Snooker-Weltmeisterschaft:Männlich, ledig, jung - und hochbegabt

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Der Snookerspieler Judd Trump agiert am Tisch spektakulär, abseits davon pflegt er einen mondänen Lebensstil. Für nicht wenige gilt er als Retter des Sports - doch nun muss er bei der Weltmeisterschaft beweisen, dass er auch langweilige Partien für sich entscheiden kann.

Jürgen Schmieder

Der Einmarsch ist perfekt choreographiert, der Ansager im Crucible Theatre in Sheffield brüllt: "Here comes The Ace! Her comes Judd Trump" - wobei er das u des Nachnamens zwei Sekunden hält. Die Menge klatscht, es kreischen die Mädchen, aus den Boxen dröhnt das Lied "I made it" der Krawall-Rapper Kevin Rudolf, Lil' Wayne und Birdman.

Wegen ihm kommen die Menschen in die Halle: Snookerspieler Judd Trump. (Foto: imago sportfotodienst)

Dann kommt Trump in die Arena, er lächelt, er zwinkert den weiblichen Zuschauern zu, für die Männer gibt es einen Gruß mit der Hand. Es ist ein spektakulärer Auftritt, der umso spektakulärer daherkommt, weil Trump kein Faustkämpfer auf dem Weg in den Boxring ist. Er ist Snookerspieler, einer der besten der Welt, bei der Weltmeisterschaft gilt er neben Mark Selby als aussichtsreichster Titelkandidat. Am Dienstag begann Trump sein Erstrundenmatch gegen Dominic Dale, er führt nach Problemen zu Beginn nun mit 5:4, am MIttwoch geht es weiter.

Trump selbst sieht sich nicht wirklich als Billardspieler, er sieht sich noch nicht einmal als Profisportler. Auf seiner Twitterseite beschreibt sich der 22-Jährige so: "Part-time snooker player and full-time international playboi (sic)". Er ist eine schillernde Figuren in einem Sport, bei dem gewöhnlich schon das Verrücken der Fliege als emotionaler Ausbruch gilt.

Trump gilt als Retter dieser schwierigen Billard-Disziplin, in Anlehnung an die Beatlemania wird in Großbritannien derzeit von der Trumpmania gesprochen - und der Bengel mit der Boyband-Frisur pflegt dieses Image. Auf Twitter plaudert er locker über seinen Lebenstil, über Partys mit Fußballern und Verabredungen mit Frauen, die sich leichtbekleidet in Boulevard-Magazinen präsentieren. "Es ist lästig, wenn man mit jemandem zusammen ist und dann dauernd um die Welt reist", sagt er, "jetzt will ich gewinnen und genießen, für alles andere ist danach Zeit."

Er genießt und gewinnt derzeit sehr viel, dieser Judd Trump. Beim Masters erreichte er das Halbfinale, in der Champions League das Endspiel, die UK Championship gewann er. In der provisorischen Weltrangliste wird er derzeit auf Platz zwei hinter Mark Selby geführt, bei der WM ist er an Position vier gesetzt.

Trump ist ein herausragender Athlet, das zeigte er schon als Jugendlicher. Mit 14 Jahren gelang ihm sein erster perfekter Spielabschnitt, ein so genanntes Maximum Break, bis heute ist er der jüngste Spieler, der das während eines offiziellen Turniers geschafft hat. Mit 16 Jahren wurde er Profi, zwei Jahre später qualifizierte er sich erstmals für die Weltmeisterschaft. Im vergangenen Jahr erreichte er das Finale - er verlor zwar mit 15:18 gegen John Higgins, doch der Sieger sagte nach der Partie: "Der schlechtere Spieler hat dieses Endspiel gewonnen."

Trump gilt nicht nur wegen seiner Frisur, seiner Emotionen am Tisch und seiner mondänen Lebensweise als Exzentriker, sondern auch aufgrund seiner Spielweise. Seit Jimmy White lieber Spaßturniere spielt und bei Ronnie O'Sullivan sowohl Genie als auch Wahnsinn deutlich nachlassen, sind vor allem jene Spieler erfolgreich, die fehlerfrei, mechanisch und roboterhaft agieren. Diese Perfektion ist faszinierend, bisweilen aber auch schrecklich langweilig.

Trump dagegen ist einer, dem Langeweile so zuwider ist wie Monogamie oder Videoabende. Ähnlich wie sein Vorbild O'Sullivan bewegt er sich schnell um den Tisch und versucht ständig, scheinbar nicht einzulochende Kugeln in den Taschen zu versenken. "Wegen ihm kommen die Menschen in die Hallen oder schalten den Fernseher ein", sagt Higgins über Trump. O'Sullivan ergänzt: "Ich habe noch nie jemanden gesehen, der Bälle derart versenkt. Es ist gruselig."

Freilich profitiert Trump davon, dass der Chef des Weltverbandes, Barry Hearn, den Sport grundlegend verändert hat. Er hat vor zwei Jahren Power Snooker eingeführt: Eine Partie dauert maximal 30 Minuten, es geht um Punkte und nicht um den Gewinn von Spielabschnitten, pro Versuch gibt es 20 Sekunden Bedenkzeit, schwierige Stöße werden mit doppelter Punktzahl belohnt.

Viele ältere Spieler beschweren sich, dass durch diese Variante die Tradition des Sports verraten würde - doch den Zuschauern scheint es zu gefallen, die Hallen sind so voll wie selten zuvor. "Ich möchte, dass sich mehr Menschen meines Alters für den Sport interessieren, dazu müssen wir das Spiel schneller machen", sagt Trump, "sogar mir wird langweilig, wenn ich einigen anderen Spielern zusehe."

Nun aber muss Trump erst einmal bei der Weltmeisterschaft antreten, wo nach traditionellen Regeln gespielt wird und sich Partien über mindestens zwei Tage hinziehen. Im vergangenen Jahr hatte er im Endspiel gegen John Higgins bereits mit 12:9 geführt, dann wurde er müde, unkonzentriert und ungeduldig. Er verlor. Als er die Arena damals verließ, gab es kein Gekreische und keine Rap-Musik. Nur der Boden hat ein bisschen geknarzt.

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