Spanien:Ein Debakel und seine Folgen

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Real-Torwart Thibaut Courtois bei seiner Hauptbeschäftigung im Test gegen Lokalrivale Atlético: beim Herausholen des Balles aus dem eigenen Tornetz. (Foto: Johannes Eisele/AFP)

Real Madrid verliert 3:7 im Testspiel gegen Atlético - und sucht trotz Transferausgaben von bereits 300 Millionen Euro weiter nach Verstärkung.

Von Javier Cáceres, Berlin

Und dann war da noch dieses Lächeln. Diese verstörende Freude, die zu signalisieren schien, dass alles in bester Ordnung sei. Nix passiert! War's aber: Im Grunde hatte sich, wenn man die handelsübliche Terminologie der Sportpresse zugrunde legt, sogar eine Katastrophe zugetragen. In der Nacht zum Samstag hatte Real Madrid gegen den Lokalrivalen Atlético Madrid mit 3:7 verloren, zwischenzeitlich lag Spaniens Rekordmeister sogar 1:7 zurück. Okay, es war nur ein Testspiel, ausgetragen in East Rutherford, im US-Bundesstaat New Jersey. Aber was heißt schon Testspiel, wenn Real Madrid von Glück sprechen kann, gegen den ungeliebten Nachbarn nur sieben Tore kassiert zu haben und nicht noch mehr? "Planetarischer Donner", schrieb die Zeitung As. Nur Gareth Bale, Real Madrids walisischer Angreifer, der eingewechselt worden war, als es bereits 1:6 stand, er lächelte.

Es gibt Gründe, wegen derer Bale gut lachen hat. Wenige Tage vor dem Desaster gegen Atlético hatte sein Trainer Zinédine Zidane erklärt, dass er Bale so schnell wie möglich loswerden wolle; beim 1:3 gegen den FC Bayern München hatte Bale nur auf der Tribüne gesessen. Zidane sollte später behaupten, dass Bale selbst darum gebeten hatte, gegen den FC Bayern nicht zu spielen, was dann doch sehr kurios war. Denn es klang ein bisschen so, als habe Bale, 30 Jahre alt und damit zumindest theoretisch in der Blüte seines beruflichen Schaffens, tatsächlich eine Art Streik angedeutet, um einen Wechsel ausgerechnet nach China voranzutreiben. Dabei ist der Waliser, nach alledem, was man über ihn weiß, mit dem Leben in Madrid so zufrieden, dass er seinen mit nahezu 20 Millionen Euro netto jährlich dotierten Vertrag bis 2022 auch aussitzen würde. Der verletzungsanfällige Brite spielt auch sehr gerne Golf, und das kann man in Madrid ganz hervorragend tun.

Andererseits: Bei 25 Millionen Euro netto solle er bereit sein, Europa gegen China einzutauschen, Jiangsu Suning soll bereit sein, dieses Gehalt aufzubringen. Am Wochenende hieß es anfangs, Bales Wechsel stehe kurz bevor. Am Sonntag aber war Bale immer noch bei Real angestellt, Spaniens Rekordmeister konnte sich mit den Chinesen nicht über die Ablöse einigen.

Die Verhandlungen wurden durch das 3:7 gegen Atlético nicht einfacher. Jedes Milliönchen ist wichtig geworden, denn der Investitionsbedarf gilt als immens. Obschon Real nach einer titellosen Saison, in der drei Trainer verschlissen wurden, bereits 300 Millionen Euro für Zugänge ausgegeben hat, unter anderem für Eden Hazard (FC Chelsea), Luka Jovic (Frankfurt) und den brasilianischen Verteidiger Militão (FC Porto), dem sie intern den bösen Spitznamen Limitão verpasst haben.

Unklar ist die Lage von James Rodríguez, den Real zuletzt an den FC Bayern ausgeliehen hatte. Der Kolumbianer will zu seinem Lieblingstrainer Carlo Ancelotti, zum SSC Neapel. Doch die schwere Knieverletzung von Marco Asensio hat Real um eine offensive Option beraubt - und der wendige spanische U21-Europameister Dani Ceballos wurde an den FC Arsenal abgegeben. Real-Coach Zidane besteht weiterhin auf der Verpflichtung von Paul Pogba (Manchester United); der französische Weltmeister soll das Mittelfeld zusammenhalten, das in Abwesenheit des Brasilianers Casemiro defensiv zu wünschen übrig lässt. In der Kritik stehen Spieler, die lange als unantastbar galten: der Kroate Luka Modric sowie Toni Kroos, deutscher Weltmeister von 2014. Sie müssen nun nach München zum Sommerturnier des FC Bayern reisen - und am Dienstag gegen Tottenham Hotspur zumindest beweisen, dass ihnen anders als Bale nicht zum Lachen ist.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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