Snowboardcross:Drunter und drüber

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"Hat direkt krass Spaß gemacht." - Leon Beckhaus (2.v.l.) fühlt sich beim Snowboardcross wohl. (Foto: Matic Klansek/GEPA pictures/imago)

Leon Beckhaus, 22, vom SC Miesbach hat sich für das Weltcup-Finale auf der Reiteralm qualifiziert - ein Höhepunkt in einer Saison mit bislang vielen Absagen und einer großen Enttäuschung.

Von Thomas Becker

Wenn sich Leon Beckhaus an diesem Donnerstag um kurz nach halb zwölf mit Startnummer 14 aus dem Start-Gate auf der Reiteralm katapultiert, dann hat er seine Sachen schon gepackt. Denn keine 24 Stunden nach dem erst dritten Weltcuprennen in diesem Pandemie-Winter wird der angehende Bauingenieur 213 Kilometer entfernt in einem Hörsaal der TU München an einer Prüfung rumgrübeln. Deshalb nach getaner Tat rein ins Auto, ab auf die Autobahn - und abends nochmal in die Bücher geschaut.

Vergangene Woche bei der WM in Idre Fjäll (Schweden) sind die deutschen Boardercrosser mit den Plätzen fünf und sechs für Martin Nörl (Adlkofen) und Paul Berg (Konstanz) an einer Medaille vorbei geschrammt. Bei seiner schon dritten WM-Teilnahme hat der für den SC Miesbach startende Leon Beckhaus dagegen das Finale verfehlt. "In der Quali hab' ich ein, zwei Fehlerchen an besonders blöden Stellen gehabt", sagt der 22-Jährige, "das war schon bitter und hat mich gefuchst wie sonst was. Aber ich bin froh, dass ich ein paar Fehler gefunden habe, die den Rückstand erklären."

2013 landete er im Nationalteam und bekam einen Platz im Sport-Internat in Oberstdorf

Bundestrainer Bernard Loer war bei der Fehlersuche behilflich, was nicht schwer war: "Auf der Strecke gab es vier Kurven und relativ viele Flachstücke. Leon hatte am Ende der zweiten Kurve einen kleinen Rutscher, danach war es halt flach, dann steht man quasi. Für einen Fehler die ungünstigste Stelle im Kurs." Bei der Qualifikation für den Weltcup auf der Reiteralm bei Schladming war Loer jedoch zufrieden mit Beckhaus: "Was er da gezeigt hat, wird ihm Selbstvertrauen geben. Das war das, was er im Herbst in der Vorbereitung schon aufs Tapet gebracht hat. Es halt vorher noch nicht sollen sein." Loer meint die Plätze 20 und 49 bei den bislang einzigen Weltcups in Valmalenco (Italien). Dass Beckhaus das besser kann, hat er in schon 28 Weltcuprennen gezeigt. Beste Ergebnisse bislang: die Ränge fünf und acht, vor zwei Jahren. Auch ein achter Platz bei der WM 2019 steht zu Buche, zudem Silber bei der Junioren-WM 2017.

Dass es mal so weit kommen würde, hat mit Zufall, aber auch mit Andi Polke vom SC Miesbach zu tun. Der lud den damals Zehnjährigen einfach mal zu einem Wettkampf ein. Mit Papa und Schwester war Leon als Zuschauer beim Snowboard-Race-Weltcup am Sudelfeld. Die Familie hat eine Ferienwohnung am Schliersee, mit drei stand Leon auf Skiern, mit fünf stieg er aufs Brett um, hüpfte am Spitzing über die Kicker an der Firstalm - und fiel dann wie die Schwester am Sudelfeld auf. "Die stehen ja gut auf dem Brett: Wollen die nicht mal ein Training machen?", wurde Papa Beckhaus gefragt, doch seine Kids wollten zunächst gar nicht. "Ich musste mit der Schule ins Skilager", erklärt Leon, "und dachte, die vom Snowboard-Verein würden sagen: 'Du darfst nicht skifahren!'" Irgendwann wählte er doch Polkes Nummer, nahm die Einladung zu seinem ersten Boardercross-Rennen an, ohne je einen solchen Parcours gefahren zu sein - und wurde gleich mal Dritter. "Hat direkt krass Spaß gemacht", erinnert er sich.

Leon Beckhaus. (Foto: Günter Schiffmann/imago)

Immer öfter ließ er nun den Hockeyschläger in der Ecke stehen, und der Münchner SC musste ohne oft ihn auskommen. 2012 wurde er zur Nationalteam-Sichtung eingeladen, da fuhr er noch mit dem Freestyle-Board. Im Jahr darauf hatte er ein adäquates Boardercross-Brett: "Da bin ich das ein bissl ernster angegangen." Im Frühjahr 2013 landete er im Nationalteam und bekam einen Platz im Sport-Internat in Oberstdorf, wo die Snowboarder in Grasgehren ihren Stützpunkt haben. Die vier Jahre dort haben Spaß gemacht, sagt Beckhaus: "Die Schule liegt fußläufig zur Nebelhornbahn - da konnte man nach der Schule noch snowboarden." Im Winter vor dem Abitur war er in zwei Monaten nur vier, fünf Tage in der Schule, "aber das war sehr gut organisiert: Die Lehrer kamen abends ins Internat und haben Nachhilfe gegeben, damit man die Schule auf die Reihe kriegt." Hat prima geklappt: Abi hat er mit 1,6 gemacht.

"Der ist ziemlich straight forward", lobt Bundestrainer Loer, "was er sich vornimmt, geht er auch an."

"Der ist ziemlich straight forward", lobt Bundestrainer Loer, "was er sich vornimmt, geht er auch an. Er hat auch andere Interessen, kann sich aber sehr gut fokussieren, und Boardercross fahren und das ganze Drumherum ist dem Kiko sehr wichtig." Der Spitzname rührt von einer früheren Karriere als Tischfußballer, sagt der Coach, der Beckhaus seit 2013 betreut: "Wir haben schon die ein oder andere Reise zusammen unternommen." Allzu viele sind heuer nicht dazu gekommen: Drei Weltcups mussten pandemiebedingt abgesagt werden. "Es ging drunter und rüber", sagt Loer, "für den Trainingsaufbau und die Motivation im Team war das schon blöd. Wenn eine Absage nach der anderen kommt, wird es schwierig, sich immer wieder hochzufahren. Das ist an den Sportlern nicht spurlos vorüber gegangen." Beckhaus formuliert es so: "Die ganze Saison über nur zu trainieren, ist auch nix, das macht keinen Spaß."

Umso größer ist nun die Freude, dass es weiter geht: Anfang März steht ein Bewerb in Georgien an, danach das Finale der besten 32 in Veysonnaz in der Schweiz. Dort dabei zu sein, ist das Saisonziel von Leon Beckhaus: "Da bin ich noch nicht safe qualifiziert. Aber das versuche ich am Donnerstag zu ändern."

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