Sportpolitik:"Existenzielle Not"

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Um die Finanzierung der Anti-Doping-Agentur ist ein heftiger Streit ausgebrochen: Das Innenministerium pocht darauf, dass der organisierte Sport die vereinbarten Summen aufbringt - und moniert eine "Schieflage" in der Finanzierung.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Kurz vor der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist ein Disput über die Finanzierung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) ausgebrochen. Die Vertreter der Sparten Leichtathletik, Radsport und Triathlon fordern, dass die Lasten für die Spitzenverbände kurzfristig auf eine Million Euro gedeckelt und mittelfristig neu verteilt werden. Zugleich pocht das Bundesinnenministerium (BMI) darauf, dass der organisierte Sport die bisher vereinbarten Summen aufbringt - und moniert auf SZ-Anfrage eine "Schieflage" in der Finanzierung, weil die Politik deutlich mehr zahlt als der Sport.

Hintergrund der Debatte ist der seit 2015 geltende Finanzierungsschlüssel für die Nada. Der Haushalt beträgt derzeit etwa zehn Millionen Euro pro Jahr, wovon etwas mehr als die Hälfte für die Durchführung der Kontrollen draufgeht. Etwa zwei Drittel der Gesamtsumme übernimmt das BMI. Der Sport soll über seinen Dachverband DOSB sowie die Sporthilfe-Stiftung rund 600 000 Euro zahlen. Und 1,5 Millionen Euro sollen direkt von den 36 Spitzenverbänden kommen (außer vom Fußball, der erhält eine separate Rechnung).

Die Forderung des Ministeriums: 1,5 Millionen Euro als Beitrag von den Spitzenverbänden

Tatsächlich zahlten die Spitzenverbände aber jeweils nur eine Million Euro jährlich. Die übrige Summe? Mal übernahm der Bund einen Teil davon, mal zwackte der DOSB etwas aus dem Gewinnspiel "Sieger-Chance" ab. Der Rest floss schlicht gar nicht. Zwar geriet der Nada-Haushalt nicht ins Minus, weil es weniger Ausgaben gab. Aber auf Dauer wird das so nicht gehen: einfach weniger zahlen als vereinbart.

So gibt es um den Beitrag nun eine Debatte - und für den nahenden DOSB-Konvent am 2. Dezember in Koblenz einen Antrag der Vertreter aus Radsport (BDR), Triathlon (DTU) und Leichtathletik (DLV). Die drei zählen zu den Verbänden, die aufgrund des bisher vereinbarten Schlüssels am meisten zahlen müssen, zusammen mehr als 30 Prozent dessen, was die Verbände aufbringen sollen. Sie empfinden das als nicht mehr hinnehmbar - und wollen gleich zwei Änderungen durchsetzen.

Kurzfristig soll es eine Deckelung des Betrages auf eine Million Euro geben. Den Rest soll der DOSB beisteuern, etwa durch eine erneute Verwendung von Mitteln aus der "Sieger-Chance". Es stellt sich in der Tat die Frage, warum der direkte Beitrag des DOSB an der Finanzierung des Kontrollsystems so gering ist. Der Dachverband beantwortet eine konkrete Nachfrage zu dem Vorschlag derzeit nicht. Er verweist darauf, dass er alle Anträge für die Mitgliederversammlung bei einer Präsidiumssitzung beraten wolle.

Der Alternativ-Vorschlag der Antragsteller: Das Innenministerium solle einfach den Beitrag des organisierten Sports von den jährlichen Fördermitteln abziehen und direkt an die Nada überweisen. Das klingt sehr technisch, hätte aber erhebliche Konsequenzen. Die Spitzenverbände bekämen zwar weniger Fördergeld, müssten ihren Anti-Doping-Beitrag aber nicht mehr aus ihren eigenen Mitteln, also etwa den Mitgliedsbeiträgen, aufbringen. "Das wäre uns eigentlich die liebste Lösung", sagt BDR-Generalsekretär Martin Wolf. Doch das Ministerium gibt sich rigoros. Es teilt mit, es erwarte von den Spitzensportverbänden einen Beitrag von 1,5 Millionen Euro. "Es ist zuvörderst die Aufgabe der Sportverbände, und nicht die der Bundesregierung, für einen sauberen und dopingfreien Sport einzutreten und damit auch die finanzielle Verantwortung hierfür zu übernehmen", heißt es.

Unabhängig von der Deckelung geht es den Antragstellern mittelfristig aber auch um eine andere Verteilung der Gesamtsumme innerhalb der Spitzenverbände. Die Diskussion gibt es schon seit 2015, eine sportinterne Arbeitsgruppe lieferte bisher keine Ergebnisse. "Wir stellen den Verrechnungsschlüssel generell in Frage, weil es hier keineswegs eine solidarische Verteilung der Kosten gibt", sagt BDR-Vertreter Wolf.

Dass Leichtathletik (142 124 Euro jährlich), Radsport (107 763 Euro) und Triathlon (60 477 Euro) so viel zahlen müssen, hat vor allem etwas mit der Doping-Anfälligkeit ihrer Sparten und entsprechend erhöhtem Testbedarf zu tun. Aber nach ihrer Auffassung hat sich seit der Einführung des Schlüssels einiges geändert. So haben sich etwa die Zahl der Kader-Athleten und die Zahl der Wettkämpfe in den Sportarten reduziert, in der Folge auch die Zahl der durchgeführten Kontrollen. Ebenso ist die Frage, warum die Mitgliedergröße eines Verbandes eine so geringe Rolle spielt.

Der bisherige Schlüssel, so heißt es im Antrag, könne nicht mehr als transparenter Verteilmechanismus innerhalb des Sports dienen und bringe Verbände "wie den BDR, die DTU und viele andere Verbände in existenzielle und verbandspolitische Not (...), ohne darauf reagieren zu können". Aber gegen eine Neujustierung wehren sich Verbände, die bisher vergleichsweise wenig beisteuern.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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