Snowboard:Das Beste aus beiden Welten

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"Sollte easy sein", sagt Johannes Höpfl über seine Chancen auf die zweite Olympia-Teilnahme in seiner Karriere. (Foto: Joe Klamar/AFP)

"Diesen Luxus haben wir in Deutschland nicht": Snowboarder Johannes Höpfl, 20, ist trotz kniffeliger Bedingungen in den Kreis der fähigsten Halfpipe-Snowboarder aufgestiegen.

Von Johannes Knuth, München

Um sein Meilenkonto muss sich der Snowboarder Johannes Höpfl fürs Erste wohl nicht mehr sorgen. Anfang Januar machte er sich in die USA auf, erst nach Colorado, später Richtung Kalifornien, zum Halfpipe-Weltcup in Mammoth Mountain. Anfang Februar war er dann bereits in Park City, und auch jetzt ist Höpfl ein wenig in Eile, "muss noch kurz durch die Sicherheitskontrolle", schreibt er. In einer Stunde hebt der Flieger nach Japan ab, zum letzten Weltcup-Halt in Sapporo. Beklagen will sich Höpfl aber auch nicht, gerade jetzt, da er eine gute Form mit sich führt, die wohl beste seiner jungen Karriere. "Ich bin sehr stolz", sagt Höpfl, als er die Bilder der vergangen Wochen noch einmal an sich vorbeiziehen lassen kann. "Darauf habe ich lange hingearbeitet. Es tut gut, wenn es endlich einmal aufgeht."

Platz zehn in der Halfpipe - es war das beste Resultat eines Deutschen seit vier Jahren

Bei drei Weltcups hat sich Johannes Höpfl, 20, aus Niederbayern in diesem Winter vorgestellt, drei Mal reihte er sich unter den besten 15 ein. In Mammoth Mountain wurde er sogar Zehnter, es war das beste Resultat seiner noch jungen Laufbahn. Und der beste Ertrag in der Halfpipe seit vier Jahren für Snowboard Germany, den kleinen deutschen Verband. "Der zehnte Platz motiviert auf jeden Fall für mehr", sagt Höpfl, es ist eine dieser kleinen Motivationsschübe, die er immer mal wieder braucht. Sein Aufstieg steht ja auch exemplarisch für den langen Weg, den deutsche Snowboarder in den Freestyle-Disziplinen noch immer bis in den Kreis der Besten zurücklegen müssen. Ein Weg mit vielen kleinen Schritten, findet Höpfl.

Höpfl war 14, als er richtig in seinen Sport eintauchte. Das olympische Snowboarden ist nur noch entfernt verwandt mit dem Sport der Neunzigerjahre, der den Wettstreit ablehnte. Wer bei Olympia eine Chance haben will, betreibt seinen Sport als Ganzjahresprojekt, und für den deutschen Nachwuchs bedeutet das: Aufstehen frühmorgens, manchmal um fünf Uhr, per Zug in die Alpen, Training im Gelände, spät zurückkehren. Oder, für Fortgeschrittene: Exkursionen nach Neuseeland im Sommer, in die USA und die Schweiz im Winter. In Laax, dem europäischen Hotspot, steht eine Leistungsfabrik der Snowboarder, eine Spielwiese aus Halfpipe, Kickern und Sprüngen, daneben eine Halle mit Trampolinen, in denen die Athleten wie Kunstturner trainieren. "Diesen Luxus haben wir in Deutschland nicht", sagt Höpfl. "Wir sind schon stolz, was wir trotz schlechter Trainingsbedingungen geschafft haben."

Die olympische Snowboard-Familie, das muss man wissen, ist in zwei Gruppen zerfallen, in die Alpinen und die Freestyler. Für Medaillen waren im deutschen Verband zuletzt die Raceboarder aus der Alpin-Abteilung zuständig, viele Förderströme flossen in ihre Richtung. Im vergangenen Jahr kippte das Internationale Olympische Komitee dann den Parallelslalom aus dem Programm, es gönnte dafür den Freestylern eine weitere Disziplin, den Big Air, einen Sprung über einen einfamilienhaushohen Kicker. Die Künstler sind jetzt plötzlich die stärkste Strömung innerhalb der Snowboard-Familie; die letzte deutsche Medaille aus diesem Ressort gewann Nicola Thost, 1998 in der Halfpipe.

Aber es bewegt sich was, langsam, nicht zuletzt dank Talenten wie Höpfl und André Höflich, 18. "Wir haben finanziell einen Nachschlag erhalten", sagt Geschäftsführer Stefan Knirsch, "aber wir rennen nach wie vor den Schnee-Trainingsstätten hinterher." In Berchtesgaden, am Jenner, würden sie gerne eine Halfpipe hochziehen, derzeit gibt es in Deutschland nicht einen Standort. Aber die Kosten, rund 300 000 Euro im Jahr, mag sich kein Skigebiet so recht leisten. Hanns-Michael Hölz, Präsident von Snowboard Germany sagt: "Es braucht auch den politischen Willen." Wenn der Innenminister ein Drittel mehr Medaillen fordere, findet Hölz, "braucht es auch bessere Trainingsstätten".

Johannes Höpfl hat sich in diesem Spannungsfeld geduldig nach oben gearbeitet. "Ich bin einer, der etwas gescheit anpackt, nicht so halb", sagt er. Er kauft sich auf aller Welt in die Trainingszentren ein, auch wenn das Fliegen und die Zeitumstellungen an der Motivation rütteln. Wenn er einen Trick einstudiert und nicht so recht weiterkommt, kurvt er einen Tag durchs Gelände, wirkt an Filmproduktionen mit; das Filmen und freie Fahren ist zu einer konkurrierenden Bewegung neben der olympischen gewachsen, in der die Subkultur von früher weiterlebt. Höpfl sieht das pragmatisch, er greift sich das Beste aus beiden Welten heraus. "Man muss auch mal Abstand von einer Sache gewinnen, um weiterzukommen", sagt er.

Seine Zukunft hat Höpfl aber schon den Winterspielen versprochen. Die Sportfördergruppe der Bundeswehr sichert ihn finanziell ab. Zwei Winterspiele hat er noch in sich, glaubt er, 2018 und 2022. Er wird wohl weiter auf Luxus im Training verzichten müssen, "bis die Halfpipe in Deutschland fertig wird, wird das für meine Karriere eher nicht mehr relevant sein", glaubt er. "Aber für den Nachwuchs, warum nicht?" Es wäre eine Abkürzung auf dem langen Weg in den Kreis der Besten.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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