Snowboard:Endlich wieder Chef sein

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"Boah, ich bin sehr, sehr demütig": Isabella Laböck. (Foto: imago/Eibner)

Eine Verletzung konfrontierte Isabella Laböck ein Jahr lang mit der Endlichkeit des Sportlerlebens. Nun kehrt sie zurück - und kämpft gegen die eigene Vergangenheit.

Von Johannes Knuth

Im August schienen dann alle Alternativen erschöpft, alle Wege zu einem Comeback verschüttet zu sein. "Da hat jeder Schwung im Training so extrem wehgetan", erinnert sich die Snowboarderin Isabella Laböck, "ich habe gesagt: Das halte ich eine Saison lang nicht mehr aus." Laböck war 2013 Weltmeisterin im Parallel-Riesenslalom; sie führt einen robusten Willen mit sich, sie ahnte aber auch, dass eine Bodenwelle auf den ruppigen Weltcuppisten genügen würde, um ihre Entschlossenheit zu zertrümmern. "Ein Schlag", wusste sie, "und ich liege ich im Schnee und heule." Sie überlegte, aus dem Leistungssport auszusteigen, stemmte sich gegen die düsteren Gedanken. "Man will es ja oft nicht wahrhaben", sagt sie. Die Hoffnung, sie ist halt eine unbelehrbare Anarchistin.

Eine Medaille bei der WM 2017 hat sie nicht als Ziel - eine bei den Winterspielen 2018 schon

Vier Monate später, an diesem Donnerstag, beginnt in Carezza/Südtirol die Weltcup-Saison der Raceboarder, der stärksten Sparte im Verband Snowboard Germany. Und Laböck, 30, die fast raus war aus ihrem Sport, ist nun doch wieder dabei. Sie hat ihre Sprunggelenksverletzung weitgehend auskuriert, die ihr mehr als ein Jahr geraubt hat. Sie wird sich am Donnerstag in einen Parallel-Riesenslalom stürzen, in jene Disziplin also, in der sie dem kleinen deutschen Verband vor drei Jahren einen WM-Titel bescherte. Und jetzt? "Boah, ich bin sehr, sehr demütig", sagt Laböck, wenn man ihre Pläne für die kommende Saison ausleuchtet. Wie es halt so ist, wenn man mit der Endlichkeit des eigenen Sportlerlebens konfrontiert wurde.

Laböcks Leidenszeit begann im Februar 2015, beim Weltcup auf dem Sudelfeld, in der Nachbarschaft ihrer Heimat Prien. Sie stürzte in der Qualifikation, erlitt ein Bänderriss im Sprunggelenk, es war eine komplizierte Verletzung. Sie ließ sich operieren. Das Comeback verschob sich in den folgenden Winter. Dann, als der Winter anbrach, in den Januar 2016. Aus Januar wurde Februar, das Gelenk hatte sich immer wieder entzündet, und als der Februar da war, beschloss Laböck entnervt, die Saison abzubrechen. Sie wolle erst mal richtig genesen, richtete sie aus. Aber sie fand auch danach nicht so recht in ihren Sport hinein. Und die neue Saison kroch langsam näher.

Raceboarder müssen tief und fest in ihren Schuhen versinken, wie die alpinen Skifahrer, so können sie die Kanten am besten fest ins Eis pressen. Bei Laböck drückte der Schuh bei jeder Fahrt nun aber auch auf den Knöchel, "da habe ich bei jeder Fahrt nur geschaut: Halte ich das aus? Das macht einen wahnsinnig", erinnert sie sich. Sie verhandelte über ihr Karriereende, nur mit sich, im Stillen. "Als Sportler denkt man ja immer: Ich bestimme den Zeitpunkt, wann ich aufhöre. Und plötzlich sagt dir der Körper: Jetzt ist aber Schluss."

Den Unterschied machte dann ein Paar Schuhe, die sie im August probierte, sie gaben Halt, ohne sie zu sehr zu beengen. "Das war wirklich der entscheidende Moment", sagt Laböck. Sie tauchte wieder in ihr "ganz normales" Training ein, in dem freilich vieles noch nicht normal lief, weil sie ständig an sich selbst scheiterte, an den Leistungen der jüngeren, besseren Laböck von früher. "Ich hatte zuletzt Fahrten, da kommt die alte Isabella mal wieder", sagt sie. "Aber dann ist wieder der totale Ausfall dabei, wo ich mir sage: Was habe ich jetzt eigentlich gemacht?"

Hochleistungssportler sind furchtbar ungeduldig, sie opfern viel im Jetzt, ohne zu wissen, ob sie dafür jemals entlohnt werden. Vielleicht, sagt Laböck, will man auch deshalb "am liebsten immer alles sofort". Aber wer dem Karriereende so nahe gerückt war, lernt, zunächst einmal das branchenübliche Protokoll abzuarbeiten: Von Rennen zu Rennen schauen. Den Anschluss an die Besten zu schaffen, erst intern, irgendwann international, vielleicht. Um die Medaille, die sich der deutsche Verband bei der WM im kommenden März erhofft, werden sich wohl andere kümmern. In Selina Jörg (Sonthofen) stellen sie gerade ein Mitglied der Weltspitze, dazu kommen Anke Wöhrer aus Bernau, Silber-Gewinnerin von Sotschi, und junge Athletinnen wie Junioren-Weltmeisterin Ramona Hofmeister aus Bischofswiesen, 20, die an der Hierarchie rüttelt. Vielleicht kommt sogar Amelie Kober (Fischbachau) noch einmal zurück, die 28-Jährige plant das nächste Comeback, nach der fünften Operation.

Laböck kann es sich jedenfalls leisten, wieder langsam in den Sport hineinzufinden. Bundespolizei und Verband strichen ihr in den dunklen Jahren nie die Förderung, "da kann man sich glücklich schätzen", sagt sie. Ihre Referenzen als Weltmeisterin haben sicherlich nicht geschadet, klar. Sie hofft schon, dass der Sport es noch einmal gut mit ihr meint, dass sie ihre alten Ziele wiederbeleben kann, eine Medaille bei Olympia 2018 etwa. Wobei sie auch Sätze sagt wie: "Wenn die Saison jetzt katastrophal läuft, dann habe ich keine Olympia-Ambitionen mehr." Fürs Erste wäre sie mit kleinen Erfolgen zufrieden. "Früher war man der Chef auf dem Snowboard, und manchmal ist man jetzt wieder der Passagier. Das macht mich rasend, ein Stück weit die Kontrolle abgeben zu müssen", sagt sie. Fürs Erste, findet Laböck, wäre es schön, mal wieder Chef zu sein.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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