Sportpolitik:Übung in Demokratie

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Viele Tätigkeitsfelder: DOSB-Präsident Alfons Hörmann. (Foto: Guido Kirchner/dpa)

Erstmals muss sich ein DOSB-Präsident einer Kampfabstimmung stellen. Zwar gewinnt Alfons Hörmann gegen Martin Engelhardt ziemlich deutlich. Doch es ist fraglich, ob er aus der Kritik an seinem Stil Konsequenzen zieht.

Von Johannes Aumüller, Düsseldorf

Alfons Hörmann wartete direkt am Fuße des Podiums. Sichtlich angespannt war er, ein paar Vertraute kamen zum Plausch vorbei, bisherige und designierte Präsidiumsmitglieder, auch die DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker. Nach einer knappen Viertelstunde setzte sich Hörmann hin, wie alle anderen Anwesenden im Saal auch. Und als der Sitzungsleiter das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vortrug und um ihn herum der Applaus einsetzte, verharrte Hörmann erst einmal auf dem Stuhl. Einige Sekunden nickte er zufrieden vor sich hin, ehe er auf die Bühne schritt und seine Wiederwahl zum Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes annahm.

383 Stimmen für Alfons Hörmann, 61 für den Gegenkandidaten Martin Engelhardt, so endete diese für den organisierten Sport so ungewöhnliche Kampfabstimmung ums Präsidentenamt. Hörmann, 58, durfte zwar mit dem Votum zufrieden sein und kann sich nun auch klarer legitimiert fühlen als bei den üblichen offenen Abstimmungen, bei denen es nur einen Kandidaten gibt. Aber zugleich dokumentiert der Vorgang die große Unzufriedenheit im Sport - und es ist die zentrale Frage für die nächsten vier Jahre, ob Hörmann daraus Konsequenzen zieht. Zumindest am Samstag sah es nicht danach aus. "Das Wahlergebnis bestätigt uns auf eindrucksvolle Art und Weise in unserem bisherigen Handeln", sagte er: "Ich sage einfach: 86 Prozent sind Antwort genug."

Es war aus vielerlei Gründen ein ungewöhnlicher Schritt, zu dem sich Engelhardt, 58 Jahre alt, im Hauptberuf Orthopäde am Klinikum Osnabrück und seit 2011 zum zweiten Mal Präsident der Deutschen Triathlon-Union (DTU), entschloss. Erstens weil im deutschen Sport Kampfkandidaturen sehr unüblich sind; um das Präsidentenamt des Sportdachverbandes hatte es das noch nie gegeben. Zweitens, weil Engelhardt im kleinen Kreis zwar schon vor wenigen Wochen eine Kandidatur angekündigt hatte, falls sonst niemand gegen Hörmann antrete, er dies aber erst in der Plenarsitzung am Samstag öffentlich mitteilte. Und drittens, weil Engelhardt keinen Hehl daraus machte, dass seine Kandidatur in erster Linie symbolischen Charakter hatte - und ihm wichtig war, dass überhaupt mal jemand kandidiert.

"Ich weiß, dass diese Kandidatur die Wiederwahl des Präsidenten nicht verhindern wird", sagte er in seiner Bewerbungsrede - auch wenn er sicher mit einem besseren Ergebnis rechnete. Aber sein Vortrag und seine späteren Ergänzungen waren eine öffentliche Generalabrechnung mit der Amtsführung des Präsidenten. Hörmann sei kein Brückenbauer und nicht teamfähig; es gebe destruktive Auseinandersetzungen und einen rüden Ton, was auch dazu führe, dass viele gute Hauptamtliche den DOSB verließen; es brauche mehr Vertrauen und Verlässlichkeit sowie mehr Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit; und inhaltlich mehr als die stete Fokussierung auf die Reform des Leistungssports.

Es war in der Versammlung gar kein sonderlich feuriger Auftritt. Aber es war doch auffallend, dass der Applaus nach Engelhardts Bewerbungsrede kaum leiser ausfiel als der für Hörmann. Und hinterher klangen selbst manche Hörmann-Wähler so, als seien sie froh, dass mal jemand gegen den Präsidenten aufgestanden sei.

Die Hauptbotschaft sei, so sagte es Engelhardt, dass in einer Demokratie Gegenkandidaten selbstverständlich sein müssten. Und sie nicht von der Angst geprägt sein dürften, dass hinterher die Person oder der Verband hinter dieser Person Sanktionen erleiden müssen. Doch viele Funktionäre hätten genau diese Angst.

Im Sommer fand sich trotz aller Unzufriedenheit niemand, der gegen Hörmann antrat. Engelhardt wurde am Samstag auch nicht von einem Verbandsvertreter vorgeschlagen, sondern vom Fechter Benedikt Wagner, erst kurz zuvor zum Persönlichen Mitglied des DOSB gewählt. Und auch dass er die Kandidatur erst so kurzfristig öffentlich machte und damit die strategisch wohl nicht geschickteste Vorgehensweise wählte, habe laut Engelhardt mit diesem Klima zu tun. Dass er sich nämlich Anfeindungen und einen Spießrutenlauf ersparen wollte.

Hörmann wollte zu diesen Vorwürfen sowie zu Inhalt und Form der Gegenkandidatur nicht groß Stellung beziehen. "Die Mitglieder haben entschieden", sagte er nur, es sei ein demokratischer Prozess gewesen. Aber er erweckte den Eindruck, als habe er auf diesen demokratischen Prozess auch gut verzichten können. Hörmann sagte, er wolle einen Stil pflegen, der von "Offenheit und Transparenz geprägt" sei, und er will sich jetzt mit stark verändertem Präsidium an die weitere Arbeit machen. Die beiden wichtigsten Vize-Posten sind neu besetzt: Die frühere Hockeyspielerin Uschi Schmitz, 66, ist nun für den Leistungssport zuständig (statt Ole Bischof), und der Berliner Unternehmer und Sportmanager Kaweh Niroomand, 65, für die Finanzen (statt Stephan Abel).

Wie ungewohnt demokratische Grundübungen für manche im Sport sind, zeigte sich auch kurz nach Hörmanns Kür. Da stand die Wahl von Andreas Silbersack, 51, zum Vize-Präsidenten für Breitensport an. Der Landessportbund-Chef von Sachsen-Anhalt ist ebenfalls umstritten, und so gab es einen Antrag auf eine geheime Wahl. Ein Geraune setzte da ein, so laut, dass sich Thomas de Maizière zu einer Bemerkung veranlasst war. Der ehemalige Innenminister leitet künftig - formal wohl ab Mittwoch, wenn die Erlaubnis der Regierung vorliegen soll - das neue DOSB-Ethikkomitee und gab in Düsseldorf zugleich den Wahlleiter. "Da gibt es nichts zu murmeln", sagte er in den Saal: "Geheime Wahlen sind doch eigentlich der Normalfall."

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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