Sonja Pfeilschifter bei Olympia:Drama am Schießstand, vierter Akt

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Die ewige Favoritin wird zur tragischen Figur der Deutschen bei Olympischen Spielen. Nach 2000, 2004 und 2008 verpasst Sportschützin Sonja Pfeilschifter auch in London eine Medaille. Im entscheidenden Moment verliert sie die Nerven. Und attackiert anschließend ihren Verband.

Volker Kreisl, London

Am Ende war der Druck größer als zuvor. Trotz ihrer Versetzung in einen anderen Wettbewerb, ihres Mentaltrainings, ihrer gewissenhaften Vorbereitung bleibt die Sportschützin Sonja Pfeilschifter die tragische Figur der Deutschen bei den Sommerspielen, nach 2000, 2004 und 2008 nun auch 2012.

Sonja Pfeilschifter und Olympia: Es passt nicht.  (Foto: Marius Becker/dpa)

Auch mit dem Kleinkalibergewehr, im sogenannten Dreistellungskampf, in dem die Schützinnen liegend, stehend und knieend anlegen, verlor sie im entscheidenden Moment die Nerven. Vor den Spielen war sie noch verlässlich unter den Besten, nun verpasste sie wieder das Finale, am Ende wurde es Platz 19. Pfeilschifter war frustriert - und attackierte ihren Verband.

Gewonnen hat die Amerikanerin Jamie Lynn Gray mit neuem olympischen Rekord. 691,9 Punkte hatte sie nach den drei 20er Serien und dem abschließenden Stehend-Finale gesammelt. Auf Platz zwei kam die serbische Schützin Ivana Maksimović, Bronze gewann Adela Sykorowa aus Tschechien. Barbara Engleder war beste Deutsche als Sechste.

Ein hochklassiger Finalkampf war es, aber nicht so elitär, dass Pfeilschifter darin zwangsläufig gescheitert wäre, wenn sie ihn denn erreicht hätte. Ihre Form war vor den Spielen und auch während dieser ersten Woche exzellent, sie selber sagte: "Ich habe mich sicher gefühlt."

Die enormen Erwartungen, die auf der Sportschützin Pfeilschifter lasteten, wollte der Deutsche Schützenbund (DSB) ihr abnehmen, indem er sie diesmal aus dem Mittelpunkt nahm. Den Auftakt der Schießwettbewerbe, das Luftgewehrschießen, das ja traditionell auch die erste Entscheidung bei Sommerspielen ist, hatte sie - stets als hohe Favoritin - in Sydney, Athen und Peking - nie nutzen können, nun wurde sie ins zweite Olympia-Wochenende versetzt mit dem Kalkül, dass bis dahin mindestens ein zwei deutsche Schieß-Medaillen zu Buche stünden.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen
:Bonbon, Wüstenblume, Dawai!

Im Moment von Sieg oder Niederlage offenbaren viele Menschen ihr wahres Wesen. Einige vermissen das hochprozentige Bier ihrer Heimat. Andere sind immer mit mindestens einem der Athleten verwandt oder verkleiden sich als Huhn. Doch wer lächelt eigentlich immer? Eine Fan-Typologie nach Nationen.

Jürgen Schmieder, London

Die große Aufregung, die Reporter, die Augen der Fernsehzuschauer würden dann schon von ihr fernbleiben. Doch als sie dann antrat, hatte der DSB in sieben Tagen immer noch keine Medaille. Die beste Leistung hatte Daniel Brodmeier aus Niederlauterbach geliefert, er landete im Liegendschießen mit dem Kleinkalibergewehr auf Rang fünf. Pfeilschifter bekam also wieder ihren Platz im Höhepunkt des Spannungsbogens.

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Drei Medaillen, zwei davon Gold: Schwimmerin Ranomi Kromowidjojo ist die erfolgreichste Athletin aus den Niederlanden. Serena Williams deklassiert ihre Gegnerin Maria Scharapowa im Tennis-Finale und gewinnt zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen in Wimbledon, Triathletin Nicola Spirig siegt im Fotofinish.

Gold-Gewinner

Liegend und stehend schoss sie sicher wie immer, mit insgesamt 198 und 196 Schuss lag sie auf Medaillenkurs, doch dann lief ihr die Zeit davon. und sie wurde nach hinten durchgereicht. Am Ende war sie wieder in Tränen aufgelöst und ohne Worte, die den Reinfall einer der erfahrensten Schützinnen weltweit erklären konnten. Pfeilschifter hatte nicht wirklich getrödelt, sich aber doch zu viel Zeit gelassen mit den fünf Probeschuss vor dem Kniend-Anschlag. Sie war damit optimal vorbereitet, aber auch in außerordentlicher Eile. "Die fünf Schuss waren zu viel", sagte sie.

Anders als Teamkollegin Engleder nahm Pfeilschifter den Verband mit in die Verantwortung. Engleder, die ebenfalls vom Luftgewehr zum Kleinkaliber beordert worden war, stellte klar: "Das war für mich genau die richtige Entscheidung." Sie hätte Platz sechs niemals erreicht, wenn sie schon am ersten Wochenende schießen hätte müssen.

Ganz anders Pfeilschifter: "Die wollten mir den Druck der ersten Medaille nehmen, dafür erwarten sie dann am fünften Tag Gold, das ist nicht viel weniger." Sie habe diese Erwartungen am Schießstand gespürt, sagte sie, "da machst du dir Gedanken". Eigentlich dürfe sie sich nicht äußern, sagte sie, doch dann stellte sie doch die Haltung ihres Verbands-Oberen grundsätzlich in Frage: "Wir sind die Barriere, und die stehen hinten dran." Näher darauf eingehen, was sich genau ändern müsse, wollte sie in diesem Moment nicht.

Nach den Spielen wird es viel zu besprechen geben beim Schützenbund. Zunächst hat er noch zwei Chancen, die Bilanz zu retten, der Medaillendruck hat sich verlagert auf die beiden Letzten. Christian Reitz mit der Sportpistole am Sonntag und Karsten Bindrich im Trap am Montag könnten noch eine Medaille holen.

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