will, muss sich zumeist einkaufen oder einen Sponsor finden.

Max Kühner startet für Österreich. (Foto: Rudi Gigler/Imago)

Kritiker halten die Global Champions Tour für eine Gelegenheit für Kinder reicher Eltern, sich Startmöglichkeiten und damit verbunden Punkte auf der Weltrangliste zu besorgen, die weniger Betuchten verwehrt bleiben. Max Kühner lässt das nicht gelten. "Ich habe größten Respekt vor Reiterinnen wie Jessica Springsteen, Eve Jobs oder Jennifer Gates. Die sind auch mal auf die Klappe gefallen wie alle, aber sie haben sich wieder hochgerappelt. Und dabei tragen sie einen schwereren Rucksack als wir, nämlich die ständige Aufmerksamkeit der Medien." Die Tochter der Rock-Legende Bruce Springsteen zum Beispiel hat in Tokio zu Olympiasilber und in Aachen zum Nationenpreis-Sieg der USA beigetragen.

Reichtum und gutes Reiten schlössen sich schließlich nicht aus, sagt Kühner. Im übrigen gelte dasselbe Entry System wie für alle anderen Turniere des Weltverbandes FEI: Wer gut genug ist, kann überall starten, ohne extra zu bezahlen. Das hat der Internationale Springreiterclub, bei dem Kühner mit im Vorstand sitzt, so mit der FEI ausgehandelt. Allerdings darf Tops doppelt so viele Reiter seiner Wahl einladen wie andere Veranstalter, ein Zugeständnis der FEI.

Nur wenige Pferde erfüllen die höchsten Ansprüche der Kundschaft. Die anderen sind einfach nur teuer im Unterhalt

Die Nachfrage auf diesen Markt-Segment ist größer als das Angebot. Nur ein kleiner Prozentsatz der Pferde erfüllt die Ansprüche der finanzstarken Kundschaft: springgewaltig, nervenstark, kerngesund, kooperativ und möglichst auch noch hübsch anzusehen. Scouts sind jedes Wochenende auf kleinen und mittleren Turnieren unterwegs, um diese Pferde zu finden.

Der Montag dient meist der Pferdesuche im Internet auf den verschiedenen Streamingkanälen. Ludger Beerbaum richtet im Winter alle zwei Wochen Turniere aus, um mit Züchtern und Besitzern ins Gespräch zu kommen. Und Max Kühner hat einen Mitarbeiter einen Algorithmus entwickeln lassen, der für ihn alle fünf- und sechsjährigen Pferde herausfindet, die 15 Nullrunden hintereinander gedreht haben. Denn er weiß: Nur die allerbesten Pferde steigen so im Wert, wie es sich Investoren erhoffen. Aber die Kosten sind für alle gleich. 3000 Euro im Monat koste ihn ein Top-Pferd, mit Tierarzt, Physiotherapeuten, Reisen, rechnet Kühner vor. "Nur die ganz teuren Pferde holen das wieder rein, sonst fressen einen die Kosten auf", sagt er. Da spricht der Wirtschaftsexperte, Vater Kühner sei Dank.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: