Sportpolitik:Steinmeiers Appelle

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Der politisch aktuell geforderte Staatschef hält eine Rede bei der Deutschen Sporthilfe. Er mahnt mit Blick auf die vielen Korruptionsfälle im Sport Transparenz von Sportorganisationen eindringlich an, die sich selbst reinigen müssten.

Von Javier Cáceres, Berlin

Sie waren mächtig stolz bei der Deutschen Sporthilfe, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstagmorgen tatsächlich zu einer Veranstaltung erschien, die man im Lichte der Lage der Nation aktuell nachrangig nennen muss. Zu Beginn der Woche hatte Steinmeier wegen der geplatzten Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen seinen Antrittsbesuch in Nordrhein-Westfalen noch abgesagt; doch für seine erste Rede zum Sport seit seiner Wahl im März 2017 hatte er genug Zeit - und auch dafür, einem Vortrag des Sportphilosophen Gunter Gebauer zuzuhören. Das animierte den Moderator, Johannes B. Kerner, zu devoter Dankbarkeit: "Einfach toll" sei es, dass Steinmeier "den größten Beichtstuhl der Republik für ein bis zwei Stunden verlassen" habe, säuselte Kerner, bevor er dem Staatschef das Podium bei der Veranstaltung "Werte des Sports" überließ.

Der Bundespräsident lieferte allerdings fast keine Anspielungen auf die aktuelle Lage der Nation, abgesehen davon, dass er zu Protokoll gab, dass die Politik gerade so viel leidenschaftliche Aufmerksamkeit erfahre wie sonst eher der Spitzensport. In seiner gut zwölfminütigen Rede kam Steinmeier auch komplett ohne das Wort "Verantwortung" aus, das im politischen Berlin gerade häufiger gebraucht wird.

Steinmeier mahnte mit Blick auf die vielen Korruptionsfälle im Sport Transparenz von Sportorganisationen an, die sich selbst reinigen müssten: "Aufklärung von Fehlverhalten in der eigenen Organisation und Autorität für die Zukunft gehören zusammen. Alle Sportfunktionäre, die diesen steinigen Weg gehen, verdienen Beifall und Ermutigung", sagte Steinmeier - und forderte, das Internationale Olympische Komitee in die Lage zu versetzen, "ein wirksames internationales Dopingkontrollsystem zu etablieren". Auch Sponsoren müssten die Anti-Doping-Bewegung stärken.

Kurios war vor allem, dass sich Gastgeber Thorsten Langheim, der Generalbevollmächtigter der Deutschen Telekom und Aufsichtsrat der Sporthilfe ist, in diesen warmen Worten voll wiedergefunden hatte. In seiner Begrüßungsrede hatte Langheim die "Kommerzialisierung" des Sports gegeißelt und auch ein Phänomen namens Doping verteufelt - ohne freilich zu erwähnen, dass die Telekom einst ihr Geschäft damit anzukurbeln versuchte, indem sie eine verblüffend schnell radelnde Pharmakolonne rund um Jan Ullrich finanzierte. Und so ging der Morgen in der Telekom-Vertretung zu Ende: Steinmeier ging zum roten Teppich, ließ sich noch mit Mitgliedern der "Hall of Fame" des deutschen Sports ablichten, lächelte für ein gemeinsames Selfie ins glitzernde Handy der Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katharina Witt. Dann stieg Steinmeier ins Dienstauto, das ein Kennzeichen trägt, das besser zur Lage jenes Mannes passt, den der Bundespräsident am Donnerstag im Beichtstuhl im Schloss Bellevue empfing, zum SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Auf dem Schild steht: "0-1".

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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