Sportereignisse:Aliyevs inszenierte Spiele und der Wunsch nach mehr

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Baku (dpa) - Kurz vor Ende der Europaspiele erreicht die Inszenierung für Ilham Aliyev ihren Höhepunkt. Sekundenlang flüstert der blinde Gold-Judoka Ilham Zakiyev dem aserbaidschanischen Präsidenten bei der Siegerehrung ins Ohr und zieht Aliyev kurzerhand mit auf das oberste Podium.

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Baku (dpa) - Kurz vor Ende der Europaspiele erreicht die Inszenierung für Ilham Aliyev ihren Höhepunkt. Sekundenlang flüstert der blinde Gold-Judoka Ilham Zakiyev dem aserbaidschanischen Präsidenten bei der Siegerehrung ins Ohr und zieht Aliyev kurzerhand mit auf das oberste Podium.

So winkt der autoritär regierende Staatschef von der Position der Sportler ins Publikum - die enthusiastischen Zuschauer in der Heydar-Aliyev-Arena, benannt nach Ilhams Vater und Vorgänger, toben.

Die Milliarden-Investitionen der Regierung für das Prestigeprojekt Europaspiele haben sich für die politische Führung in Form unzähliger schöner Hochglanz-Bilder bezahlt gemacht. Egal wo aserbaidschanische Sportler abräumten, Aliyev war meist schon da, um sich im Lichte seiner Medaillengewinner zu sonnen. „Das ist mein Geschenk an den Herrn Präsidenten“, verkündete Volksheld Zakiyev und verwies stolz auf den Feiertag für die bewaffneten Streitkräfte Aserbaidschans.

Auch auf mehrfache Anfrage konnte das Organisationskomitee die genaue Zahl der Zeremonien mit Aliyev zwar nicht nennen. Aber gut eine Stunde vor Krönung des Fackelträgers Zakiyev ließ es sich der Chef des Nationalen Olympischen Komitees nicht nehmen, acht Kilometer entfernt dem eingebürgerten Boxer Collazo Sotomayor im Ring zu gratulieren. Das offizielle Abschlussvideo der Spiele zeigt Aliyev gleich zweimal in Jubelpose.

Wenn es nach dem Wunsch der Regierung geht, soll auf die Europaspiele in Zukunft ein noch gigantischeres Projekt folgen. „Das Niveau der Ambitionen hängt nicht mit der Größe eines Landes zusammen“, sagte Ali Hasanov von der Präsidialverwaltung in einer Gesprächsrunde auf die Frage nach einer möglichen Olympia-Bewerbung. „Ich denke, dass wir in der Lage sind, Events auf dem höchsten Level zu veranstalten.“

Sportliche Großereignisse sind stets auch eine Schau der wirtschaftlichen und politischen Leistungsfähigkeit eines Landes, selten wurde dies so offen formuliert wie in Baku. „Ein Ziel war, Aserbaidschan der ganzen Welt bekanntzumachen“, berichtete Sportminister Azad Rahimov stolz.

Zumindest das europaweite Lob für Organisation und Qualität der Spielstätten dürfte die Südkaukasusrepublik in den Bestrebungen bestärken. „Wir sind sehr zufrieden mit den professionellen Bedingungen der Veranstalter“, sagte Michael Vesper, Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Das ist eine gelungene Premiere gewesen.“

Das Europäische Olympische Komitee verfiel gleich ins Schwärmen: „Diese Spiele haben jede Erwartung übertroffen, jeder Aspekt dieser Spiele war ausgezeichnet“, sagte EOC-Präsident Patrick Hickey. „Sie sind sehr gut in der Lage, Olympische Spiele zu veranstalten“.

Über eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 als Konkurrent von Hamburg will die wegen Verstößen gegen Menschenrechte und Pressefreiheit kritisierte Aliyev-Regierung noch entscheiden. Bis zur Frist am 15. September sei noch „genug Zeit“, betonte Minister Rahimov. Zweimal hatte Baku mit seiner Olympia-Kandidatur nicht einmal die Vorauswahl überstanden, eine dritte Ablehnung wäre eine Schmach für die stolze Nation - aber angesichts der starken Gegner aus Paris, Rom, Boston oder Budapest auch nicht ausgeschlossen.

Und so will Aserbaidschan auch nach Erlöschen der Europaspiele-Flamme durch hohe Investitionen in den Sport sein Image aufpolieren. Nach dem ersten Formel-1-Grand-Prix 2016, den Wettkämpfen islamischer Staaten oder auch Spielen der Fußball-Europameisterschaft 2020 gebe es auch für eine mögliche Leichtathletik-WM 2023 in Baku die nötige Infrastruktur, sagte Sportminister Rahimov. „Wenn die Regierung sich zu einer Bewerbung entscheidet, wird es sehr interessant sein für das Land und die Entwicklung von Leichtathletik in unserem Land.“

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